02.03.2017

Ein Filter für schweren Wasserstoff

Mit einer funktionalisierten Metall-orga­nischen Gerüst­ver­bindung lassen sich Wasser­stoff-Iso­tope relativ ein­fach trennen.

Deuterium und Tritium finden nicht nur zahlreiche Anwen­dungen in der Wissen­schaft, sondern könnten als Brenn­stoffe der Kern­fusion zum Energie­mix von morgen bei­tragen. Deuterium ist zudem Bestand­teil einiger Medika­mente, die gerade das Zulas­sungs­ver­fahren in den USA durch­laufen. Sie aus der natür­lichen Isotopen­mischung des Wasser­stoffs zu filtern, ist bis­lang jedoch auf­wändig und teuer. Wissen­schaftler des MPI für intel­ligente Systeme, des MPI für Fest­körper­forschung, der Uni Leipzig, der Jacobs Univer­sity Bremen, der Uni Augs­burg sowie des Oak Ridge National Labora­tory in den USA stellen jetzt eine metall­orga­nische Gerüst­ver­bindung – kurz MOF für „metal­organic frame­work“ – vor, mit der sich die beiden Isotope effi­zienter vom Gros des normalen Wasser­stoffs trennen lassen als mit den bis­herigen Methoden.

Abb.: Sammelbecken für schweren Wasser­stoff: An Kupfer­atome in einer Metall-orga­nischen Gerüst­ver­bindung binden bevor­zugt Mole­küle der schweren Wasser­stoff­isotope Deuterium und Tritium – die Metall­atome sind hier daher symbo­lisch als Schalen dar­ge­stellt. (Bild: T. Häse, U. Leipzig)

So wird etwa Deuterium aus schwerem Wasser gewonnen, das zu 0,15 Promille in natür­lichem Wasser ent­halten ist. Mit einer Kombi­nation chemischer und physi­ka­lischer Ver­fahren wie etwa der Destil­lation wird zunächst das schwere Wasser iso­liert und an­schlie­ßend Deuterium-Gas erzeugt. Das ist so auf­wändig und energie­intensiv, dass ein Gramm Deuterium von 99,8 Prozent Rein­heit etwa hundert Euro kostet. Damit ist Deuterium etwa drei Mal teurer als Gold, obwohl das Isotop in jedem Gewässer und an der Erd­ober­fläche insge­samt mehr als drei­hundert Mal häufiger als das Edel­metall zu finden ist.

„Mit unserer Metall-organischen Gerüstverbindung dürfte es nun ein­facher und weniger energie­intensiv werden, Deuterium aus dem natür­lichen Gemisch der Wasser­stoff­isotope zu iso­lieren“, sagt Dirk Volkmer von der Uni Augs­burg, dessen Mit­arbeiter das Material synthe­ti­siert haben. In einer Metall-orga­nischen Gerüst­ver­bindung werden Metall-Ionen durch orga­nische Moleküle zu einem Kristall mit relativ großen Poren vernetzt, weshalb solche Stoffe bezogen auf ihr Gewicht große Mengen Gas auf­nehmen können.

In der Verbindung, die das Forscherteam nun als Filter für Deuterium und auch für Tritium vor­stellen, bilden Zink- und Kupfer­ionen die metal­lischen Knoten­punkte. Bereits 2012 hatten die Wissen­schaftler eine Metall-orga­nische Gerüst­ver­bindung präsen­tiert, die als metal­lische Kompo­nente aus­schließ­lich Zink ent­hielt und eben­falls Deuterium aus dem natür­lichen Iso­topen­gemisch filtert – aller­dings nur bei minus 223 Grad Celsius. Die Chemiker der Uni Augs­burg er­setzten einen Teil der Zink- daher durch Kupfer­atome, deren Elek­tronen­hülle so gebaut ist, dass das Material bei höheren Tempe­ra­turen und selek­tiver Deuterium filtert. Das bestä­tigten Michael Hirscher und seine Mit­arbeiter am MPI für intel­ligente Systeme und die Forscher am Oak Ridge National Labora­tory in ver­schie­denen Tests. Unter anderem prüften sie bei ver­schie­denen Tempe­ra­turen, in welchen Mengen das Material Deuterium und normalen Wasser­stoff aus einem Gemisch mit gleichen An­teilen der beiden Isotope auf­nimmt. Demnach speichert es bei minus 173 Grad Celsius zwölf Mal mehr Deuterium. „Bei dieser Tempe­ratur lässt sich der Trenn­prozess mit flüs­sigem Stick­stoff kühlen und wird dadurch kosten­günstiger als die Ver­fahren, die nur bei weniger als minus 200 Grad funk­tio­nieren“, sagt Hirscher.

Bei der Interpretation der verschiedenen Messergebnisse halfen die Beiträge der theore­tischen Chemiker um Thomas Heine, der vor kurzem einen Lehr­stuhl an der Uni Leipzig über­nommen hat, nachdem er vorher an der Jacobs Univer­sity Bremen gelehrt hatte. „Mit unseren Berech­nungen konnten wir die ver­schie­denen experi­men­tellen Puzzle­teile zu einem konsis­tenten Gesamt­bild zusam­men­führen“, sagt der Wissen­schaftler. Wie die Analyse der Daten für Deuterium und Wasser­stoff ergab, stimmten die Experi­mente und die Vor­her­sagen der Rech­nungen sehr gut über­ein. Das macht die Theore­tiker zuver­sicht­lich, dass der Teil ihrer Rech­nungen, die sich nicht ein­fach experi­men­tell über­prüfen lassen, genauso aussage­kräftig sind. „Dann stimmen wahr­schein­lich auch unsere Berech­nungen für Tritium, was sich in Experi­menten aber nur unter großen Sicher­heits­vor­keh­rungen über­prüfen lässt“, sagt Heine.

Auch das radioaktive Wasserstoff-Isotop filtert das Material dem­nach sehr effek­tiv aus einem Gemisch der Isotope. Das dürfte auch für eine Anwen­dung interes­sant sein, bei der es nicht darum geht das Isotop zu ge­winnen, sondern los­zu­werden. Denn Wasser aus Kern­kraft­werken ent­hält Tritium. Mit der neuen Metall-orga­nischen Gerüst­ver­bindung ergibt sich viel­leicht eine Mög­lich­keit, diese radio­aktiven Alt­lasten zu besei­tigen. Aller­dings müsste das radio­aktiv ver­seuchte Wasser dafür zunächst elektro­ly­siert werden, um die tritium­haltigen Wasser­moleküle in tritium­haltiges Wasser­stoff­gas umzu­wandeln. Bevor Tritium und Deuterium mit groß­porigen Kristallen in der Praxis aus dem Iso­topen­gemisch des Wasser­stoffs gefil­tert werden kann, müssen die Wissen­schaftler es aller­dings noch weiter­ent­wickeln – nicht zuletzt, damit es noch mehr Gas aufnimmt.

MPI-IS / RK

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