27.07.2022

Dynamische Elektronen in Wasser-Clustern

Neue Kurzpuls-Methode für die Analyse von Elektronenbewegungen.

Nahezu alle lebens­wichtigen chemischen Prozesse spielen sich in wässrigen Lösungen ab. Eine entscheidende Rolle bei diesen Prozessen spielen Elektronen, die zwischen verschiedenen Atomen und Molekülen ausgetauscht werden. Wie das im Detail vor sich geht, ist allerdings nur schwer zu untersuchen, da sich die Elektronen dabei sehr schnell bewegen. Forschenden der ETH Zürich unter Leitung von Hans Jakob Wörner ist es nun in Zusammen­arbeit mit Kollegen des Lawrence Berkeley National Laboratory gelungen, die Dynamik von Elektronen in Clustern aus Wasser­molekülen mit einer zeitlichen Auflösung von wenigen Attosekunden zu studieren.

Abb.: Attosekunden-Messung an Elektronen in Wasser-Clustern. (Bild: ETHZ)
Abb.: Attosekunden-Messung an Elektronen in Wasser-Clustern. (Bild: ETHZ)

In ihren Experimenten untersuchten die Wissenschaftler, wie Wasser-​Cluster durch einen kurzen Laserpuls im extremen Ultraviolett-​Bereich ionisiert werden. Dazu werden zunächst Cluster erzeugt, indem man Wasserdampf unter hohem Druck durch eine winzige Düse presst. Die extrem-​ultra­violetten Photonen des Laserpulses sorgen dann mit ihrer Energie dafür, dass eines der Elektronen im Cluster herausgelöst wird. Das Elektron wird allerdings nach dem Auftreffen des Pulses nicht augen­blicklich, sondern mit einer kleinen Zeitverzögerung herausgelöst. Wie groß die Verzögerung ist, hängt davon ab, wie sich das Elektronen­loch über die Moleküle des Clusters verteilt. „Diese Verteilung des Lochs konnte bisher nur theoretisch berechnet werden, da die Verzögerung viel zu kurz ist, um mit den üblichen experimentellen Nachweis­methoden gemessen werden zu können“, Postdoktorand Xiaochun Gong. Konkret dauert die Verzögerung nur einige Attosekunden.

Um die extrem kurzen Zeitspannen von wenigen Attosekunden messen zu können, spalteten Wörner und seine Mitarbeitenden einen sehr intensiven Infrarotlaserpuls in zwei Teile auf, von denen ein Teil durch Frequenz­vervielfachung in einem Edelgas ins Extrem-​Ultraviolette konvertiert wurde. Die beiden Pulse überlagerten sie und zielten mit ihnen auf die Wasser-​Cluster. Der Infrarot-​Laserpuls veränderte die Energie der Elektronen, die durch den Ultraviolett-​Laserpuls herausgelöst wurden. Die Schwingungs­phase des Infrarot-​Laserpulses konnte dabei mit Hilfe eines Interferometers sehr genau eingestellt werden. Je nach Schwingungs­phase änderte sich die Zahl der Ionisierungs­vorgänge, die mit Hilfe von Detektoren gemessen wurde. Aus diesen Messungen wiederum konnten die Forschenden schließlich die Zeitver­zögerung bei der Ionisierung direkt ablesen.

„Da wir mit Hilfe eines Massen­spektrometers bei jedem Ionisierungsvorgang feststellen konnten, wie groß der ursprüngliche Wasser-​Cluster war, konnten wir zeigen, dass die Zeitverzögerung von der Größe des Clusters abhängt“, sagt Doktorand Saijoscha Heck. Bis zu einer Clustergröße von vier Wasser­molekülen verlängert sich die Verzögerung stetig bis zu etwa hundert Attosekunden. Ab fünf Wassermolekülen bleibt sie allerdings praktisch konstant. Das hängt damit zusammen, dass kleine Cluster eine hohe Symmetrie aufweisen, wodurch sich das Elektronen-​Loch nach den Regeln der Quanten­mechanik über den gesamten Cluster verbreiten kann. Größere Cluster dagegen sind eher asymmetrisch und ungeordnet, so dass sich das Loch auf wenigen Wasser­molekülen lokalisiert. 

„Mit diesen Attosekunden-​Messungen haben wir ganz neue Forschungs­möglichkeiten aufgetan“, sagt Wörner. Er plant bereits die nächsten Experimente, in denen er die Dynamik des Elektronenlochs mit Hilfe weiterer Laserpulse sowohl räumlich als auch zeitlich aufgelöst untersuchen will. Unter anderem erhofft sich Wörner davon ein besseres Verständnis, wie Strahlungs­schäden in biologischem Gewebe entstehen, spielt dabei doch die Ionisierung von Wasser eine dominierende Rolle. Doch auch über die Erforschung der Elektronen­dynamik in Wasser hinaus sieht Wörner vielfältige Anwendungs­möglichkeiten. Zur Realisierung schnellerer elek­tronischer Bauteile etwa ist es unabdingbar, die räumliche Ausdehnung von Elektronen-​ und Loch­zuständen und deren zeitliche Entwicklung in Halbleitern genau zu verstehen. Die neue Technik könnte da sehr nützlich sein.  

ETHZ / JOL

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