Ein Kristall aus optischen Solitonen
Kompakte Kerr-Frequenzkämme mit verbesserten Eigenschaften.
Optische Frequenzkämme haben die Messung von optischen und UV-Lichtfrequenzen (um 1000 THz) revolutioniert, indem sie diese auf direkte Weise in elektronisch auszählbare Radiofrequenzen (bis etwa 50 GHz) übersetzen. Frequenzkämme weisen eine Vielzahl von scharf umrissenen Frequenzen auf, die wie die Zähne eines Kamms einen einheitlichen Abstand voneinander haben und einen großen Frequenzbereich überdecken. Vor zehn Jahren brachten Tobias Kippenberg und seine Mitarbeiter Frequenzkämme in extrem miniaturisierter Form auf einem Mikrochip unter. Dazu regten sie mit einem kontinuierlich strahlenden Laser Flüstergaleriemoden im kreisförmigen Rand eines Mikroresonators aus Quarzglas an.
Abb.: Ein kontinuierlich strahlender Laser regt über eine Engstelle in einer Glasfaser eine Flüstergaleriemode in einem Mikroresonator an. Die dort entstehende gepulste Strahlung, die einen Frequenzkamm bildet, wird ausgekoppelt und durch die Glasfaser abgeleitet. (Bild: D. C. Cole et al., NPG)
Aufgrund des optisch nichtlinearen Kerr-Effektes entstanden im Resonator aus den Laserphotonen von einheitlicher Frequenz in einer Kaskade zusätzliche Photonen mit vielen weiteren Frequenzen, die einen Frequenzkamm bildeten. Die entsprechende Strahlung bestand aus Lichtpulsen mit einer Pulsfrequenz, die gleich der Frequenzdifferenz zwischen benachbarten Zähnen im Frequenzkamm war. Beim Kerr-Effekt ist der Lichtbrechungsindex eines Materials von der Lichtintensität abhängig. Dadurch können sich Lichtpulse selbst fokussieren und ein durch Dispersion verursachtes Auseinanderlaufen verhindern. Durch stetige Energiezufuhr, die die Dissipation ausgleicht, können so Lichtpulse mit unveränderlichem Intensitätsprofil entstehen. Mit solchen optischen Solitonen lassen sich Informationen übertragen.
Die optischen Solitonen können aber auch zu periodischen Pulsfolgen angeordnet werden und damit ihrerseits Frequenzkämme bilden, die eine größere Intensität und Stabilität haben und möglicherweise ein geringeres Rauschen aufweisen als die Frequenzkämme aus „normalen“ Lichtpulsen. Solche kristallförmigen Folgen von optischen Solitonen haben jetzt Forscher um Daniel Cole vom NIST in Boulder hergestellt und untersucht. Dazu haben sie mit einem kontinuierlich strahlenden Pumplaser, dessen Frequenz abgestimmt werden konnte, über eine Glasfaser Flüstergaleriemoden in einem Mikroresonator erzeugt. Die angeregten Moden wurden wieder über die Glasfaser ausgekoppelt und konnten anschließend spektral untersucht werden. Zudem wurde auch gemessen, wie stark der Laserstrahl durch die Anregung der Resonatormoden abgeschwächt wurde.
Als die Forscher die Laserfrequenz stetig verringerten, nahm die Intensität des durch die Glasfaser übertragenen Laserstrahls kontinuierlich ab. Das Spektrum der ausgekoppelten Resonatormoden zeigte, dass sich zunächst ein Frequenzkamm aus „normalen“ Lichtpulsen gebildet hatte, die periodisch aufeinander folgten. Bei einer kritischen Laserfrequenz setzte chaotisches Verhalten ein und die Lichtpulse folgten aperiodisch aufeinander. Bei einer zweiten kritischen Laserfrequenz kam es zu einem besonderen Resonanzphänomen: Zwei verschiedene Resonatormoden, die unterschiedliche Frequenzkämme hervorriefen, waren zufällig entartet. Aufgrund des Kerr-Effekts wurde die Entartung jedoch aufgehoben und es trat eine deutliche Verstärkung der Intensitäten der Kammfrequenzen auf. Die Lichtpulse wurden zu Solitonen, deren wellenförmige Ausläufer sich konstruktiv überlagerten. Dadurch entstand eine Hintergrundwelle, die die einander anziehenden Solitonen auf Abstand hielt und zu einer regelmäßigen Folge anordnete.
Abb.: Wird die Laserfrequenz stetig verringert, so tritt erst ein herkömmlicher Frequenzkamm auf (oben), dann chaotische Strahlung (Mitte) und schließlich ein solitonischer Frequenzkamm. (Bild: D. C. Cole et al., NPG)
Während die Lichtpulse eines herkömmlichen Frequenzkammes keine Eigenständigkeit aufweisen und zeitlich starr angeordnet sind, verhielten sich die aufeinander folgenden Solitonen individuell wie Atome in einem Kristall. Das zeigte sich als die Forscher die Laserintensität erhöhten. Dadurch verstärkten sich die Schwankungen im chaotischen Zwischenbereich, der der Entstehung eines „Solitonenkristalls“ vorausging, sodass es zu Kristallfehlern kam: Es fehlten beispielsweise einzelne Solitonen oder es gab Überstrukturen durch periodische Modulation des zeitlichen Solitonenabstands.
Durch diese gezielt hervorgerufenen Fehler im Solitonenkristall könnte man eine Vielzahl neuartiger Frequenzkämme erzeugen, bei denen bestimmte Frequenzen mit außergewöhnlich großer Intensität auftreten. Außerdem lassen sich die solitonischen Frequenzkämme wegen der ihnen zugrunde liegenden optischen Nichtlinearität wesentlich effizienter anregen als herkömmliche Frequenzkämme.
Rainer Scharf
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