08.12.2016

Dunkle Materie doch nicht so verklumpt?

Große Teleskop-Durchmusterung liefert gleichmäßigere Verteilung dunkler Materie als Satellitendaten.

Die Auswertung einer riesigen neuen Galaxien-Durch­musterung deutet darauf hin, dass dunkle Materie weniger dicht und dafür gleichmäßiger im gesamten Weltraum verteilt sein könnte, als bisher angenommen. Ein internationales Astronomen­team, unter ihnen auch Wissenschaftler vom Argelander-Institut für Astronomie in Bonn, analysierte Daten aus dem Kilo Degree Survey (KiDS), um zu untersuchen, wie das Licht von etwa 15 Millionen entfernten Galaxien auf großen Skalen durch die Gravitations­kraft der Materie im Universum beeinflusst wurde. Die Ergebnisse scheinen im Widerspruch zu früheren Ergebnissen des Planck-Satelliten zu stehen.

Abb.: Dunkle Materie in der Region der KiDS-Durchmusterung (Bild: Kilo-Degree Survey Collaboration / H. Hildebrandt & B. Giblin / ESO)

Unter der Leitung von Hendrik Hildebrandt vom Argelander-Institut für Astronomie in Bonn und Massimo Viola von der Sternwarte Leiden in den Niederlanden wertete ein Astronomen­team von Instituten aus aller Welt Bilder des Kilo Degree Survey (KiDS) aus, die mit dem VLT Survey Telescope (VST) der ESO in Chile aufgenommen wurden. Die für die Auswertung verwendeten Aufnahmen decken insgesamt fünf Himmels­regionen mit einer Gesamt­fläche von etwa dem 2200-fachen der Größe des Voll­monds ab und enthalten rund 15 Millionen Galaxien.

Dank der ausgezeichneten Bild­qualität des VST am Paranal und innovativer Computer-Software gelang dem Team eine der präzisesten Messungen, die je zum Effekt der kosmischen Scherung durchgeführt wurde. Hierbei handelt es sich um eine Form des schwachen Gravitations­linsen­effektes, bei dem Licht, das von fernen Galaxien emittiert wird, durch die Gravitations­effekte großer Mengen Materie wie z.B. Galaxienhaufen verzerrt wird.

Bei der kosmischen Scherung sind es nicht Galaxien­haufen, die das Licht verzerren, sondern groß­räumige Strukturen im Universum, was zu einem noch kleineren Effekt führt. Es sind sehr umfang­reiche und tiefe Durch­musterungen wie KiDS erforderlich, um sicher­zustellen, dass das sehr schwache Signal der kosmischen Scherung stark genug ist, um gemessen zu werden. Mit Hilfe dieses Effektes können Astronomen die Verteilung der Materie kartieren. Noch nie zuvor wurde eine so große Fläche des Himmels mit dieser Technik abgebildet.

Interessanterweise scheinen die Resultate ihrer Analyse nicht zu den Schluss­folgerungen zu passen, die sich aus den Ergebnissen des Planck-Satelliten der Europäischen Weltraum­organisation ESA ziehen lassen, der bedeutendsten Weltraum­mission für die Untersuchung der grundlegenden Eigen­schaften des Universums. Insbesondere liegen die Messungen des KiDS-Teams, wie dicht die Materie im Universum verteilt ist – einem der wichtigsten kosmologischen Parameter – deutlich unter dem Wert, der sich aus den Planck-Daten ableiten lässt.

Massimo Viola erklärt: „Das neueste Ergebnis zeigt, dass die dunkle Materie im kosmischen Netz, die etwa ein Viertel des Universums ausmacht, gleichmäßiger verteilt ist, als wir zuvor geglaubt haben.“ Dunkle Materie ist weiterhin nur schwer nachweisbar. Dass sie überhaupt existiert, lässt sich nur aus ihrer gravitativen Wirkung schließen. Derartige Untersuchungen sind gegenwärtig der beste Weg, um Form, Größe und Verteilung der unsichtbaren Materie zu bestimmen.

Das überraschende Forschungsergebnis hat auch Auswirkungen auf unser allgemeines Verständnis vom Universum und wie es sich in seiner fast 14 Milliarden Jahre währenden Geschichte entwickelt hat. Ein solch offenkundiger Widerspruch zu den neuesten Planck-Ergebnissen bedeutet, dass Astronomen nun möglichweise ihr Verständnis von einigen grundlegenden Aspekten der Entwicklung des Universums neu überdenken müssen.

Hendrik Hildebrandt meint dazu: „Unsere Ergebnisse werden entscheidend dazu beitragen, die theoretischen Modelle weiterzu­entwickeln, wie sich das Universum von seinem Ursprung bis heute entwickelt hat.“ Die KiDS-Analyse der Daten des VST war ein wichtiger Schritt, aber die Wissenschaftler erhoffen sich von zukünftigen Teleskopen noch umfang­reichere und tiefergehende Durchmusterungen des Himmels.

Catherine Heymans von der University of Edinburgh in Großbritannien, die Ko-Leiterin der Studie, fügt hinzu: „Die Enträtselung dessen, was seit dem Urknall passiert ist, ist wahrlich eine Herausforderung, aber durch die weitere Erforschung des fernen Weltraums können wir uns ein Bild davon machen, wie sich unser modernes Universum entwickelt hat.“

„Wir sehen im Moment einen interessanten Widerspruch zu der Kosmologie des Planck-Weltraum­teleskops. Zukünftige Missionen wie das Euclid-Weltraum­teleskop und das Large Synoptic Survey Telescope werden es uns ermöglichen, diese Messungen zu wiederholen und besser zu verstehen, was das Universum uns wirklich sagen möchte“, so Konrad Kuijken von der Sternwarte Leiden in den Niederlanden, der wissenschaftliche Direktor der KiDS-Durchmusterung.

MPIA / DE

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