Drei supermassereiche schwarze Löcher auf einen Streich
Entdeckung deutet auf simultane Verschmelzungsprozesse bei der Entstehung der größten Galaxien.
Ein internationales Forscherteam hat erstmals drei supermassereiche schwarze Löcher im Kern einer Galaxie nachgewiesen. Große Galaxien bestehen typischerweise aus hundert bis dreihundert Milliarden Sternen und beherbergen in ihren Zentren ein schwarzes Loch mit einer Masse von einigen Millionen bis hundert Millionen Sonnenmassen. Die Galaxie NGC 6240 wird aufgrund ihrer besonderen Form als irreguläre Galaxie bezeichnet. Bisher gingen Astronomen davon aus, dass sie durch die Kollision zweier kleinerer Galaxien entstanden ist und deswegen in ihrem Kern zwei schwarze Löcher beheimatet. Die Vorgängergalaxien bewegten sich mit Geschwindigkeiten von einigen hundert Kilometern pro Sekunde aufeinander zu und befinden sich immer noch im Verschmelzungsprozess. Das für kosmische Verhältnisse nahe, in allen Wellenlängenbereichen eingehend studierte Galaxiensystem in einer Entfernung von etwa dreihundert Millionen Lichtjahren galt bisher als Prototyp für die Wechselwirkung von Galaxien.
„Durch unsere Beobachtungen mit extrem hoher räumlicher Auflösung waren wir in der Lage zu zeigen, dass sich im Zentrum des wechselwirkenden Galaxiensystems NGC 6240 anstatt zwei – wie bisher vermutet – in Wirklichkeit gleich drei supermassereiche schwarze Löcher befinden“, berichtet Wolfram Kollatschny von der Uni Göttingen. Jedes der drei schwarzen Löcher weist eine Masse von mehr als neunzig Millionen Sonnen auf. Dazu befinden sie sich in einer Raumregion von weniger als dreitausend Lichtjahren. „Eine derartige Konzentration von drei supermassereichen schwarzen Löchern wurde bisher noch nie entdeckt“, sagt Peter Weilbacher vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam. „Der vorliegende Fall liefert Hinweise auf die simultane Verschmelzung von ursprünglich drei Galaxien mitsamt ihren zentralen schwarzen Löchern.“
Die Entdeckung dieses Dreifachsystems ist von grundsätzlicher Bedeutung, um die zeitliche Entwicklung von Galaxien zu verstehen. Bisher war nicht erklärbar, wie sich die größten und massereichsten Galaxien des heutigen Kosmos nur aufgrund normaler Galaxienwechselwirkung und Verschmelzung im Verlauf der kosmischen Entwicklung gebildet haben. „Wenn es jedoch auch zu simultanen Verschmelzungsprozessen mehrerer Galaxien kam, konnten sich die größten Galaxien mit ihren zentralen supermassereichen schwarzen Löchern wesentlich schneller entwickeln“, fasst Weilbacher zusammen. „Unsere Beobachtungen liefern den ersten Hinweis auf dieses Szenario.“
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die beobachtete, sich anbahnende Verschmelzung der supermassereichen schwarzer Löcher in wenigen Millionen Jahren auch sehr starke Gravitationswellen erzeugen wird. In absehbarer Zukunft können Signale ähnlicher Objekte mit dem geplanten satellitengestützten Gravitationswellendetektor LISA vermessen und weitere verschmelzende Systeme entdeckt werden.
GAU / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung:
W. Kollatschny et al. NGC6240: A triple nucleus system in the advanced or final state of merging. Astron. Astroph., online 27. Oktober 2019; DOI: 10.1051/0004-6361/201936540 - Aktive und normale Galaxien (W. Kollatschny), Institut für Astrophysik, Fklt. für Physik, Georg-August-Universität Göttingen
- Galaxien und Quasare, Extragalaktische Astrophysik, Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam