28.10.2019

Ein Molekül, das Wolken macht

Untersuchungen an Aerosolen zeigen wichtigen Einfluss in früher Phase der Keimbildung.

Laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist der Anstieg der Aerosole und Wolken seit vor­industrieller Zeit eine der größten Unsicherheiten bei der Vorhersage des Klimawandels. Die Tröpfchen, aus denen sich Wolken zusammensetzen, bilden sich um Aerosolpartikel, die entweder direkt emittiert werden oder durch Keimbildung in der Atmosphäre entstehen. Dabei verbinden sich Gasmoleküle zu neuen Partikeln, die wachsen und zu Kondensations­keimen werden können. Wasser­aggregate spielen in den frühen Phasen der Keim­bildung eine Schlüsselrolle.
 

Abb.: Pyridinium-Ionen fördern Keim­bildungs­prozesse in den frühen Phasen...
Abb.: Pyridinium-Ionen fördern Keim­bildungs­prozesse in den frühen Phasen der atmosphärischen Aerosol- und Wolken­bildung und damit die Entstehung von Wolken. (Bild: pixabay.com / sebastian del val)

Wissenschaftler aus Frankreich, Japan und Österreich – unter ihnen Tilmann Märk, Rektor der Universität Innsbruck, der regelmäßig zu Forschungs­aufenthalten an der Universität Lyon weilt – zeigen nun in einem Experiment mit einer neu­entwickelten Apparatur in der dortigen Arbeits­gruppe um Michel Farizon am Institut de Physique des 2 Infinis de Lyon, dass die Verdampfung von einzelnen Wasser­molekülen von der Oberfläche solcher Kondensations­keime in Gegenwart eines Pyridinium-Ions langsamer verläuft. Eine solche hydrophobe Verunreinigung wie Pyridium erleichtert daher das Wachstum von Wasser­aggregaten und damit Keim­bildungs­prozesse in den frühen Phasen der atmosphärischen Aerosol- und Wolkenbildung. 

Die Forscher haben im Labor einzelne Nanotropfen aus Wasser mit einem Pyridinium-Ion dotiert, diese Nanotropfen durch Stöße energetisch angeregt und die Geschwindigkeit von einzelnen verdampfenden Wassermolekülen gemessen. Die dadurch aus vielen Einzel­messungen erhaltene Geschwindigkeits­­verteilung der verdampfenden Wasser­moleküle gibt einen Hinweis auf die Thermalisierung der eingebrachten Energie innerhalb des Nanotropfens, jenen Prozess, über den ein System in ein thermisches Gleichgewicht gelangt. Die Interpretation der Ergebnisse basiert auf statistischen Berechnungen, die in Lyon und Grenoble durchgeführt wurden. „Das Vorhandensein eines Pyridinium-Ions in einem Wasser­aggregat verändert demnach dessen thermodynamische Eigenschaften radikal“, erklärt Tilmann Märk die Resultate. „Als Konsequenz nimmt das Wachstum der dotierten Wasser­aggregate im Vergleich zu reinen Wasser­aggregaten zu.“

Pyridin gelangt durch menschliche Aktivitäten in der Erdatmosphäre. Es entsteht bei der Verbrennung von Biomasse, durch Autoabgase, Teer und Tabakrauch. Seine Lebensdauer in der Atmosphäre wird auf 23 bis 46 Tage geschätzt. „Die Anwesenheit von Pyridin fördert somit die Entstehung von Wasser­nanotropfen, erleichtert und stabilisiert deren Bildung“, fasst Tilmann Märk zusammen. „Pyridin ist in den allerersten Phasen der Bildung von Nanotropfen beteiligt. Wenn der Wassertropfen wächst, wird das Pyridin eventuell wieder freigesetzt. Dann kann das Molekül erneut eingreifen, um einen nächsten Tropfen zu bilden. Pyridin wirkt hier also wie ein Katalysator, und da es nicht in den Aerosolen verbleibt, war seine Rolle bisher unentdeckt geblieben.“ Mit der extrem genauen Beobachtung und Vermessung der Genese sehr kleiner Wasser­tropfen im Nanometer­bereich haben die Forscher also gezeigt, wie Veränderungen auf globaler Ebene erklärt werden können. So wollen sie dazu beitragen, unser Verständnis von den Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf Wolken und damit auf das Klima zu erweitern.

U. Innsbruck / DE
 

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