19.11.2015

Ein Atom – ein Bit

Erstmals Spin­zustand einzelner Eisen- oder Chrom­atome auf Graphen­schicht bestimmt.

Das ultimative Ziel der Spin­tronik besteht darin, die Eigen­schaften einzelner Atome zu nutzen. So könnte man etwa den Spin­zustand eines Atoms als kleinst­­mögliche Speicher­einheit verwenden. Eine Klasse von Ele­menten, die sich für solche Auf­gaben anbieten, sind die Übergangs­metalle, zu denen ins­besondere Eisen und Chrom gehören. Einer Gruppe japanischer Wissen­schaftler vom National Institute of Advanced Industrial Research and Tech­nology in Tsukuba ist es nun in Zusammenarbeit mit einer tai­wane­sischen Gruppe erst­mals gelungen, den Spin­zustand einzelner Eisen- und Chrom­atome zu bestimmen. Je nach den Atomen in seiner Um­gebung können solche Atome unter­schied­liche Spin­zustände annehmen. Je stärker etwa der Spin in einer bestimmten atomaren Um­gebung ist, desto besser lässt sich für spin­tronische Anwendungen be­ein­­flussen und aus­lesen. Über­gangs­metalle haben üblicher­weise einen starken Spin, da sie mehrere ungepaarte Elektronen besitzen. Die Charak­teri­sierung dieser Eigen­schaften ist aber nicht nur für indus­trielle Anwen­dungen interessant: Auch zahl­reiche bio­logische Pro­zesse beruhen auf solchen magne­tischen Eigen­schaften.

Abb.: Das magnetische Moment der Atome hängt von dem Ver­hältnis der Fein­struktur-Über­gänge ab. (Bild: Y.-C. Lin, AIST)

Die Forscher um Kazu Suenaga wählten Graphen als Aus­gangs­substrat. Die­ses Material besitzt mehrere Vorzüge: Zum einen ist es nur eine Atom­lage dünn und eignet sich damit besonders gut für hoch­auf­gelöste Raster­trans­missions­elektronen­mikros­kopie, mit der die Wissen­schaftler das Material unter­suchten. Zum anderen besitzen die Kohlen­stoff­atome im Graphen selbst keine störenden magnetischen Eigen­schaften, sondern verhalten sich sehr neutral.

Um die zu unter­suchenden Eisen- und Chrom­atome in der Graphenschicht unterzubringen, verwendeten die Forscher mehrere verschiedene Ver­fahren. Zum einen wählten sie die direkte Bestrahlung mit einem intensiven Elek­tronen­strahl. Dies führte zu einzelnen oder doppelten Fehlstellen im hexa­gonalen Graphengitter. Die zweite Methode bestand darin, das Graphen einem reinen Ozon-Plasma auszusetzen, was entweder zu größeren Löchern mit klar definierten Rändern führte oder zu sauer­stoff-dotierten Fehl­stellen. Ein gemischtes Plasma aus Ozon und Stick­stoff­molekülen hingegen bewirkte haupt­sächlich die Bildung von Fehl­stellen, die mit Stick­stoff­atomen dotiert waren. „Mit Hilfe dieser Defekte können wir einzelne Metall­atome auf stabile Weise im Graphen verankern“, sagt Kazu Suenaga.

Dazu setzten die Wissen­schaftler die durch­löcherte Graphen­schicht für einige Sekunden unter Vakuum einem Eisen- oder Chrom­dampf aus und erhitzten das Graphen dann langsam auf rund 500 Grad Celsius. Dabei füllten die Metall­atome zunehmend die Fehl­stellen aus. Dabei mussten die Forscher darauf achten, nicht zu viele und zu eng beieinander liegende Fremd­atome in das Graphen­gitter ein­zu­bauen. Denn etwa die ferro­magnetischen Eigen­schaften von Eisen führen dazu, dass sich die Atome gegen­seitig be­ein­flussen könnten. Wie kontrast­reiche Dunkel­feld­aufnahmen zeigten, lag der Abstand zwischen den Metall­atomen jedoch bei etwa einem bis zwanzig Nano­metern und war damit groß genug, um die Atome einzeln vermessen zu können.

Die Stärke des Spin­zustands hängt bei den gewählten Über­gangs­metallen vom Verhältnis bestimmter Fein­struktur-Über­gänge ab. Diese Über­gänge konnten die Forscher mittels Elektron-Energie­verlust-Spektro­skopie be­stimmen. Dabei hing die Stärke der Über­gänge von den umliegenden Atome ab. So zeigt etwa Eisen in einer Doppel-Fehl­stelle einen hohen Spin. In der Um­ge­bung von bis zu vier Stick­stoff­atomen verringerte sich dieser jedoch zu­neh­mend. Denn der Stick­stoff stellt zusätzliche Elektronen zur Ver­fügung, die die ungepaarten Elektronen des Eisens neutralisieren. Die Kohlen­stoff­atome des Graphens bewirken praktisch keinen solchen Ladungs­transfer. Sauer­stoff hingegen besitzt eine starke Elektronen­affinität und kann so den Spin­zustand verstärken.

Bei Chrom etwa lieferten die Messungen für Sauer­stoff und Stick­stoff erwar­tungs­gemäß den gegensätzlichen Effekt. In der Um­ge­bung von einem bis vier Stick­stoff­atomen sank die Stärke des Spins zunehmend. Ein Sauer­stoff­atom auf einem benach­barten Gitter­platz hingegen verstärkte den Spin deutlich. Diese Messungen erwiesen sich als sehr an­spruchs­voll, da das Signal-Rausch-Ver­hält­nis bei der Spin-Bestimmung einzelner Atome sehr niedrig ist.

Damit lassen sich nun die magnetischen Eigen­schaften wichtiger Ele­mente in Abhängig­keit ihrer chemischem Um­gebung auf atomarem Niveau bestimmen. Nicht nur für technische Anwendungen, sondern auch für bio­logische Fragen ist eine genauere Kennt­nis des ato­maren magne­tischen Ver­hal­tens ent­scheidend. So ist etwa beim Hämo­globin, das für den Sauer­stoff­transport in der Blut­bahn verant­wortlich ist, ein Eisen­atom von vier Stick­stoff­atomen umgeben. Dieses Eisen­atom ändert seinen Spin­zustand zwischen niedrig und hoch, wenn es ein Mole­kül aufnimmt und wieder freigibt. Auch bei der Photo­syn­these, ebenso wie in der Photo­voltaik oder bei bestimmten Katalysatoren, spielen Über­gangs­metalle eine Rolle, die an Stick­stoff­atome gebunden sind. Mit den neuen Methoden könnten sich solche Pro­zesse sehr viel genauer charak­terisieren lassen.

Dirk Eidemüller

SK

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