Ein Team von Astronomen unter der Leitung von Olga Cucciati vom italienischen Istituto Nazionale di Astrofisica in Bologna hat mit dem VIMOS-Instrument am Very Large Telescope VLT der Europäischen Südsternwarte ESO einen gigantischen Proto-Superhaufen aus Galaxien identifiziert, der sich bereits 2,3 Milliarden Jahre nach dem Urknall gebildet hat. Diese von den Forschern „Hyperion“ getaufte Struktur ist die bislang größte und massereichste Struktur, die so früh nach der Entstehung des Universums aufgespürt wurde. Die enorme Masse des Proto-Superhaufens wird auf mehr als eine Billiarde Sonnenmassen geschätzt. Hyperion ähnelt den größten Strukturen, die im heutigen Universum beobachtet werden. Die Entdeckung eines so gewaltigen Objekts im frühen Universum ist allerdings eine Überraschung für die Astronomen.
Abb.: Ein internationales Astronomenteam hat mit dem VIMOS-Instrument des Very Large Telescope der ESO eine gewaltige Struktur im frühen Universum entdeckt. (Bild: L. Calçada, ESO / O. Cucciati et al.)
„Es ist das erste Mal, dass eine so große Struktur bei einer derart hohen Rotverschiebung identifiziert wurde“, erklärt Cucciati. „Normalerweise kennt man diese Art von Strukturen bei niedrigeren Rotverschiebungen, also nachdem das Universum viel mehr Zeit hatte, sich zu entwickeln und solch riesige Objekte zu bilden. Es ist eine Überraschung, etwas derart Entwickeltes zu sehen, als das Universum noch relativ jung war!“ Hyperion befindet sich im COSMOS-Feld in der Konstellation Sextans und wurde durch die Analyse der Daten des VIMOS Ultra Deep Survey identifiziert. Diese Durchmusterung stellt eine 3D-Karte der Verteilung von über 10.000 Galaxien im fernen Universum zur Verfügung.
Das Team fand heraus, dass Hyperion eine sehr komplexe Struktur hat, die mindestens sieben Regionen mit hoher Dichte enthält, die durch Filamente von Galaxien verbunden sind. Seine Größe ist vergleichbar mit nahegelegenen Superhaufen, obwohl er eine ganz andere Struktur hat. „Nahe gelegene Superhaufen neigen zu einer viel konzentrierteren Verteilung der Masse, mit deutlichen strukturellen Merkmalen“, erklärt Team-Mitglied Brian Lemaux von der University of California in Davis. „Aber in Hyperion ist die Masse viel gleichmäßiger über eine Reihe von zusammenhängenden Klumpen verteilt, die mit losen Gruppierungen von Galaxien bevölkert.“ Dieser Kontrast ist höchstwahrscheinlich auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Schwerkraft in der Nähe von Superhaufen Milliarden von Jahren Zeit hatte, Materie in dichtere Regionen zu sammeln – ein Prozess, der in dem viel jüngeren Hyperion viel kürzer wirkte.
Angesichts seiner Größe zu einem so frühen Zeitpunkt in der Geschichte des Universums wird erwartet, dass sich Hyperion zu etwas Ähnlichem entwickeln wird wie die riesigen Strukturen im lokalen Universum, wie der Sloan Great Wall oder der Virgo-Superhaufen, der unsere eigene Galaxie, die Milchstraße, enthält. „Hyperion zu verstehen und mit ähnlichen neuen Strukturen zu vergleichen, kann Einblicke geben, wie sich das Universum in der Vergangenheit entwickelt hat und wie es sich in Zukunft entwickeln wird. Das gibt uns die Möglichkeit, einige Modelle der Bildung von Superhaufen zu hinterfragen“, so Cucciati. „Die Entdeckung dieses kosmischen Titanen hilft, die Geschichte dieser großen Strukturen zu entschlüsseln.“
ESO / MPIA / RK