05.09.2018

Ein Atombaukasten für das Quantencomputing

Dutzende von Atomen nach Wunsch drei­dimen­sional an­ge­ordnet.

Wie weit die kontrollierte Manipulation von Atomen schon fort­ge­schritten ist, zeigen zwei Forscher­gruppen aus Frank­reich und den USA. Die Teams haben eine größere Zahl von ein­zelnen Atomen zu einem fehler­freien räum­lichen Kristall ange­ordnet und dadurch neue Möglich­keiten für das Quanten­computing eröffnet. Bisher hat man ein- oder zwei­dimen­sionale künst­liche Kristalle her­ge­stellt, bei denen die Atome durch ein Licht­gitter fest­ge­halten wurden und perfekt geordnet waren, sodass an jedem Gitter­platz genau ein Atom saß. Dazu musste man über­prüfen, wo sich die ein­zelnen Atome befanden, und sie nötigen­falls an die vor­ge­sehene Posi­tion im Gitter trans­por­tieren oder sie ganz ent­fernen. Diese atom­physi­ka­lische Meister­leistung ist jetzt auch in drei Dimen­sionen gelungen.

Abb.: Perfekt geordnete Atome in drei Dimen­sionen. Ein Holo­gramm weist jedem Atom (grüne Punkte) einen festen Platz zu. So lassen sich viele Kristall­gitter­arten aber auch andere drei­dimen­sio­nale Objekte (etwa der Eiffel­turm in klein) reali­sieren. (D. Barredo et al. / Springer Nature)

Bei der Lösung des Problems sind die Forscher um Antoine Browaeys von der Univer­sité Paris-Saclay und das Team von David Weiss an der Penn­syl­vania State Univer­sity unter­schied­lich vor­ge­gangen. Während Browaeys und seine Kollegen die Atome mit Holo­grammen fest­ge­halten und mit optischen Pinzetten bewegt haben, haben Weiss und sein Team die atomaren Teilchen in einem Licht­gitter gehalten, mit dem sie je nach ihrem Anre­gungs­zustand an die gewünschte Posi­tion ver­schoben werden konnten.

Die Ergebnisse beider Experimente sind zwar im Wesent­lichen ver­gleich­bar, doch es gibt auch Unter­schiede, die für zukünf­tige Anwen­dungen interes­sant sind. So konnten in Saclay die Atome mit der holo­gra­phischen Methode in nahezu beliebig geformte räum­liche Muster oder Kristall­strukturen gebracht werden. An der PSU wurden hingegen nur kubische Licht­gitter reali­siert. Doch die Atome waren so kalt, dass sich ihre Entropie erheb­lich ver­ringern ließ, indem sie im Gitter perfekt ange­ordnet wurden.

Beide Teams haben ihre Atome – Rubidium-87 in Saclay, Caesium-133 an der PSU – aus einer magneto-optischen Falle in das Holo­gramm beziehungs­weise das Licht­gitter geladen. Dabei ver­teilten sich die Atome unge­ordnet auf die zur Ver­fügung stehenden Gitter­plätze. Indem die Forscher die Atome durch einen abge­stimmten Laser zur Fluores­zenz anregten und das Licht mit einer CCD-Kamera auf­fingen, konnten sie fest­stellen, welcher Platz in dem drei­dimen­sio­nalen Gitter leer oder von einem Atom besetzt war.

Abb.: Anfangs sind die fünfzig Atome völlig unge­ordnet auf 5×5×5 Gitter­plätze ver­teilt (obere Reihe), doch nach zwei Schritten sind sie perfekt in der 2. und 3. Kristall­ebene ange­ordnet, wobei die anderen Ebenen leer bleiben (untere Reihe; A. Kumar et al. / Springer Nature)

Nach einem automatischen Programm, das in Sekunden­bruch­teilen ablief, wurden diejenigen Atome ver­schoben, die nicht an der richtigen Stelle im Gitter saßen. In Saclay benutzte man dazu eine optische Pinzette, die die Atome einzeln bewegte. An der PSU regte man die zu ver­schie­benden Atome in einen anderen internen Zustand an und hielt sie mit einem zweiten Licht­gitter fest. Dann wurden die beiden Licht­gitter um einen Gitter­platz gegen­ein­ander ver­schoben, sodass die ange­regten Atome um eine Position im ersten Gitter gewandert waren. Auf diese Weise ord­neten beide Teams einige zehn Atome perfekt zu drei­dimen­sio­nalen künst­lichen Kristallen an, wobei sie einige Gitter­ebenen gezielt unbe­setzt lassen konnten.

Beim PSU-Experiment wurden extrem kalte Atome benutzt, sodass sie sich an ihren Gitter­plätzen nahezu im Schwin­gungs­grund­zustand befanden und die Schwin­gungs­entropie relativ klein war. Deshalb ließ sich die Gesamt­entropie durch das Anordnen der Atome erheb­lich ver­ringern. Das Experi­ment reali­sierte somit einen Maxwell­schen Dämon, der durch Ein­griffe in die mole­ku­laren Vor­gänge die Entropie eines Systems ver­kleinert. Tat­säch­lich wurde diese Entropie­abnahme mehr als aus­ge­glichen durch die Entropie­zunahme der Umwelt. Doch die Forscher speku­lieren, dass man durch Anordnen der Atome im Gitter die Entropie soweit ver­ringern könnte, dass es zur Bose-Einstein-Konden­sa­tion kommt.

Beim Saclay-Experiment waren die Atome nicht so kalt, doch immer­hin kalt genug, dass sie etwa zehn Sekunden an ihrem Gitter­platz blieben. So konnten die Forscher mit den geord­neten Atomen experi­men­tieren und sie in hoch­ange­regte Rydberg-Zustände bringen. Zwei benach­barte Atome im Gitter wechsel­wirkten dank ihrer großen elek­trischen Dipol­momente mit­ein­ander, sodass sich beob­achten ließ, wie sie inner­halb von Mikro­sekunden perio­disch ihre Anre­gungs­zustände aus­tauschten. Das ließe sich für ein Quanten­gatter nutzen, bei dem Qubits aus­ge­tauscht werden. Aus der perfekten drei­dimen­sio­nalen Anord­nung vieler Atome könnte viel­leicht einmal ein leistungs­fähiger Quanten­computer werden.

Rainer Scharf

RK

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