14.12.2022

Ein fokussierter Laser-Pionier

Vor hundert Jahren wurde der russische Physik-Nobelpreisträger Nikolai Gennadijewitsch Bassow geboren.

Als Nikolai G. Bassow 1956 seine Doktorarbeit über einen „Molekularen Oszillator“ einreichte, sorgte sie am Moskauer Lebedev Institut für Aufsehen. Seine fundamentalen Erkenntnisse zur Quanten-Elektronik waren so brillant und unerwartet, dass angesehene externe Gutachter hinzugezogen wurden. Insbesondere hatte er mit seinem Doktorvater Alexander M. Prochorow den ersten Maser gebaut. 1964 erhielten die beiden Russen dafür den Physik-Nobelpreis – zusammen mit dem Amerikaner Charles Townes.

Bassow, geboren am 14. Dezember 1922 in Usman, einer kleinen Stadt nahe Woronesch im Süden Zentralrusslands, war der Sohn eines Professors am Woronesch Forst-Institut. Kaum hatte er die Schule 1941 abgeschlossen, wurde der 19-Jährige eingezogen, denn am 22. Juni war die Sowjetunion nach dem Überfall durch das nationalsozialistische Deutsche Reich in den Zweiten Weltkrieg eingetreten. Er wurde an einer Militärakademie zum Leutnant des Sanitätswesens ausgebildet und 1943 an die Ukrainische Front geschickt. Nach Kriegsende begann er am Moskauer Institut für Technische Physik zu studieren.

Nach seinem Abschluss wurde Bassow 1950 Assistent im Schwingungslaboratorium des Lebedew-Instituts, wo er bereits 1948 bei M. A. Leontovich gearbeitet hatte, und begann nun bei A. M. Prochorow zu promovieren. Im gleichen Jahr heiratete er seine Kommilitonin Ksenia Tichonowna Bassowa, die am Moskauer Instituts für Technische Physik arbeitete. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor.

Im Schwingungslabor gehörte Bassow einer Gruppe junger Physiker an, die auf dem neuen Gebiet der Radiospektroskopie forschte. Ihr Ziel waren rauscharme Verstärker für elektromagnetische Wellen. Prochorow und Bassow erarbeiteten zunächst die theoretischen und experimentellen Grundlagen für den „Quanten“- oder „Molekulargenerator“.

Einer Idee von Einstein aus dem Jahr 1917 folgend, konzipierten sie einen Hohlraumresonator, in dem Atome oder Moleküle zur induzierten Emission angeregt werden. 1954 konstruierten sie das erste Modell eines Masers mit Ammoniak-Molekülen, die durch Mikrowellenstrahlung anregt wurden. Ein Jahr später schlug Bassow das Drei-Niveau-System vor, mit dem sich eine inverse Population der Energieniveaus erreichen lässt. Dieses wurde später für die Konstruktion von Lasern wichtig.

Bereits zwei Jahre nach der Promotion, im Alter von 36 Jahren, wurde Bassow zum stellvertretenden Direktor des Lebedew-Instituts ernannt. Ab 1973 war er Direktor und blieb es bis zum 67. Lebensjahr. Danach übernahm er die Leitung der Abteilung Quantenradiophysik.

Bassow forschte in erster Linie, um neue technische Anwendungen zu ermöglichen. In seinem Nobelvortrag unterschied er zwei Arten, Physik zu betreiben. Die eine strebe theoretische Erkenntnisse an, und neue Prinzipien, die für technische Anwendungen nützlich sind, entstünden lediglich als Nebenprodukt. „Die andere Gruppe hingegen versucht, physikalische Instrumente mit Hilfe neuer physikalischer Prinzipien zu bauen. […] Diese Gruppe betrachtet verschiedene Hypothesen und Theorien als Nebenprodukt ihrer Tätigkeit.“

Bassow gehörte eindeutig zur zweiten Gruppe. Er deklinierte alle Möglichkeiten der induzierten Emission von Strahlung durch. 1957 begann er an optischen Resonatoren zu arbeiten. Ein Jahr später schlug er das Prinzip des Halbleiterlasers vor. 1963 realisierte er einen Injektions-Halbleiter-Laser aus Gallium-Arsenid-Kristallen. Auf dessen Prinzip basieren die heute weit verbreiteten Injektionsdiodenlaser. Er konstruierte Laser, die durch elektrisches, chemisches und optisches Pumpen angeregt wurden. Für diese Arbeiten wurde er mit seiner Gruppe 1964 mit dem Lenin-Preis ausgezeichnet. Anschließend beschäftigte er sich mit dem Bau von leistungsstarken gepulsten Lasern und Multi-Channel-Lasern.

