Durchbruch bei European XFEL
Mit dem Durchstich des Haupttunnels ist ein Meilenstein bei den Bauarbeiten erreicht. Auch die Finanzierungslücke ist geschlossen.
Mit einer Geschwindigkeit von etwa zehn Metern pro Tag hat sie sich seit Juli 2010 pausenlos durch den Hamburger Untergrund gegraben: die Tunnelbohrmaschine TULA mit ihrem 50 Tonnen schweren Schneidrad, das einen Durchmesser von über sechs Metern hat. Nachdem sie bereits zwei Tunnelabschnitte fertiggestellt hatte, erreichte sie Ende Juli auf den Millimeter genau ihr letztes Ziel auf dem DESY-Gelände in Hamburg-Bahrenfeld. Mit dem Durchbruch des schnurgeraden Haupttunnels ist ein Meilenstein beim Bau des Röntgenlasers European XFEL erreicht, der 2015 in Betrieb gehen soll.
Der 3,4 Kilometer lange European XFEL entsteht seit Anfang 2009 zwischen dem DESY-Gelände und der Gemeinde Schenefeld in Schleswig-Holstein. Unter dem Hamburger Stadtteil Osdorf fächert sich der Haupttunnel auf, sodass der Röntgenlaser insgesamt fast 6 Kilometer Tunnelröhren umfassen wird. Während TULA nun wieder ans Tageslicht gekommen ist, frisst sich eine zweite Tunnelbohrmaschine mit etwas geringerem Querschnitt noch bis Mai 2012 durch den Untergrund, um den Fächer aus fünf Tunneln abzuschließen. Im Haupttunnel wird in den nächsten Jahren ein supraleitender Elektronenbeschleuniger errichtet, die Tunnel des Fächers werden spezielle Magnetstrukturen, sog. Undulatoren aufnehmen. Im Betrieb verlassen die Elektronen den Beschleuniger mit einer Energie von bis zu 17,5 GeV und erzeugen in den Undulatoren intensive Röntgenblitze, die völlig neuartige Experimente zur Materialforschung oder Strukturaufklärung erlauben werden. Dazu entsteht in Schenefeld eine unterirdische Experimentierhalle mit den Messinstrumenten.
Der European XFEL verläuft vom DESY-Gelände in Bahrenfeld (rechts) nach Schenefeld (links), wo die Experimentierhallen stehen werden. Unter Osdorf (Mitte) beginnt der Tunnelfächer. (Quelle: European XFEL)
Während die Bauarbeiten planmäßig fortschreiten, weist die Finanzierung des rund eine Milliarde teuren Großgeräts noch eine Lücke von über 100 Millionen Euro auf. Ursache dafür sind einerseits Mehrkosten beim Tunnelbau, die allerdings bereits seit der Ausschreibung vor zwei Jahren bekannt sind, sowie andererseits die Tatsache, dass England aus dem Projekt ausgestiegen ist und Italien seinen Beitrag reduziert hat. „Am Anfang war das nicht schmerzhaft, da man bei solchen Projekten zunächst ohnehin gar nicht so schnell Geld ausgeben kann“, sagt Karl Witte, Verwaltungsdirektor der European XFEL GmbH, und ergänzt: „Allmählich rückte aber die Stunde der Wahrheit näher, um Verzögerungen beim Bau zu vermeiden.“ Insbesondere Deutschland und Russland, die mit rund der Hälfte bzw. einem Viertel den Löwenanteil der Kosten übernehmen, sahen sich in der Verantwortung zu handeln. Inzwischen haben sie zugesagt, den Großteil der Lücke zu schließen, gleichzeitig werben sie aber bei den anderen Partnern dafür, dass diese ihre Beiträge aufstocken, die bei 1 bis 3,5 Prozent liegen. Neben Deutschland und Russland beteiligen sich bislang Dänemark, Polen, Schweden, Schweiz, Slowakei und Ungarn an der vor zwei Jahren gegründeten European XFEL GmbH. Frankreich und Italien haben das völkerrechtliche Abkommen unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert bzw. noch keine Institution als Gesellschafterin der GmbH benannt; Spanien wird das Abkommen voraussichtlich Anfang Oktober unterzeichnen.
Angesichts der Finanzierungslücke hatten die Verantwortlichen im vergangenen Jahr darüber nachgedacht, den Beschleuniger auf eine Energie von 14 GeV abzuspecken. Inzwischen hatte sich nämlich gezeigt, dass die ursprünglich angepeilten Parameter bereits bei dieser niedrigeren Energie erreichbar sind. Ausschlaggebend dafür waren die Erfahrungen mit dem weltweit ersten Freie-Elektronen-Laser für harte Röntgenstrahlung, der Ende 2009 eingeweihten Linear Coherent Light Source (LCLS) am SLAC in Stanford, sowie am DESY-Standort Zeuthen durchgeführte Tests mit der Elektronenquelle für den European XFEL. (Bei diesem Photoinjektor entstehen die Elektronen durch einen genau definierten Laserpuls auf eine Metalloberfläche.) „Aber unser Ziel ist natürlich, deutlich besser zu sein als die LCLS, wenn der European XFEL etwa fünf Jahre später in Betrieb geht.“, sagt Thomas Tschentscher, einer der wissenschaftlichen Direktoren von European XFEL. Daher waren die Verantwortlichen sehr erleichtert darüber, dass nun dem Bau des Röntgenlasers ohne Abstriche beim Beschleuniger oder den Instrumenten nichts mehr im Weg steht. Mit Wellenlängen bis herab zu 0,05 Nanometern, Pulsen von nur wenigen Femtosekunden Dauer, bis zu zehn parallel arbeitenden Messinstrumenten und 27000 Röntgenblitzen pro Sekunde wird der European XFEL dann deutlich leistungsfähiger sein als die LCLS – zumindest einige Jahre lang, denn in Stanford wird auch bereits an einem Upgrade der Quelle gearbeitet.
Stefan Jorda