Ein doppeltes supermassereiches schwarzes Loch
Astronomen finden starkes Indiz für Galaxienverschmelzung.
Das Modell der hierarchischen Galaxienentstehung sagt die Existenz vieler doppelter supermassereicher schwarzer Löcher voraus. Denn in diesem Szenario bilden sich im jungen Kosmos zunächst kleine Galaxien, die sukzessive durch Kollisionen und Verschmelzungen zu immer größeren Systemen anwachsen. Da nach heutigen Erkenntnissen nahezu jede Galaxie in ihrem Zentrum ein schwarzes Loch mit der millionen- oder gar milliardenfachen Masse unserer Sonne beherbergt, müssen beim Verschmelzungsprozess schließlich auch diese Objekte in Wechselwirkung treten, immer enger werdende Doppelsysteme bilden und miteinander verschmelzen.
Abb.: Künstlerische Darstellung eines doppelten schwarzen Lochs. (Bild: NASA)
Doch die Suche nach solchen doppelten schwarzen Löchern war bislang weitgehend erfolglos. Lediglich ein Beispiel haben Astronomen abbilden können, bei dem sich die schwarzen Löcher in einem Abstand von 2,3 Lichtjahren befinden. Jetzt melden Preeti Kharb vom Tata-Institut für Grundlagenforschung in Indien und ihre Kollegen einen weiteren Erfolg: Die 380 Millionen Lichtjahre entfernte Spiralgalaxie NGC 7674 beherbergt offenbar ein doppeltes schwarzes Loch mit einer Gesamtmasse von 36 Millionen Sonnenmassen, die sich in einem Abstand von 1,1 Lichtjahren umkreisen.
NGC 7674 ist eine Seyfert-Galaxie, also eine Galaxie mit einem aktiven Kern, der auf den Einfall von Materie auf ein supermassereiches schwarzes Loch deutet. Typisch für solche aktiven Galaxienkerne sind Radiojets, stark gebündelte Materiestrahlen, die viele tausend Lichtjahre weit ins All hinaus reichen und Radiostrahlung aussenden. Ins Visier von Kharb und ihrem Team geriet NGC 7674, weil der Radiojet dieser Galaxie nicht geradlinig verläuft, sondern eine ungewöhnliche Z-Form aufweist. Und genau das sagen Modelle für die Wechselwirkung supermassereicher schwarzer Löcher bei ihrer Annäherung voraus.
Außerdem typisch für supermassereiche schwarze Löcher sind kompakte Radioquellen, deren Strahlung auf die rotierenden Akkretionsscheiben zurückgeht, in der sich das auf die schwarzen Löcher zuströmende Gas ansammelt. Bisherige Radiobeobachtungen hatten jedoch keine solche kompakte Radioquelle bei NGC 7674 nachgewiesen. Das gelang jetzt Kharb und ihren Kollegen mithilfe von VLBI-Beobachtungen bei Frequenzen von 2, 5, 8 und 15 Gigahertz. Mehr noch: Die Forscher fanden nicht nur eine, sondern gleich zwei kompakte Radioquellen im Abstand von 1,1 Lichtjahren.
Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es sich dabei um eine zufällige Überlagerung von zwei unabhängigen kompakten Radioquellen in verschiedenen Entfernungen handelt, schätzen die Forscher auf unter 0,4 Prozent. Und das invertierte Radiospektrum der beiden Quellen zeige, dass es sich weder um Supernovae, noch um die Fußpunkte der Radiojets eines einzelnen schwarzen Lochs handeln könne, so Kharb und ihre Kollegen. Alle Beobachtungsdaten seien aber in guter Übereinstimmung mit der Hypothese, dass es sich hier um die Strahlung von zwei Materie akkretierenden supermassereichen schwarzen Löchern im Zentrum der Seyfert-Galaxie handelt. „Damit ist dieses Objekt das bislang engste doppelte supermassereiche schwarze Loch, das wir kennen“, schließen die Forscher. Leider sei jedoch nicht zu erwarten, dass sich die von dem Doppelsystem abgestrahlten Gravitationswellen nachweisen lassen – weder mit den gegenwärtigen, noch mit den derzeit geplanten Detektoren.
Rainer Kayser
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