Ein Blick unter die Haut
Neue Mikroskopiemethode liefert hochaufgelöste Bilder von Objekten in einem stark streuenden Medium.
Zur mikroskopischen Untersuchung von lebenden Organismen ist sichtbares Licht die erste Wahl. Es ermöglicht die Auflösung der inneren Struktur einer Zelle, während die Energien gerade noch niedrig genug sind, um keinen Schaden an den biologischen Molekülen anzurichten. Dennoch haben die herkömmlichen Methoden einen entscheidenden Nachteil: Aufgrund der geringen freien Weglänge von optischen Photonen in organischem Gewebe ermöglichen sie kaum Einblicke in das Innere eines Organismus. Forscher der Universität von Korea haben nun jedoch eine vielversprechende neue Methode vorgestellt, um diesem Problem beizukommen. Indem sie gezielt diejenigen Lichtstrahlen auswählten, die nur eine einzige Streuung erfahren haben, konnten sie Objekte im Inneren eines stark streuenden Mediums abbilden – in einer Tiefe von mehr als der zehnfachen freien Weglänge und dennoch nahe an der theoretischen Auflösungsgrenze.
Abb.: Die Selektion der einfach gestreuten Wellen erfolgt über die Flugzeit (oben) und den bei der Streuung übertragenen Wellenvektor (unten; Bild: Kang et al. / NPG)
Um die Verschlechterung der Bildqualität durch die Mehrfachstreuung in organischem Gewebe auszugleichen, gibt es verschiedene Ansätze. So wurde etwa versucht, sämtliche gestreute Wellen zu berücksichtigen und mithilfe von Diffusionstheorien ein Bild des Objekts zu rekonstruieren. Auf diese Art lassen sich zwar Eindringtiefen von mehreren Zentimetern realisieren, das Auflösungsvermögen solcher Methoden liegt jedoch lediglich im Millimeterbereich.
Andere Ansätze wiederum beschränken sich auf ballistische Photonen, etwa indem sie nur jene Signale verwenden, die als Erste den Detektor erreichen. So entstehen zwar scharfe Bilder, aufgrund der exponentiellen Abschwächung der Intensität bleibt die Tiefe jedoch sehr gering. Eine Art Mittelweg stellt dagegen die Verwendung jener Wellen dar, die zwar mehrfach, aber lediglich unter kleinen Winkeln gestreut werden. So konnten bereits Bilder aus einer Tiefe von über zehn freien Weglängen erzeugt werden. Allerdings ging das wiederum auf die Kosten der Auflösung.
Die neue, hochauflösende Methode der koreanischen Forscher rund um Wonshik Choi beruht auf der Kombination von zwei Effekten. Um aus dem gesamten, reflektierten Signal jene Wellen herauszufiltern, die nur ein einziges Mal, nämlich am Objekt gestreut wurden, trafen sie zunächst über Flugzeitmessungen eine Vorauswahl. Sie stellten den Fokus der einfallenden Strahlung auf die gewünschte Tiefe ein und überlagerten den reflektierten Strahl mit einem Referenzsignal, dessen optischen Weg sie über einen verschiebbaren Spiegel einstellen konnten. Indem sie die Interferenz der beiden Strahlen beobachteten, konnten sie jene reflektierten Wellen auswählen, die die gleiche Flugzeit wie der Referenzstrahl aufwiesen. Die zeitliche Auflösung dieser Messung war lediglich durch die Kohärenzzeit der Lichtquelle beschränkt und betrug 76 Femtosekunden. Das entspricht einer Schichtdicke von etwa 11 Mikrometern.
Eine Selektion nur nach der Flugzeit reicht allerdings nicht aus, um einfach gestreute Wellen zu identifizieren. Sie beinhaltet nämlich auch jene Wellen, die vor dem Objekt reflektiert, dafür aber mehrfach gestreut werden. Um diese herauszufiltern bedienten sich die Forscher eines weiteren Effekts: Unabhängig vom Einfallswinkel überträgt jede Welle parallel zur Oberfläche des streuenden Objekts denselben Impuls. Indem sie also den Winkel der einfallenden Strahlung variierten und diese mit der reflektierten Strahlung verglichen, konnten sie jene Paare kohärent addieren, die den gleichen Impulsübertrag aufwiesen. Dazu erzeugte ein räumlicher Phasenmodulator 2500 verschieden Einfallswinkel in einem 70 × 70 Quadratmikrometer großen Sichtfeld.
„Es gab eine ganze Reihe technischer Schwierigkeiten bei der Realisierung des neuen Mikroskops“, erklärt Choi. „Die größte Herausforderung war es aber, gleichzeitig eine Flugzeitmessung, die Korrelation der reflektierten Wellen und die Kontrolle des Einfallswinkels zu implementieren.“ Doch nur so war es möglich, das um 10-10 abgeschwächte Signal der einfach gestreuten Wellen zu erfassen.
Als Testprobe verwendeten die Forscher eine standardisierte Auflösungstesttafel, die sie mit einer etwa 1,2 Millimeter dicken Schicht eines Siliziumpolymers überzogen, in dem winzige Kunststoffkügelchen verteilt waren. Die mittlere freie Weglänge dieses Materials beträgt für die verwendete Strahlung von 800 Nanometern etwa 100 Mikrometer und entspricht somit der von organischem Gewebe. Mit dem neuen Mikroskop gelang es, Strukturen auf der Testtafel mit einer Größe von 150 Mikrometern aufzulösen – und das, obwohl die Strahlung die 11,4-fache mittlere freie Weglänge überwinden musste.
„Es gibt noch einiges zu optimieren“, so Choi, „aber ich bin überzeugt, dass wir schon bald in der Lage sein werden, die innere Struktur einzelner Zellen abzubilden, die sich mehr als einen Millimeter unter der Oberfläche befinden.“ Auf diese Art könnten etwa Krankheiten viel früher diagnostiziert werden, als das mit herkömmlichen, auf oberflächliche Untersuchungen beschränkten Methoden möglich ist.
Thomas Brandstetter
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