Das aufstrebende Forschungsfeld der Magnon-Spintronik untersucht die Möglichkeit, Informationen mit Hilfe von Magnon-Spinströmen zu übertragen und zu verarbeiten. Im Gegensatz zu elektrischen Strömen, auf denen die heutige, etablierte Informationstechnologie basiert, übertragen Magnon-Spinströme keine elektrische Ladung, sondern ein magnetisches Moment. Dies geschieht durch magnetische Wellen, die Magnonen, die sich analog zu Schallwellen durch magnetische Materialien ausbreiten. Ein wesentlicher Baustein der Magnon-Spintronik ist die Magnon-Logik, die es zum Beispiel durch die Überlagerung von Spinströmen erlaubt, logische Operationen und damit schließlich die Informationsverarbeitung vorzunehmen.
Abb.: Je nach Konfiguration des Spin-Ventils wird das elektrische Signal unterdrückt (oben) oder weitergeleitet (unten). (Bild: J. Cramer)
Einem internationalen Team von Physikern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), der Universität Konstanz sowie der Tohoku Universität in Sendai, Japan, ist es nun gelungen, dem Baukasten der Magnon-Logik ein weiteres Bauteil hinzuzufügen. Die Wissenschaftler konnten eine Spin-Ventil-Struktur einsetzen und über die magnetische Konfiguration des Ventils die Detektionseffizienz von Magnon-Strömen steuern. Dies ermöglicht prinzipiell die Weiterleitung oder Unterdrückung der ankommenden Information.
Das wesentliche Ziel der Magnon-Spintronik ist die Ablösung der elektrischen Ladung durch Magnonen als dem grundlegenden Informationsträger. Magnonen bieten unter anderem die Möglichkeit des „wave-based computing“, das mehr Optionen zur logischen Datenverarbeitung im Vergleich zu konventioneller Elektronik zur Verfügung stellt. Außerdem bewegen sich Magnonen in magnetischen Isolatoren mit vergleichsweise geringen Verlusten fort, was eine energieeffizienteren Datenverarbeitung in Aussicht stellt.
Die jetzt untersuchte Spin-Ventil-Struktur ist ein Dreilagensystem, das aus dem elektrisch isolierenden Ferromagneten Yttrium-Eisen-Granat (YIG), dem isolierenden Antiferromagneten Cobalt(II)-oxid (CoO) und schließlich dem metallischen Ferromagneten Cobalt (Co) besteht: YIG/CoO/Co. Durch das oszillierende Magnetfeld von eingestrahlten Mikrowellen wird gezielt eine Rotation der YIG-Magnetisierung angeregt, die einen Magnon-Spinstrom in das CoO aussendet. In dem metallischen Co-Film wird der Magnon-Spinstrom schließlich durch den inversen Spin-Hall-Effekt in einen elektrischen Ladungsstrom konvertiert und somit detektiert.
In dem Experiment ließ sich zeigen, dass die Stärke des detektierten Signals stark von der magnetischen Konfiguration des Spin-Ventils abhängt. Ist die Magnetisierung von YIG und Co antiparallel angeordnet, ist das Signal zirka 120 Prozent größer als im parallelen Zustand. Das mehrfache Umschalten der Co-Magnetisierung zeigte zudem, dass der Effekt stabil und somit eine Langzeitoperation möglich ist. „Alles in allem kann mit Hilfe dieses Effekts in gewisser Weise ein Schalter eingerichtet werden, der den Magnon-Strom als elektrisches Signal weiterleitet oder unterdrückt“, so Joel Cramer. „Das Ergebnis unseres Experiments ist ein Effekt, der in zukünftigen, potenziellen Magnon-Logik-Operationen Anwendung finden könnte und somit einen wesentlichen Beitrag zur Magnon-Spintronik leistet“, fügt Cramer hinzu.
Die Theorie zu der Arbeit wurde gemeinsam von Gruppen in Mainz und Konstanz erarbeitet. Insbesondere mit der Theorie-Gruppe von Ulrich Nowak in Konstanz besteht eine lange fruchtbare Zusammenarbeit. „Nachdem kürzlich unser dritter gemeinsamer Projektantrag positiv evaluiert worden ist, freue ich mich auch für die Zukunft auf eine intensive gemeinsame Arbeit“, ergänzt Mathias Kläui, Direktor der Exzellenz-Graduiertenschule Materials Science in Mainz
JGU / DE