Drei Sterne für Einstein
Astronomen testen Universalität des freien Falls für starke Gravitationsfelder.
Ein internationales Team von Radioastronomen und Astrophysikern hat das starke Äquivalenzprinzip der Allgemeinen Relativitätstheorie erstmals für ein Objekt mit großer Gravitationsenergie getestet: einen Pulsar, der zusammen mit zwei weißen Zwergen ein Dreifachsternsystem bildet. Anne Archibald vom niederländischen Institut ASTRON und ihre Kollegen hatten vor vier Jahren den Pulsar PSRJ03371+1715 entdeckt, der etwa 4200 Lichtjahre von der Erde entfernt und Teil eines Dreifachsternsystems ist. Um den Pulsar mit 1,4 Sonnenmassen kreist alle 1,6 Tage ein weißer Zwerg mit einem Fünftel der Sonnenmasse. Dieses Doppelsternsystem wiederum wird alle 327 Tage von einem weiteren weißen Zwerg umrundet, der zwei Fünftel der Sonnenmasse hat.
Abb.: Künstlerische Darstellung des beobachteten Dreifachsternsystems, das aus einem Pulsar (rechts) und einem weißen Zwerg (links) besteht, die in größerem Abstand von einem weiteren weißen Zwerg umkreist werden. (Bild: NRAO / AUI / NSF / S. Dagnello)
Schon bald war klar, dass dieser Pulsar die Möglichkeit eröffnet, sowohl das schwache als auch das starke Äquivalenzprinzip für starke Gravitationsfelder mit unerreichter Genauigkeit zu messen. Schon Galileo Galilei hatte beobachtet, dass unterschiedliche und aus unterschiedlichen Stoffen bestehende Massen im Schwerefeld der Erde in gleicher Weise fallen, wenn keine weiteren Kräfte auf sie wirken. Darin drückt sich die Äquivalenz von schwerer und träger Masse aus.
Albert Einstein hat diese Äquivalenz zum grundlegenden Prinzip seiner Allgemeinen Relativitätstheorie gemacht: In einem Schwerefeld wirkt auf eine Masse nicht etwa eine Gravitationskraft, die „zufällig“ gleich der Trägheitskraft ist, sondern die Masse fällt frei in einer gekrümmten Raumzeit. Somit fallen alle als punktförmig idealisierten Massen in einem Gravitationsfeld in gleicher Weise.
Dieses schwache Äquivalenzprinzip ist vielfach getestet worden, auf der Erde wie auch im Weltraum. Demnach stimmen schwere und träge Masse im irdischen Schwerefeld auf etwa 10-13 überein. In Einsteins Gravitationstheorie gilt die Äquivalenz von schwerer und träger Masse aber auch dann noch, wenn die Gravitationsenergie eines Körpers bei seiner Masse berücksichtigt wird. Um dieses starke Äquivalenzprinzip zu testen, muss man auf planetarische oder astronomische Massen zurückgreifen.
So haben Laserabstandsmessungen des Mondes über fast fünfzig Jahre hinweg die Äquivalenz von schwerer und träger Masse auf 10-13 bestätigt. Da die Gravitationsenergie der Erde aber nur ein Milliardstel zur Erdmasse beiträgt, konnte man so das starke Äquivalenzprinzip nur auf 10-4 bestätigen. Besser lässt sich das starke Äquivalenzprinzip mit Hilfe von Pulsaren überprüfen, bei denen die Gravitationsenergie bis zu zwanzig Prozent zur Gesamtmasse beiträgt. Zudem sind Pulsare äußerst präzise Uhren, sodass man aus den Modulationen ihres Radiosignals ihre Bewegungen erschließen kann.
Hier kommt der Pulsar PSRJ03371+1715 mit seinen beiden Begleitern ins Spiel, der 366 Mal pro Sekunde rotiert und dessen Radiosignal eine Periode von 2,73 Millisekunden hat. Aus den winzigen Modulationen dieses Signals hatten die Forscher die Umlaufperioden und Bahnen der drei Sterne erschlossen. Da der Pulsar ein Neutronenstern ist, dessen Gravitationsenergie zehntausendmal so groß ist wie die der beiden weißen Zwerge, würde eine Verletzung des starke Äquivalenzprinzips dazu führen, dass er und sein naher Begleiter unterschiedlich stark im Schwerefeld des dritten Sterns beschleunigt würden. Dies ließe sich ebenfalls am Radiosignal ablesen.
Mit aufwendigen Simulationen des Dreifachsternsystems haben die Forscher ermittelt, wie sich die drei Sterne für eine bestimmte Stärke der Verletzung des starken Äquivalenzprinzips umeinander bewegen würden. Es zeigte sich, dass der gemeinsame Schwerpunkt des Pulsars und seines nahen Begleiters mehr oder weniger stark um die ungestörte Bahn herumtaumeln würde. Die Analyse des insgesamt 1200 Stunden langen Radiosignals, das drei Radioteleskope über fast sechs Jahre hinweg gewonnen hatten, ergab indes keinen eindeutigen Hinweis auf solch ein Taumeln. Demnach wich der Schwerpunkt höchstens dreißig Meter von der Idealbahn ab.
Daraus schließen Archibald und ihre Kollegen, dass eine Verletzung des starken Äquivalenzprinzips maximal 10-6 betragen kann. So genau stimmen schwere und träge Masse miteinander überein, selbst wenn man den Massenbeitrag der Gravitationsenergie mit einschließt. Mit dieser großen Genauigkeit gilt Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie also auch für starke Gravitationsfelder. Für alternative Gravitationstheorien, in denen zwar das schwache Äquivalenzprinzip gilt, nicht aber das starke, ist die Luft noch dünner geworden.
Rainer Scharf
Weitere Infos
Weitere Beiträge
RK