02.05.2018

Dynamik von Atomen auf Oberflächen

Angelagerte Ionen beeinflussen Atombewegungen stärker als bisher angenommen. 

In Batterien, Brennstoff­zellen oder technischen Beschich­tungen laufen zentrale chemische Prozesse an der Ober­fläche von Elektroden ab. Dabei bewegen sich Atome über die Oberfläche, die in Kontakt mit Flüssig­keiten steht. Doch wie dies genau geschieht, ist noch wenig erforscht. Diese Bewegungs­abläufe und die Rolle der beteiligten chemischen Kompo­nenten wollen Physiker der Christian-Albrechts-Univer­sität zu Kiel besser verstehen. Dafür beobach­teten sie mit hoher Auflösung, wie sich Schwefel­atome auf Kupfer­elektroden bewegen, die in unter­schiedlichen Salz­lösungen eingetaucht sind. Mikro­skopische Video­aufnahmen zeigten, dass diese Bewegungen von Ionen gesteuert werden, die sich auf der Ober­fläche der Elektrode ange­lagert hatten. Diese Erkennt­nisse könnten dazu beitragen, solche Bewegungs­abläufe gezielt zu kontrol­lieren und damit beispiels­weise Beschichtungs­prozesse in der Mikro­elektronik­industrie zu opti­mieren.

Abb.: Computersimulationen legen nahe, dass Schwefelatome (gelb) in Gegenwart einer Schicht aus Bromionen (magenta) ihre Position verändern, indem sie kurz in das Metall abtauchen. (Bild: Deuchler)

„Ionen oder Moleküle, die sich an einer Ober­fläche anlagern, können dort ablau­fende Reaktionen entscheidend beein­flussen, auch wenn sie daran nicht direkt beteiligt sind“, sagt Olaf Magnussen, Leiter der Arbeits­gruppe „Grenzflächen­physik“ am Institut für Experi­mentelle und Ange­wandte Physik. „Spectator species“ werden diese Atome in der Chemie genannt. Welchen Einfluss solche atomaren Zuschauer auf Reaktionen an Grenz­flächen genau haben, ist in den meisten Fällen aber nur ansatz­weise bekannt. Weitere Erkennt­nisse darüber könnten helfen, diese Prozesse besser zu steuern.

In ihrem Experi­ment unter­suchte die Forschungs­gruppe Kupfer­elektroden in Salz­lösungen, die Chlor- oder Bromionen enthielten. Diese Ionen lagerten sich als Zuschauer auf der Kupfer­oberfläche an. Anschließend fügten die Forscher kleine Mengen von Schwefel­atomen hinzu und beobach­teten deren Wärme­bewegung auf der Oberfläche der Elektrode. Dazu verwendeten sie ein besonderes Raster­tunnel­mikroskop, das einzelne Atome selbst in Salz­lösungen sichtbar machen kann. Da dies nur bei Tempera­turen über dem Gefrier­punkt funk­tioniert, bewegen sich die Atome verhältnis­mäßig schnell, die Mikroskop­bilder müssen also in kurzer Zeit aufgenommen werden. Im Rastertunnel­mikroskop tastet eine winzige Metall­spitze die Elektrode ab und erstellt so ein Bild ihrer Oberfläche. Dies dauert in Standard­geräten typischer­weise eine Minute. Über mehrere Jahre hat die Kieler Arbeits­gruppe ihr Mikroskop so weiter­entwickelt, dass es bis zu zwanzig Abbil­dungen pro Sekunde erstellen kann. Mit diesem weltweit einzig­artigen Instrument ist es möglich, in einem Video festzu­halten, wie sich Atome auf einer Oberfläche bewegen.

Die entstan­denen Aufnahmen über­raschten das Forschungs­team: In beiden Salz­lösungen hing die Bewegungs­geschwindigkeit der Schwefel­atome stark von der Spannung ab, die an der Elektrode angelegt wurde. Bereits bei einer Erhöhung der Spannung um ein Zehntel Volt änderte sich die Bewegungs­geschwindigkeit um das Zehnfache. Während sich die Schwefel­atome auf der Oberfläche mit Chlor­ionen bei hoher Spannung langsamer bewegten, verän­derten sie ihre Position auf der Ober­fläche mit Bromionen schneller. „Chlor und Brom sind sich chemisch sehr ähnlich – dieses unter­schiedliche Verhalten hatten wir nicht erwartet“, betont Björn Rahn, der diese Unter­suchungen als Teil seiner Doktor­arbeit bei Magnussen durch­führte.

Hinweise auf die Ursache dieser Unter­schiede lie­ferten Computer­simulationen der Arbeits­gruppe von Eckhard Pehlke aus dem Institut für Theo­retische Physik und Astro­physik. „Der Grund, dass Schwefel sich auf Ober­flächen mit Chlor- und Bromionen so gegen­sätzlich verhält, liegt darin, dass die zwei Ionen unter­schiedliche Bewegungs­mechanismen auslösen“, erläutert Pehlke die Berech­nungen. Während sich Schwefel­atome in Gegenwart von Chlorionen nur auf der Ober­fläche bewegen, legen die Berech­nungen für die Ober­fläche mit Bromionen die Vermutung nahe, dass die Schwefel­atome beim Verändern ihrer Position kurz­zeitig in das Metall eintauchen.

Die Computer­simulationen bestätigen, dass die Brom- und Chlorionen auf der Oberfläche mehr sind als passive Zuschauer und die chemischen Prozesse statt­dessen direkt beein­flussen. Diese Erkennt­nisse der Grundlagen­forschung helfen nicht nur, elementare Prozesse an Grenz­flächen besser zu verstehen. „Unsere Ergeb­nisse sind auch ein erster Schritt, um solche elektro­chemischen Prozesse besser zu steuern“, blickt Magnussen in die Zukunft.

CAU Kiel / JOL

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