30.03.2005

Dunkle Beschleuniger

H.E.S.S.-Teleskope entdecken unbekannte und bisher unsichtbare Quellen hochenergetischer Gammastrahlung.




H.E.S.S.-Teleskope entdecken unbekannte und bisher unsichtbare Quellen hochenergetischer Gammastrahlung..

Gleich acht neue Quellen hochenergetischer Gammastrahlung hat ein Team internationaler Wissenschaftler mit dem im Khomas Hochland in Namibia arbeitenden H.E.S.S-Teleskopsystem gefunden. Hochenergetische Gammastrahlung ist eine Form elektromagnetischer Strahlung aus dem Kosmos - ein für menschliche Augen nicht sichtbares Licht mit einer Energie, die tausend Milliarden mal größer ist als die Energie des sichtbaren Lichts. Mit der Entdeckung des H.E.S.S.-Forscherteams hat sich die Anzahl der bisher bekannten Quellen nahezu verdoppelt. Die überraschenden Forschungsergebnisse werden in der neuen Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift "Science" veröffentlicht (Science, 25. März 2005).

Abb. 1: Dreidimensionale Darstellung der Galaktischen Ebene im Gammastrahlungslicht, auf der deutlich wird, dass die neuentdeckten Quellen sich entlang der Galaktischen Ebene gruppieren. Die unterschiedliche Höhe der Peaks zeigen die unterschiedlichen Stärken der neuen Quellen der hochenergetischen Gammastrahlung. (Bild: HESS-Kollaboration)

Die Atmosphäre unserer Erde wird ständig von einem Strom hochenergetischer nuklearer Teilchen aus dem Weltraum getroffen - der kosmischen Strahlung. Kosmische Strahlung gilt allgemein als Triebfeder für die Entwicklung des Weltalls und als einer der Motoren der Evolution, denn durch sie wird durch genetische Veränderungen in Pflanzen und Tieren die Entwicklung des Lebens auf der Erde vorangetrieben. Entdeckt wurde die kosmische Strahlung bereits 1912 von Viktor Hess, der für diese Entdeckung 1936 den Nobelpreis für Physik erhielt. Doch die Ursprünge der Strahlung aus dem All bleiben bisher verborgen. Die Suche nach den Quellen der kosmischen Strahlung beschäftigt Wissenschaftler nun seit fast hundert Jahren. Ein Hinweis auf mögliche Quellen ist der Nachweis hochenergetischer Gammastrahlung. Dort wo sie auftritt, vermutet man auch Quellen der kosmischen Strahlung.

Das High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.), ein Ensemble von vier Teleskopen, gebaut speziell für den Nachweis der hochenergetischen Gammastrahlung, steht im Khomas Hochland von Namibia. Von dort haben die Wissenschaftler einen nahezu idealen Blick auf den zentralen Bereich der Milchstraße. Das erst im Dezember 2003 in Betrieb genommene H.E.S.S.-Teleskopsystem ist deutlich empfindlicher als alle bisherigen Teleskope dieses Typs und ermöglicht erstmals, nicht nur punktuell nach Quellen hochenergetischer Gammastrahlung zu suchen sondern den gesamten Bereich der zentralen Milchstraße zu betrachten.

Abb. 2: Nahaufnahme der neuen Quellen hochenergetischer Gamma-Strahlung, die während des Scans der Galaktischen Ebene detektiert wurden. Eingezeichnet sind als weiße Kreise nahegelegene Supernova-Überreste, die als mögliche Quellen der kosmischen Strahlung gelten. Der Radius des Kreises entspricht der Größe des Supernova-Überrestes. Ebenso in weißer Farbe sind nahegelegene Pulsare eingezeichnet. Diese sind eine bekannte Quellklasse von hochenergetischer Gammastrahlung. (Bild: HESS-Kollaboration)

Schon die ersten derartigen Beobachtungen brachten ungeahnte Erfolge. Bisher waren etwa zwölf Quellobjekte hochenergetischer Strahlung bekannt. Den H.E.S.S.-Forschern ist es nun gelungen, eine neue Population von acht Quellen dieser Strahlung zu finden. "Wir hatten gehofft, mit einem Instrument wie H.E.S.S. neue Quellen zu entdecken. Dass wir aber sofort einen solchen Erfolg haben würden, übertrifft unsere kühnsten Erwartungen", so Stefan Funk vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg.

