05.07.2018

Drei Sterne für Einstein

Astronomen testen Universalität des freien Falls für starke Gravi­ta­tions­felder.

Ein internationales Team von Radioastronomen und Astro­physikern hat das starke Äqui­valenz­prinzip der All­ge­meinen Rela­ti­vitäts­theorie erst­mals für ein Objekt mit großer Gravi­ta­tions­energie getestet: einen Pulsar, der zusammen mit zwei weißen Zwergen ein Drei­fach­stern­system bildet. Anne Archi­bald vom nieder­ländischen Institut ASTRON und ihre Kollegen hatten vor vier Jahren den Pulsar PSRJ03371+1715 entdeckt, der etwa 4200 Licht­jahre von der Erde ent­fernt und Teil eines Drei­fach­stern­systems ist. Um den Pulsar mit 1,4 Sonnen­massen kreist alle 1,6 Tage ein weißer Zwerg mit einem Fünftel der Sonnen­masse. Dieses Doppel­stern­system wiederum wird alle 327 Tage von einem weiteren weißen Zwerg umrundet, der zwei Fünftel der Sonnen­masse hat.

Abb.: Künstlerische Darstellung des beob­ach­teten Drei­fach­stern­systems, das aus einem Pulsar (rechts) und einem weißen Zwerg (links) besteht, die in größerem Abstand von einem weiteren weißen Zwerg umkreist werden. (Bild: NRAO / AUI / NSF / S. Dagnello)

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Schon bald war klar, dass dieser Pulsar die Möglich­keit eröffnet, sowohl das schwache als auch das starke Äqui­va­lenz­prinzip für starke Gravi­ta­tions­felder mit uner­reichter Genauig­keit zu messen. Schon Galileo Galilei hatte beob­achtet, dass unter­schied­liche und aus unter­schied­lichen Stoffen beste­hende Massen im Schwere­feld der Erde in gleicher Weise fallen, wenn keine weiteren Kräfte auf sie wirken. Darin drückt sich die Äqui­va­lenz von schwerer und träger Masse aus.

Albert Einstein hat diese Äquivalenz zum grundlegenden Prinzip seiner All­ge­meinen Rela­ti­vitäts­theorie gemacht: In einem Schwere­feld wirkt auf eine Masse nicht etwa eine Gravi­ta­tions­kraft, die „zufällig“ gleich der Träg­heits­kraft ist, sondern die Masse fällt frei in einer gekrümmten Raum­zeit. Somit fallen alle als punkt­förmig ideali­sierten Massen in einem Gravi­ta­tions­feld in gleicher Weise.

Dieses schwache Äquivalenzprinzip ist vielfach getestet worden, auf der Erde wie auch im Welt­raum. Demnach stimmen schwere und träge Masse im irdischen Schwere­feld auf etwa 10-13 überein. In Einsteins Gravi­ta­tions­theorie gilt die Äqui­va­lenz von schwerer und träger Masse aber auch dann noch, wenn die Gravi­ta­tions­energie eines Körpers bei seiner Masse berück­sichtigt wird. Um dieses starke Äqui­va­lenz­prinzip zu testen, muss man auf planeta­rische oder astro­no­mische Massen zurück­greifen.

So haben Laserabstandsmessungen des Mondes über fast fünfzig Jahre hinweg die Äqui­va­lenz von schwerer und träger Masse auf 10-13 bestätigt. Da die Gravi­ta­tions­energie der Erde aber nur ein Milli­ard­stel zur Erd­masse beiträgt, konnte man so das starke Äqui­va­lenz­prinzip nur auf 10-4 bestätigen. Besser lässt sich das starke Äqui­va­lenz­prinzip mit Hilfe von Pulsaren über­prüfen, bei denen die Gravi­ta­tions­energie bis zu zwanzig Prozent zur Gesamt­masse beiträgt. Zudem sind Pulsare äußerst präzise Uhren, sodass man aus den Modu­la­tionen ihres Radio­signals ihre Bewe­gungen erschließen kann.

Hier kommt der Pulsar PSRJ03371+1715 mit seinen beiden Begleitern ins Spiel, der 366 Mal pro Sekunde rotiert und dessen Radio­signal eine Periode von 2,73 Milli­sekunden hat. Aus den winzigen Modu­la­tionen dieses Signals hatten die Forscher die Umlauf­perioden und Bahnen der drei Sterne erschlossen. Da der Pulsar ein Neutronen­stern ist, dessen Gravi­ta­tions­energie zehn­tausend­mal so groß ist wie die der beiden weißen Zwerge, würde eine Ver­letzung des starke Äqui­va­lenz­prinzips dazu führen, dass er und sein naher Begleiter unter­schied­lich stark im Schwere­feld des dritten Sterns beschleu­nigt würden. Dies ließe sich eben­falls am Radio­signal ablesen.

Mit aufwendigen Simulationen des Dreifachsternsystems haben die Forscher ermit­telt, wie sich die drei Sterne für eine bestimmte Stärke der Ver­letzung des starken Äqui­va­lenz­prinzips umein­ander bewegen würden. Es zeigte sich, dass der gemein­same Schwer­punkt des Pulsars und seines nahen Begleiters mehr oder weniger stark um die unge­störte Bahn herum­taumeln würde. Die Analyse des insgesamt 1200 Stunden langen Radio­signals, das drei Radio­tele­skope über fast sechs Jahre hinweg gewonnen hatten, ergab indes keinen ein­deu­tigen Hinweis auf solch ein Taumeln. Demnach wich der Schwer­punkt höch­stens dreißig Meter von der Ideal­bahn ab.

Daraus schließen Archibald und ihre Kollegen, dass eine Ver­letzung des starken Äqui­va­lenz­prinzips maximal 10-6 betragen kann. So genau stimmen schwere und träge Masse mit­ein­ander über­ein, selbst wenn man den Massen­beitrag der Gravi­ta­tions­energie mit ein­schließt. Mit dieser großen Genauig­keit gilt Einsteins Allge­meine Rela­ti­vitäts­theorie also auch für starke Gravi­ta­tions­felder. Für alter­native Gravi­ta­tions­theorien, in denen zwar das schwache Äqui­va­lenz­prinzip gilt, nicht aber das starke, ist die Luft noch dünner geworden.

Rainer Scharf

RK

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