Durchleuchtete Metamaterialien
Licht-Materie-Wechselwirkungen offenbaren nanophotonische Details nanostrukturierter Materalien.
Physiker der Universität Konstanz, der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU München) und der Universität Regensburg haben experimentell nachgewiesen, dass ultrakurze Elektronenpulse durch die Interaktion mit Lichtwellen in nanophotonischen Materialien eine quantenmechanische Phasenverschiebung erfahren. Damit lässt sich die Funktionsweise von Nanomaterialien bei Lichteinstrahlung direkt sichtbar machen.
Metamaterialien zeigen neuartige optische Effekte zur Entwicklung von besonders effizienten Solarzellen, Tarnkappen oder Katalysatoren. Diese Materialien erzielen ihre außergewöhnlichen Eigenschaften durch eine rasterförmige Anordnung kleinster Bausteine auf Längenskalen deutlich unterhalb der Wellenlänge des Anregungslichtes. Um solche Metamaterialien charakterisieren und weiterentwickeln zu können, müssen die Wissenschaftler verstehen, wie sich die einfallenden Lichtwellen an den kleinen Strukturen verhalten und mit ihnen interagieren. Folglich müssen die optisch angeregten Nanostrukturen und ihre elektromagnetischen Nahfelder sowohl mit einer räumlichen Auflösung im Bereich von Nanometern als auch mit einer zeitlichen Auflösung unterhalb des Anregungszyklus (~10-15 s) vermessen werden. Die herkömmliche Lichtmikroskopie allein gelangt hier jedoch an ihre Grenzen.
Aber Elektronen bieten eine 100.000-fach bessere räumliche Auflösung als Licht. Darüber hinaus dienen Elektronen mittels ihrer Ladung auch als Sensoren für elektromagnetische Felder und Potentiale. Jetzt gelang es einem Team unter der Leitung von Peter Baum, extrem kurze Elektronenimpulse erfolgreich für eine derartige Messung einzusetzen. Die Dauer der Elektronenimpulse wurde dafür mittels Terahertz-Strahlung in der Zeit so stark komprimiert, dass die Forschenden die optischen Schwingungen der elektromagnetischen Nahfelder an den Nanostrukturen detailliert auflösen konnten. „Die Herausforderung bei diesem Experiment besteht in der hohen Auflösung, die gleichzeitig in Raum und Zeit gewährleistet werden muss. Um Raumladungseffekte zu vermeiden, verwenden wir nur einzelne Elektronen pro Impuls und beschleunigen diese Elektronen auf Energien von 75 Kiloelektronenvolt“, sagt Baum.
Werden diese extrem kurzen Elektronenimpulse an den Nanostrukturen gestreut, interferieren sie aufgrund ihrer quantenmechanischen Eigenschaften mit sich selbst und erzeugen ein Beugungsbild der Probe. Die optische Anregung der Nanostrukturen wird nach dem Pump-Probe-Prinzip untersucht. Nach der optischen Anregung der Nahfelder kommt zu einem definierten Zeitpunkt der ultrakurze Elektronenimpuls und misst die zeitlich eingefrorenen Felder in Raum und Zeit. „Gemäß den Vorhersagen von Aharonov und Bohm verschiebt sich die quantenmechanische Phase der Wellenfunktion der Elektronen, wenn sie durch elektromagnetische Potentiale fliegen“, sagt Kathrin Mohler, Doktorandin an der LMU München.
Diese optisch induzierten Phasenverschiebungen liefern einen Einblick in die ultraschnelle Lichtdynamik an den Nanostrukturen, so dass letztlich eine filmartige Bildersequenz von der Wechselwirkung des Lichts mit den Nanostrukturen entsteht. Diese Experimente zeigen auf, wie sich in Zukunft mit der Elektronenholografie und -beugung die grundlegenden Licht-Materie-Wechselwirkungen in nanophotonischen Materialien und Metamaterialien besser verstehen lassen. Dadurch könnten kompakte Optiken, neuartige Solarzellen oder effiziente Katalysatoren entwickelt und optimiert werden.
U. Konstanz / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
K. J. Mohler et al.: Ultrafast electron diffraction from nanophotonic waveforms via dynamical Aharonov-Bohm phases, Sci. Adv. 6, eabc8804 (2020); DOI: 10.1126/sciadv.abc8804 - Licht-Materie-Wechselwirkungen (P. Baum), Fachbereich Physik, Universität Konstanz
- Ultrafast Electron Imaging Research Group, Ludwig-Maximilians Universität München