Ein Atom – ein Bit
Erstmals Spinzustand einzelner Eisen- oder Chromatome auf Graphenschicht bestimmt.
Das ultimative Ziel der Spintronik besteht darin, die Eigenschaften einzelner Atome zu nutzen. So könnte man etwa den Spinzustand eines Atoms als kleinstmögliche Speichereinheit verwenden. Eine Klasse von Elementen, die sich für solche Aufgaben anbieten, sind die Übergangsmetalle, zu denen insbesondere Eisen und Chrom gehören. Einer Gruppe japanischer Wissenschaftler vom National Institute of Advanced Industrial Research and Technology in Tsukuba ist es nun in Zusammenarbeit mit einer taiwanesischen Gruppe erstmals gelungen, den Spinzustand einzelner Eisen- und Chromatome zu bestimmen. Je nach den Atomen in seiner Umgebung können solche Atome unterschiedliche Spinzustände annehmen. Je stärker etwa der Spin in einer bestimmten atomaren Umgebung ist, desto besser lässt sich für spintronische Anwendungen beeinflussen und auslesen. Übergangsmetalle haben üblicherweise einen starken Spin, da sie mehrere ungepaarte Elektronen besitzen. Die Charakterisierung dieser Eigenschaften ist aber nicht nur für industrielle Anwendungen interessant: Auch zahlreiche biologische Prozesse beruhen auf solchen magnetischen Eigenschaften.
Abb.: Das magnetische Moment der Atome hängt von dem Verhältnis der Feinstruktur-Übergänge ab. (Bild: Y.-C. Lin, AIST)
Die Forscher um Kazu Suenaga wählten Graphen als Ausgangssubstrat. Dieses Material besitzt mehrere Vorzüge: Zum einen ist es nur eine Atomlage dünn und eignet sich damit besonders gut für hochaufgelöste Rastertransmissionselektronenmikroskopie, mit der die Wissenschaftler das Material untersuchten. Zum anderen besitzen die Kohlenstoffatome im Graphen selbst keine störenden magnetischen Eigenschaften, sondern verhalten sich sehr neutral.
Um die zu untersuchenden Eisen- und Chromatome in der Graphenschicht unterzubringen, verwendeten die Forscher mehrere verschiedene Verfahren. Zum einen wählten sie die direkte Bestrahlung mit einem intensiven Elektronenstrahl. Dies führte zu einzelnen oder doppelten Fehlstellen im hexagonalen Graphengitter. Die zweite Methode bestand darin, das Graphen einem reinen Ozon-Plasma auszusetzen, was entweder zu größeren Löchern mit klar definierten Rändern führte oder zu sauerstoff-dotierten Fehlstellen. Ein gemischtes Plasma aus Ozon und Stickstoffmolekülen hingegen bewirkte hauptsächlich die Bildung von Fehlstellen, die mit Stickstoffatomen dotiert waren. „Mit Hilfe dieser Defekte können wir einzelne Metallatome auf stabile Weise im Graphen verankern“, sagt Kazu Suenaga.
Dazu setzten die Wissenschaftler die durchlöcherte Graphenschicht für einige Sekunden unter Vakuum einem Eisen- oder Chromdampf aus und erhitzten das Graphen dann langsam auf rund 500 Grad Celsius. Dabei füllten die Metallatome zunehmend die Fehlstellen aus. Dabei mussten die Forscher darauf achten, nicht zu viele und zu eng beieinander liegende Fremdatome in das Graphengitter einzubauen. Denn etwa die ferromagnetischen Eigenschaften von Eisen führen dazu, dass sich die Atome gegenseitig beeinflussen könnten. Wie kontrastreiche Dunkelfeldaufnahmen zeigten, lag der Abstand zwischen den Metallatomen jedoch bei etwa einem bis zwanzig Nanometern und war damit groß genug, um die Atome einzeln vermessen zu können.
Die Stärke des Spinzustands hängt bei den gewählten Übergangsmetallen vom Verhältnis bestimmter Feinstruktur-Übergänge ab. Diese Übergänge konnten die Forscher mittels Elektron-Energieverlust-Spektroskopie bestimmen. Dabei hing die Stärke der Übergänge von den umliegenden Atome ab. So zeigt etwa Eisen in einer Doppel-Fehlstelle einen hohen Spin. In der Umgebung von bis zu vier Stickstoffatomen verringerte sich dieser jedoch zunehmend. Denn der Stickstoff stellt zusätzliche Elektronen zur Verfügung, die die ungepaarten Elektronen des Eisens neutralisieren. Die Kohlenstoffatome des Graphens bewirken praktisch keinen solchen Ladungstransfer. Sauerstoff hingegen besitzt eine starke Elektronenaffinität und kann so den Spinzustand verstärken.
Bei Chrom etwa lieferten die Messungen für Sauerstoff und Stickstoff erwartungsgemäß den gegensätzlichen Effekt. In der Umgebung von einem bis vier Stickstoffatomen sank die Stärke des Spins zunehmend. Ein Sauerstoffatom auf einem benachbarten Gitterplatz hingegen verstärkte den Spin deutlich. Diese Messungen erwiesen sich als sehr anspruchsvoll, da das Signal-Rausch-Verhältnis bei der Spin-Bestimmung einzelner Atome sehr niedrig ist.
Damit lassen sich nun die magnetischen Eigenschaften wichtiger Elemente in Abhängigkeit ihrer chemischem Umgebung auf atomarem Niveau bestimmen. Nicht nur für technische Anwendungen, sondern auch für biologische Fragen ist eine genauere Kenntnis des atomaren magnetischen Verhaltens entscheidend. So ist etwa beim Hämoglobin, das für den Sauerstofftransport in der Blutbahn verantwortlich ist, ein Eisenatom von vier Stickstoffatomen umgeben. Dieses Eisenatom ändert seinen Spinzustand zwischen niedrig und hoch, wenn es ein Molekül aufnimmt und wieder freigibt. Auch bei der Photosynthese, ebenso wie in der Photovoltaik oder bei bestimmten Katalysatoren, spielen Übergangsmetalle eine Rolle, die an Stickstoffatome gebunden sind. Mit den neuen Methoden könnten sich solche Prozesse sehr viel genauer charakterisieren lassen.
Dirk Eidemüller
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