Ein Asteroid als Hüpfburg
Die Raumsonde Osiris-Rex findet überraschend hohe Aktivität an der Oberfläche des Asteroiden Bennu.
Lange dachte man, Asteroiden seien im Gegensatz zu Kometen ausgesprochen inaktive Himmelskörper. Während Kometen dank ihres hohen Gehalts an Eis nicht nur einen spektakulären Schweif aus Staubteilchen, sondern auch einen schmalen Plasmaschweif ausbilden können, hielt man Asteroiden im wesentlichen für inerte Gesteinskörper. Zwar können Asteroiden aus unterschiedlichen Substanzen bestehen, jedoch ist der Anteil an Wasser und anderen flüchtigen Stoffen in ihnen so gering, dass die meisten keine nennenswerte Aktivität zeigen. Nur selten wurde der Ausstoß von Teilchen und Staub beobachtet. Wie Aufnahmen der Nasa-Raumsonde Osiris-Rex, die den Asteroiden Bennu umkreist, nun jedoch zeigen, herrscht rund um diesen Felsbrocken doch ein reges Treiben: Regelmäßig schweben kleine Partikel um Bennu.
Die Aufnahmen gelangen mit Hilfe der Kamera Navcam-1 an Bord von Osiris-Rex – Origins, Spectral Interpretation, Resource Identification, Security, Regolith Explorer. Die beiden Navcams sind monochrome Fünf-Megapixel-Kameras, die für die optische Navigation von Osiris-Rex konzipiert sind. Deren Mission ist es eigentlich, eine Gesteinsprobe von Bennus Oberfläche zu gewinnen und auf die Erde zurückzubringen. Seit Beginn dieses Jahres analysiert Osiris-Rex das Gelände auf Bennu, um ein möglichst vielversprechendes Landegebiet auszukundschaften. 2020 soll dann die Landung gelingen und 2023 die Probe zurück auf der Erde sein, um sie ausgiebig untersuchen zu können.
Bennu ist ein Asteroid des C-Typs, die besonders viel Kohlenstoff enthalten und deshalb eine dunkle Oberfläche mit einer Albedo von nur 0,05 besitzen. Mit dieser Zusammensetzung ähneln solche Asteroiden den kohligen Chondriten, die besonders kohlenstoffreiche Meteoriten sind. Bennu hat einen Durchmesser von rund 500 Metern, wobei er an den Polen etwas länglich gestreckt ist und nicht groß genug ist, um dank entsprechender Schwerkraft eine ganz runde Form aufzuweisen. Bennu zählt zu den Nah-Erd-Asteroiden, da er sich in einem Orbit zwischen 0,9 und 1,4 Astronomischen Einheiten befindet. Vermutlich handelt es sich bei ihm – ähnlich wie bei den meisten Asteroiden seiner Größe – nicht um einen dicht gepackten Himmelskörper, sondern eher um einen Geröllhaufen, der durch die wechselseitige Anziehungskraft zusammengehalten wird. Dichtemessungen weisen darauf hin, dass ungefähr die Hälfte des Volumens solcher Körper aus Hohlräumen besteht.
Auf den Kameraaufnahmen konnten die Wissenschaftler dieses Jahr drei größere Aktivitätsphasen beobachten, bei denen Teilchen von bis zu einigen Zentimetern Größe von der Oberfläche in die Höhe geschleudert wurden, ungefähr mit Geschwindigkeit von einigen Dutzend Zentimetern pro Sekunde – zum Teil aber auch deutlich langsamer oder schneller. Dabei konnten die Wissenschaftler jeweils um die hundert Teilchen zählen. Interessant daran ist, dass die Ursprungsregionen der rausgeschleuderten Partikel keine Besonderheiten aufwiesen und auch sonst von ihrer Topographie wenig miteinander gemein hatten. Jedoch lagen sie auf der Nachmittagsseite des Asteroiden. Abgesehen von diesen Phasen höherer Aktivität ließ sich aber auch ein stetes „Hintergrundrieseln“ ausmachen, bei dem immer wieder wenige Teilchen aus unterschiedlichen Ursprungsregionen und -zeiten von der Oberfläche weghüpften. Einige nahmen dabei soviel Schwung mit, dass sie in den interplanetaren Raum entschwanden. Die anderen prallten aber früher oder später – mitunter erst nach einigen Tagen – wieder auf Bennus Oberfläche zurück.
Es gibt nun eine ganze Palette möglicher Ursachen, die eine solche rege Aktivität bewirken könnten. So könnte neben der Sublimation von Eis und rotationsbedingtem Auseinanderbröckeln auch eine elektrostatische Abstoßung in Frage kommen. Diese Prozesse konnten die Wissenschaftler aber mit hoher Sicherheit ausschließen. Es gibt aber noch weitere Optionen: So könnte der Einschlag von Mikrometeoriten – die sich auf den Bildern nicht identifizieren lassen – verantwortlich sein, ebenso thermischer Stress und dadurch hervorgerufenes Aufbrechen von Gestein oder auch das Ausgasen von Wassermolekülen aus Silikatmineralen. Möglich sind auch Kombinationen dieser Ursachen.
Das wichtigste Indiz bislang lieferte die Untersuchung der thermischen Eigenschaften. Auf der Tagseite von Bennu heizen sich die Gesteine auf ihrer Oberfläche bis zu hundert Grad stärker auf als nur wenige Zentimeter darunter. Im Lauf der rund 4,3-stündigen Rotationsperiode des Asteroiden sorgt dies für periodische thermische Spannungen, die zum Nachmittag auf Bennu ihren Spitzenwert erreichen. Dieses Szenario erscheint nach Sicht der Forscher deshalb als plausible Erklärung für die unerwartete Aktivität. Diese Beobachtungen werfen die Frage auf, ob nicht alle Asteroiden eine gewisse Aktivität aufweisen. Dann könnten diese einen substanziellen Beitrag zur interplanetaren Staubwolke leisten. Man darf vor allem auf die Analyse der Gesteinsproben gespannt sein, die sowohl Osiris-Rex als auch die japanische Sonde Hayabusa-2 in den kommenden Jahren zurück auf die Erde bringen werden. Vielleicht sind dabei auch Gesteine, die einen kurzen Hüpfer über die Oberfläche gemacht haben. Dies wird ganz neues Licht nicht nur auf die Zusammensetzung, sondern auch auf die Oberflächendynamik dieser Himmelskörper werfen.
Dirk Eidemüller
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
D. S. Lauretta et al.: Episodes of particle ejection from the surface of the active asteroid (101955) Bennu, Science 366, eaay3544 (2019); DOI: 10.1126/science.aay3544 - Lunar and Planetary Laboratory, University of Arizona
- OSIRIS-Rex (Origins Spectral Interpretation Resource Identification Security – Regolith Explorer), NASA
JOL