Sein wichtigster Beitrag zur Energiegewinnung war die Idee eines Hybridreaktors, in dem Laser Kernfusionen steuern sollten. „Damals [1962] waren die Laserenergien noch so gering, dass die Idee zunächst unrealistisch erschien“, kommentiert Oleg Krokhin in seinem Nachruf. Doch dank seines Mutes, seiner unerschöpflichen Energie, Hartnäckigkeit und Ausdauer sowie dem Glauben an seine Idee sei Bassow das scheinbar Unmögliche gelungen: 1968 erzeugte er am Lebedew-Institut durch Laserbestrahlung eines Lithium-Deuterium-Targets erstmals ein Neutronen-emittierendes Deuterium-Plasma. Dies war ein starker Anreiz für die weltweite Erforschung der thermonuklearen Laserfusion.

Krohkin beschreibt seinen früheren Chef als einen Menschen, dessen Leben sich um die Wissenschaft drehte, sogar im Urlaub oder wenn er krank war. Er war offen und geradlinig bei der Beurteilung seiner Mitarbeiter, womit er bisweilen aneckte. Manche glaubten, dass er ihre Leistungen unterschätzte, was vermutlich daran lag, dass er Wissensgebiete außerhalb der Laserphysik kaum wahrnahm. Innerhalb seines Fachgebiets förderte er jedoch die Ideen anderer. „Er hatte eine erstaunliche Intuition und war ein großzügiger, fleißiger und freundlicher Mensch. Diese Eigenschaften zogen Wissenschaftler und Studenten an“, so Krohkin. Bassow pflegte viele Freundschaften und führte mit seiner Frau ein gastfreundliches Haus.

Als Chefredakteur der Zeitschrift „Priroda“ setzte sich Bassow für die Popularisierung der Wissenschaft ein. Er gründete die Zeitschriften “Kvantovaya Elektronika” (Quantum Electronics) und das „Soviet Journal of Laser Research“. Außerdem gehörte er dem wissenschaftlichen Beirat von “Il Nuovo Cimento” an, der Zeitschrift der italienischen physikalischen Gesellschaft.

Zu Bassows zahlreichen internationalen Ehrungen zählen neben dem Nobelpreis die Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften der DDR, in die Leopoldina und die Amerikanische Optische Gesellschaft, die Volta-Medaille der Italienischen Physikalischen Gesellschaft und die Lomonossow-Medaille der sowjetischen Akademie der Wissenschaften. Die Sowjetunion erklärte ihn zweimal zum Helden der sozialistischen Arbeit. Er war außerdem Deputierter des Obersten Sowjets der UdSSR, eines Organs, das die Beschlüsse der höchsten Parteiorgane formal zu bestätigen hatte und das 1991 aufgelöst wurde.

Für Bassow war die Wissenschaft etwas Völkerverbindendes, wie er in seiner auf Französisch gehaltenen Banquet-Rede bei der Nobelpreis-Verleihung betonte: „Die Wissenschaft kennt keine Grenzen; Entdeckungen werden in kleinen Ländern ebenso gemacht wie in großen, und diese Entdeckungen, die der Menschheit gehören, dienen ihr als Ganzes. […] Der Physikpreis wurde in diesem Jahr an Wissenschaftler aus zwei Ländern verliehen, der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten von Amerika. Dies wird zweifellos zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ländern und verschiedenen Forschern beitragen und die gegenseitigen Kontakte zwischen den Völkern fördern.“

Nikolai Gennadijewitsch Bassow starb am 1. Juli 2001 in Moskau an Herzversagen. Er hat bis zum letzten Tag am Lebedev-Institut gearbeitet.

Anne Hardy

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