Ein elektrischer Schalter für magnetischen Strom
Multiferroischer Tunnelkontakt ermöglicht Speichermedien mit höherer Datendichte.
Datenspeicher könnten sich künftig über einen neuen Mechanismus schalten lassen. Forscher des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik in Halle verändern mit einem kurzen elektrischen Puls nämlich auch die magnetischen Transporteigenschaften eines Materialsandwiches, das aus einer ferroelektrischen Schicht zwischen zwei ferromagnetischen Materialien besteht. Zu erwarten wäre, dass ein elektrischer Puls lediglich die elektrischen Transporteigenschaften beeinflusst.
Abb.: Blick auf einen ferroelektrischen Tunnelkontakt: Die rasterkraftmikroskopische Aufnahme zeigt die extrem regelmäßig strukturierte ferroelektrische Schicht aus Bleizirkonattitanat und als gelblich gefärbte Erhebungen die ferromagnetischen Cobaltelektroden. (Bild: M. Alexe / MPI für Mikrostrukturphysik)
Der neue Schaltmechanismus ermöglicht es, Information in vier statt zwei Zuständen eines Speicherpunktes abzulegen und somit die Speicherdichte zu erhöhen. Darüber hinaus könnte er sich in der Spintronik als nützlich erweisen. Diese Form der Elektronik soll Daten künftig einmal besonders effizient verarbeiten, weil sie sich nicht nur der Ladung der Elektronen bedient, sondern auch ihres Spins.
Bei einem Lichtschalter nähme sich solch ein Verhalten sehr eigenartig aus: Der Zusammenhang, den die Physiker des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik in Halle entdeckt haben, würde sich – übertragen auf den Dimmer einer Lampe – nämlich in etwa so äußern, dass mit der Helligkeit des Lichts auch dessen Farbe wechselt – von grün nach rot zum Beispiel. Beide Eigenschaften charakterisieren Licht zwar, lassen sich aber nicht mit einem Schalter gleichzeitig manipulieren. Etwas Vergleichbares ist den Forschern aus Halle nun aber mit dem Tunnelstrom gelungen, der zwischen zwei ferromagnetischen Elektroden-Schichten eines multiferroischen Materialsandwiches fließt.
Multiferroisch heißt in diesem Fall, dass das Paket neben den beiden ferromagnetischen Stoffen eine ferroelektrische Substanz enthält. In einem ferroelektrischen Material schaltet eine elektrische Spannung je nach ihrer Polung die elektrische Polarisierung zwischen zwei Richtungen hin und her – ähnlich wie ein Magnetfeld die Magnetisierung eines Ferromagneten dauerhaft umpolt. Da sich dabei Ionen in der Struktur des Materials verschieben, bleibt die Polarisierung auch dann erhalten, wenn die Spannung abfällt, lässt sich jedoch mit einer gleich großen, aber umgekehrt gepolten Spannung wieder umschalten.
Ihr multiferroisches Materialsandwich präparierten die Hallenser Forscher, indem sie auf eine Unterlage eine extrem akkurat geordnete, knapp 30 Nanometer dicke Schicht des ferromagnetischen Lanthanstrontiummanganats (LSMO) dampften. Darüber schieden sie eine gerade einmal drei Nanometer dünne, ebenfalls sehr regelmäßig gebaute Lage des ferroelektrischen Bleizirkonattitanats (PZT) ab; den Abschluss bildet eine Decke des wiederum ferromagnetischen Cobalts.
Über der Cobaltdecke des Materialstapels positionierten die Physiker nun die Spitze eines Rasterkraftmikroskops, um eine Spannung an das multiferroische Sandwich anzulegen. Die elektrisch nicht leitfähige PZT-Schicht verhindert dann zwar, dass zwischen Cobalt und LSMO ein Strom im klassischen Sinne fließt. Einige Elektronen können die Barriere aber im quantenphysikalischen Tunnelprozess überwinden. Genau um die Eigenschaften des Tunnelstroms ging es den Forschern aus Halle.
Seine Stärke hängt nämlich von der Polarisierung des ferroelektrischen PZT ab. Die Polarisierung wirkt sich auf die Höhe der Tunnelbarriere aus, so dass sich für die eine Polarisationsrichtung ein höherer Tunnelwiderstand ergibt als für die andere. Zwischen den beiden Polarisationsrichtungen schalteten die Physiker ebenfalls mit einer elektrischen Spannung hin und her. Dafür nutzten sie jedoch einen Spannungspuls, der zwar deutlich stärker als die für den Tunnelstrom erforderliche Spannung war, aber nicht einmal eine Millionstel Sekunde dauerte.