Die Entdeckung des internationalen Forscherteams ist nicht nur aufgrund der Zahl neuer Quellen beachtlich. Einige der gefundenen Objekte haben die Größe von mehreren Lichtjahren - zum Vergleich, die Entfernung von der Erde bis zu unserem nächsten stellaren Nachbarn "Alpha Centauri" beträgt vier Lichtjahre. Vor allem aber erstaunt es die Wissenschaftler, dass es zu einigen der neu entdeckten Quellen kein Gegenstück in anderen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums gibt. Diese Quellen lassen sich offenbar nur im Bereich hochenergetischer Gammastrahlung, nicht aber im sichtbaren Licht als Radio- oder Röntgenquellen nachweisen.

Abb. 3: Die Galaktische Ebene in drei verschiedenen Wellenlängen im Bereich der galaktischen Länge von +35 bis -35 und der galaktischen Breite von +4 bis -4. Im oberen Bild sieht man die Galaktische Ebene im Infrarot-Bereich, das mit dem IRAS-Satelliten aufgenommen wurde. Die Milchstraße ist als breiter Streifen klar erkennbar. Diese Infrarot-Strahlung stammt hauptsächlich von interstellarem Staub, der durch die Absorption von Sternlicht erwärmt wird. Im mittleren Bild sieht man ein optisches Bild der Milchstraße, wie man es auch mit dem bloßen Auge sehen kann. Der zentrale Bereich unserer Milchstraße ist durch interstellaren Staub verdeckt. Das Licht stammt hauptsächlich von uns nahegelegenen Sternen, da zwischen diesen und uns geringere Staubmengen vorhanden sind. Die untere Abbildung zeigt schließlich die Milchstraße im Licht hochenergetischer Gammastrahlung, aufgezeichnet mit den H.E.S.S.-Teleskopen. Einzelne Quellen der Gammastrahlung stehen hervor. Die große helle Quelle im rechten Drittel des Bildes ist der bekannte Supernova-Überrest RX J1713.7-3946, der erst kürzlich von H.E.S.S. entdeckt wurde. Man erkennt deutlich, dass sich die neuen Quellen entlang der Galaktischen Ebene gruppieren. (Bild: HESS-Kollaboration)

"Hier stehen wir vor einem großen Rätsel: Wir haben es mit einer vollkommen neuen Art von galaktischen Quellen zu tun und haben keine Ahnung, wie die nachgewiesene Gammastrahlung in diesen Objekten erzeugt wird", sagt Stefan Funk. Damit ist dem H.E.S.S.-Projekt bereits die zweite wichtige Entdeckung in wenigen Monaten gelungen. Schon während der Anlaufphase des Experiments konnte das internationale Wissenschaftlerteam erstmals ein hochaufgelöstes Bild einer Gammastrahlungsquelle, eines Supernova-Überrests, erzeugen.

Das H.E.S.S.-Projekt wird in internationaler Zusammenarbeit mit starker europäischer und vor allem deutscher Beteiligung betrieben. Derzeit forschen rund hundert Physiker aus acht Ländern und neunzehn Instituten gemeinsam unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg. Zudem sind vier deutsche Universitäten - Berlin, Bochum, Hamburg und Heidelberg - sowie Universitäten und Forschungseinrichtungen aus Frankreich, England, Irland, Namibia, Armenien und Südafrika am H.E.S.S.-Experiment beteiligt.

Während der letzten Jahre has die H.E.S.S.-Kollaboration ein System von vier Teleskopen im Khomas Hochland in Namibia aufgebaut, um hochenergetische Gammastrahlung von "Beschleunigern" der kosmischen Strahlung studieren zu können. Diese Cherenkov-Teleskope detektieren das Licht, das beim Auftreffen hochenergetischer kosmischer Strahlung auf die Erdatmosphäre entsteht und dort absorbiert wird. Die H.E.S.S.-Teleskope verfügen jeweils über eine Spiegelfläche von 107 Quadratmetern und sind mit 960 hochsensitiven und extrem schnellen Photo-Detektor-Kameras ausgerüstet. Diese Kameras sind in den Brennebenen der Teleskope angebracht. Der Aufbau des Systems begann 2001, das vierte Teleskop wurde im Dezember 2003 in Betrieb genommen. Das H.E.S.S.-System ist deutlich empfindlicher als alle zuvor gebauten Cherenkov-Teleskope.

Quelle: MPG

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