Dunkle Energie ist zu 99,996 Prozent „echt“
Weltweit stärkste Digitalkamera soll helfen, das Mysterium endgültig nachzuweisen und aufzulösen.
Das Universum expandiert immer schneller, obwohl die Gravitation diesen Prozess eigentlich verlangsamen müsste. Es ist ein zentrales Rätsel der Physik, das nun mit Hilfe der Dark Energy Camera gelöst werden soll. Das 570-Megapixel-Gerät ging vor wenigen Tagen auf dem Cerro Tololo in Chile am 4-Meter-Blanco-Teleskop in Betrieb und hat bereits erste Aufnahmen mit durchgehend herausragender Auflösung geliefert. Vorausgegangen sind diesem Erfolg acht Jahre Planung und Bauzeit im Fermi National Accelerator Laboratory – für die stärkste Digitalkamera der Welt.
Abb.: Die DECam während des Zusammenbaus am Fermilab, deutlich ist das Array aus insgesamt 62 CCDs zu erkennen. (Bild: FNAL)
Die Dark Energy Camera verfügt über beispiellose Sensitivität im tiefroten Bereich des sichtbaren Lichts. Sie kann so mit jedem Schnappschuss mehr als 100.000 Galaxien in einer Entfernung von bis zu acht Milliarden Lichtjahren aufnehmen und dabei erstmals auch verschiedene Untersuchungsmethoden kombinieren. In erster Linie soll das Gerät zum Nachweis der Dunklen Energie beitragen. Diese mysteriöse Kraft gilt als Motor für die beschleunigte Ausdehnung des Universums – ist aber noch nicht zweifelsfrei bewiesen und in ihrer Natur weitgehend unverstanden.
Abb.: Das neue Zuhause der DECam – am Primärfocus des 4-Meter-Blanco-Teleskops am Cerro Tololo Inter-american Observatory CTIO (Bild: DESC)
Nach einer ausgedehnten Testphase wird die internationale Dark Energy Survey collaboration, der neben Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern auf drei Kontinenten auch mehrere LMU-Forscher angehören, voraussichtlich im Dezember die bisher größte Studie des Universums initiieren: Über fünf Jahre sollen bis zu 300 Millionen Galaxien, 100.000 Galaxienhaufen und 4000 Supernovae nachgewiesen und vermessen werden. Ein Achtel des Himmels ist dann in Farbaufnahmen abgebildet.
Abb.: Ein erstes Mosaik der DECam vom Fornax-Galaxienhaufen in rund 60 Millionen Lichtjahren Entfernung (oben). Der Ausschnitt mit der Balkenspiralgalaxie NGC 1365 zeigt die enorme Auflösung des neuen Instruments (unten; Bild: DESC)
Die Kamera soll künftig auch eingesetzt werden, um etwa Asteroiden im Sonnensystem sowie die Ursprünge und das Schicksal des Universums zu untersuchen. Das spezielle Augenmerk der Forscher gilt aber der Dunklen Energie. Wichtige Vorarbeiten wurden hier vor Kurzem von einem Team um den LMU-Astrophysiker Tommaso Giannantonio veröffentlicht: Die Forscher berechneten, mit welcher Wahrscheinlichkeit es die Dunkle Energie überhaupt gibt – und kamen auf einen Wert von immerhin 99,996 Prozent.
Abb.: Für die Studie von Giannantonio et.al. kamen verschiedene Datensätze von Objekten mit steigenden Entfernungen von der Erde (ganz links) zum Einsatz, alle von verschiedenen Teleskopen und Messkampagnen. Zunächst musste der Einfluss der Milchstraße herausgerechnet werden. Dem folgen sechs konzentrische Schalen entfernter Galaxien bis schließlich hin zu den WMAP-Daten des kosmischen Mikrowellenhintergrunds bei etwa 46 Milliarden Lichtjahren oder einer Rotverschiebung von 1100. (Bild: Giannantonio et.al. / NASA / ESO)
Die detaillierte Analyse zeigte aber auch, dass noch nicht ausreichend Daten vorliegen. Weitere Untersuchungen, vornehmlich der nun geplante und umfassend angelegte Dark Energy Survey, könnten die nötigen Messungen und Abbildungen liefern. „Sie könnten entweder die allgemeine Relativität bestätigen – wozu auch die einfachste Art der Dunklen Energie gehört“, sagt Giannantonio. „Möglicherweise zeigen sie aber auch, dass wir ein völlig neues Verständnis davon bekommen müssen, wie die Gravitationskraft funktioniert, was letztlich vielleicht fast noch spannender wäre.“
Mehrere LMU-Forscher sind am Dark Energy Survey beteiligt. Dazu gehören Joseph Mohr, der das Projekt 2003 mit initiiert hat, und mit einem weiteren Koordinator die Arbeitsgruppe leitet, die sich mit den Galaxienhaufen beschäftigen wird. Mohrs Arbeitsgruppe ist unter anderem aktiv und maßgeblich an der Inbetriebnahme der Dark Energy Camera beteiligt.
LMU / Dark En. Surv. Coll. / OD