Abb.: Schema eines multiferroischen Materialsandwiches: Die orangerot dargestellte Unterlage trägt eine grün abgebildete Schicht des ferromagnetischen Lanthanstrontiummanganats (LSMO). Darüber die isolierende, ferroelektrische Schicht aus Bleizirkonattitanat (PZT). Den Abschluss der Nanokondensatoren bilden Elektroden aus ferromagnetischem Cobalt. (Bild: M. Alexe / MPI für Mikrostrukturphysik)
„Überraschenderweise änderte sich beim Umpolen des Ferroelektrikums nicht nur die von der Polarisationsrichtung abhängige Komponente des Widerstandes des Tunnelkontakts, sondern auch die normalerweise nur von der Magnetisierungsrichtung der Elektroden abhängige Komponente, der sogenannte Tunnelmagnetowiderstand“, sagt Dietrich Hesse, der die Arbeiten gemeinsam mit Marin Alexe leitete. Der Tunnelmagnetowiderstand (TMR) tritt immer dann auf, wenn Elektronen zwischen zwei verschiedenen Ferromagneten tunneln. Gewöhnlich ist er für zwei ferromagnetische Elektroden, die in die gleiche Richtung magnetisiert sind, kleiner als für entgegengesetzt magnetisierte – Physiker sprechen dann vom normalen Tunnelmagnetowiderstand.
Tatsächlich beobachteten die Physiker aus Halle bei einer der beiden elektrischen Polarisationsrichtungen in der ferroelektrischen PZT-Schicht den normalen magnetischen Tunnelwiderstand. Bei der anderen elektrischen Polarisationsrichtung kehrten sich die Verhältnisse jedoch um, nun trat der inverse TMR auf. Hierbei leitete die Tunnelverbindung Strom mit kleinerem Widerstand, wenn die beiden Ferromagnete entgegengesetzt magnetisiert waren.
Neben seinem Effekt auf den elektrischen Widerstand hat der TMR zudem eine Filterwirkung für den Elektronenspin. Der Spin gibt jedem Elektron ein eigenes magnetisches Moment. Beim normalen TMR gelangen im einfachsten Falle nur Elektronen durch die PZT-Schicht, deren magnetisches Moment in dieselbe Richtung weist wie die Magnetisierung der beiden ferromagnetischen Elektroden. „Eine Änderung der elektrischen Polarisationsrichtung beeinflusst also nicht nur die Stärke des Tunnelstroms, sondern bewirkt auch, dass Elektronen mit einem bestimmten Spin herausgefiltert werden“, erklärt Marin Alexe: „Denselben Effekt erreichen wir zwar auch, indem wir mit einem äußeren Magnetfeld die Magnetisierung in beiden ferromagnetischen Schichten ändern, das kostet aber viel mehr Energie.“
Interessant für Anwendungen ist der Einfluss der elektrischen Polarisation sowohl auf die Filterwirkung des Tunnelkontakts für Elektronenspins als auch auf den elektrischen Widerstand. Denn unterm Strich kann die multiferroische Tunnelverbindung vier unterschiedlich große elektrische Widerstände annehmen, und zwar für jede elektrische Polarisationsrichtung zwei, jeweils einen für gleiche Magnetisierung und einen für entgegengesetzte Magnetisierung der beiden Ferromagnete. Somit ließen sich magnetische Random Access Memories (MRAM) deutlich verkleinern. MRAMs stellen eine Alternative zu herkömmlichen elektrisch betriebenen RAMs dar. Mit ihnen würde es überflüssig, beim Hochfahren eines Computers Daten von der Festplatte in einen Arbeitsspeicher zu laden, so dass der Computer auf Knopfdruck betriebsbereit wäre.
„Als einfach zu schaltender Filter, der Elektronen nach ihrer Spinrichtung sortiert, könnte der multiferroische Tunnelkontakt auch in der Spintronik Anwendung finden“ sagt Dietrich Hesse. Diese gilt als mögliche Weiterentwicklung der Elektronik, weshalb zahlreiche Physiker weltweit ihre Grundlagen erforschen. Die Spintronik soll neben der Ladung den Spin der Elektronen nutzen, um Daten mit höherer Datendichte zu verarbeiten als das in der herkömmlichen Elektronik möglich ist.
PH/MPG / PH