02.04.2019

Dunkle Materie besteht nicht aus schwarzen Löchern

Vergebliche Suche nach Mikro-Gravitationslinsen schließt weiten Massenbereich aus.

Etwa achtizg Prozent der Masse im Kosmos besteht aus dunkler Materie – einer rätselhaften Massenkomponente, die außer über die Schwerkraft kaum oder gar nicht mit normaler baryonischer Materie in Wechselwirkung tritt. Woraus die dunkle Materie besteht, ist eine der großen offenen Fragen der gegenwärtigen physikalischen Forschung. Zwar gelten unbekannte stabile Elementarteilchen jenseits des Standardmodells als Hauptkandidaten. Doch bislang ließen sich trotz intensiver Suche mit Teilchendetektoren und Teilchenbeschleunigern keine solchen Partikel nachweisen. Das lässt die Tür offen für andere Erklärungen – unkonventionelle wie beispielsweise die modifizierte newtonsche Dynamik und konventionelle wie eine große Anzahl schwarzer Löcher, die unmittelbar beim Urknall entstanden sein könnten.   
 

Abb.: Aufnahme der Andromeda-Galaxie M31 (Bild: NAOJ)
Abb.: Aufnahme der Andromeda-Galaxie M31 (Bild: NAOJ)

Solche primordialen schwarzen Löcher würden sich mit ihrer Schwerkraft allerdings nicht nur in ihrer Gesamtheit als dunkle Materie bemerkbar machen, sondern auch individuelle Auswirkungen zeigen. Oberhalb einer Masse von zehn Sonnenmassen würden solche Objekte charakteristische Temperaturschwankungen in der kosmischen Hintergrundstrahlung verursachen. Doch die sehr genauen Beobachtungen der Hintergrundstrahlung zeigen keine solchen Phänomene. 

Schwarze Löcher geringerer Masse dagegen würden sich vorrangig durch den Mikro-Gravitationslinseneffekt verraten: Zieht ein solches primordiales schwarzes Loch von der Erde aus gesehen vor einem weiter entfernten Stern vorüber, so führt die Lichtablenkung im Gravitationsfeld des schwarzen Lochs zu einer typischen kurzfristigen Änderung der beobachteten Helligkeit des Sterns. Zahlreiche Beobachtungsprogramme halten seit Jahren Ausschau nach derartigen Effekten – doch bislang wurden auf diese Weise nur gewöhnliche Sterne und Planeten aufgespürt.   Für sehr kleine Massen unterhalb von 10-14 Sonnenmassen wiederum müssten sich Phänomene im Bereich der Gammastrahlung zeigen – einerseits durch den Zerfall der schwarzen Löcher über die Hawking-Strahlung, andererseits durch eine Beeinflussung von hochenergetischen Gammastrahlungsausbrüchen. Doch auch hier: Fehlanzeige. 

Ein Massenbereich ließ sich allerdings bislang durch Beobachtungen nicht verlässlich abdecken: Er reicht von 10-9 bis 10-14 Sonnenmassen. Das haben Hiroko Niikura von der Universität Tokio und ihre Kollegen jetzt geändert: Mit der leistungsstarken Hyper Suprime-Cam HSC am 8,2 Meter großen Subaru-Teleskop auf Hawaii hat das Team mehrere zehn Millionen Sterne in der Andromeda-Galaxie mit hoher zeitlicher Auflösung überwacht. Das große Bildfeld der Kamera erlaubte es den Forschern, jeweils die gesamte Galaxie auf einen Schlag aufzunehmen. Die hohe Qualität der Aufnahmen ermöglichte es weiterhin, mit kurzen Belichtungszeiten von neunzig Sekunden die Helligkeiten von Sternen bis hinab zur 26. Größenklasse zuverlässig zu bestimmen – dank schneller Auslesezeiten alle zwei Minuten.

Damit konnten Niikura und ihre Kollegen den Massenbereich von 10-6 bis 10-11 Sonnenmassen mit hoher Genauigkeit abdecken. Insgesamt beobachteten die Forscher sieben Stunden lang – gäbe es in diesem Massenbereich eine signifikante Anzahl primordialer schwarzer Löcher, so hätte sich eine große Zahl von Mikro-Gravitationslinsen-Ereignissen zeigen müssen. Gefunden hat das Team gerade einmal einen einzigen Kandidaten für ein solches Phänomen. Damit können primordiale schwarze Löcher in diesem Massenbereich maximal drei Promille zur dunklen Materie beitragen.

Auch diese Messungen lassen immer noch eine kleine Lücke von 10-11 bis 10-14 Sonnenmassen. Letztlich lässt sich auch dieser Bereich nur durch weitere, noch genauere Beobachtungen schließen. Aber Niikura und ihre Kollegen weisen darauf hin, dass alle theoretischen Überlegungen zur Entstehung primordialer schwarzer Löcher kein monochromatisches, sondern ein breites Massenspektrum für solche exotischen Objekte liefern. Wenn es also ausreichend viele schwarze Löcher in der letzten verblieben Lücke gäbe, um die dunkle Materie zu erklären, würde man auch außerhalb dieses Bereich noch eine nachweisbare Anzahl schwarzer Löcher erwarten. Das jedoch ist nicht der Fall – primordiale schwarze Löcher sind also zu einer höchst unwahrscheinlichen Erklärung für die dunkle Materie geworden.  

Rainer Kayser
 

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