07.07.2017

Ein Monitoring-System für natürliche Radionuklide

Messungen erlauben Rückschlüsse auf geologische Beschaf­fen­heit geo­ther­mischer Reser­voire.

Ein System zur Messung von Radon und anderen natürlichen Radio­nukliden haben Forscher der Gesell­schaft für Anlagen- und Reaktor­sicher­heit GRS ent­wickelt. Mit dem Moni­toring­system lassen sich erst­malig Messungen in heißen Thermal­wässern durch­führen, die für die Produk­tion von Wärme und Strom durch Tiefen­geo­thermie genutzt werden. Im Geo­thermie­kraft­werk Bruchsal konnte jetzt eine mehr­monatige Test­phase erfolg­reich abge­schlossen werden. Die Daten, die mit dem Moni­toring­system gewonnen werden, erlauben genauere Auf­schlüsse über die geo­lo­gischen Eigen­schaften und das Ver­halten des geo­ther­mischen Reser­voirs in rund 2500 Metern Tiefe. Ein besseres Ver­ständnis dieser Eigen­schaften kann dazu beitragen, Geo­thermie­kraft­werke sicherer und wirt­schaft­licher zu betreiben.

Abb.: Geothermiekraftwerk Bruchsal. (Bild: ENBW)

Einzigartig ist das neue System bereits wegen der Bedingungen, unter denen gemessen wird: Bei einer Tempe­ratur von etwa 120 Grad Celsius und einem Druck von rund zwanzig Bar wird mit zwei unter­schied­lichen Detek­toren kurz hinter der Förder­bohrung konti­nuier­lich die Konzen­tra­tion des natür­lichen radio­aktiven Edel­gases Radon-222 im Thermal­wasser ermittelt. Mess­systeme, die unter derart extremen Bedin­gungen zuver­lässig arbeiten, sind bislang kommer­ziell nicht ver­füg­bar.

Durch die Messung unmittelbar an der Bohrung wollen die Forscher möglichst unver­fälschte Daten über den Radon­gehalt gewinnen, den das Thermal­wasser im tiefen Unter­grund auf­weist. „Bei dem Weg durch die Anlage verändern sich der Druck und die Tempe­ratur des Wassers. Das führt dann zu che­mischen und physi­ka­lischen Pro­zessen, die seine ursprüng­lichen Eigen­schaften ver­ändern“, erklärt Sebastian Feige von der GRS. Bei der Messung machen sich die Forscher eine Besonder­heit des Kraft­werks Bruchsal zunutze: die Gas­brücke. Durch einen Bypass werden die im Thermal­wasser enthal­tenen Gas­blasen um die Anlage herum und zurück in den tiefen Unter­grund geleitet. Dadurch vermeiden die Betreiber Verluste bei der Wärme­über­gabe an das Kraft­werk. Zudem lässt sich so die Druck­haltung in der Anlage besser kontrol­lieren und die Bildung von Ab­lage­rungen ver­meiden.

Um mehr darüber zu erfahren, wie das geothermische Reservoir in einigen Tausend Metern Tiefe beschaffen ist, gehen Feige und seine Kollegen noch einen Schritt weiter. Durch eine spektro­sko­pische Analyse wird an drei weiteren Mess­stellen ermittelt, mit welchen Mengen­anteilen weitere natür­liche radio­aktive Stoffe zur Gesamt­akti­vität bei­tragen. Dieses Ver­fahren beruht darauf, dass die von jedem dieser Stoffe ausge­sendete Gamma­strahlung eine spezi­fische Energie auf­weist. „Aus den Mengen­ver­hält­nissen dieser natür­lichen Radio­nuklide können wir zum Beispiel auf die Größe des Reser­voirs und die Durch­lässig­keit des Gesteins schließen“, so Feige. Ergän­zend und als Kontroll­größe für die spektro­sko­pische Messung wird außer­dem mit einem sepa­raten Gerät eine Gesamt­impuls­messung vorge­nommen. Deren Ergeb­nisse ermög­lichen zwar keine Diffe­ren­zie­rung nach einzelnen Radio­nukliden, die zugrunde­liegende Technik ist aber leicht zu bedienen und kann damit einfach in das Anlagen­monito­ring inte­griert werden. Die mit den neuen Monito­ring­systemen erho­benen Daten sind für die Fach­leute der GRS über eine Internet­anbin­dung in Echt­zeit ver­fügbar.

Die Kenntnisse, die sich aus der Zusammensetzung der natürlichen Radio­nuklide im Thermal­wasser über das Verhalten und die Geologie des Reser­voirs gewinnen lassen, erlauben auch Rück­schlüsse über die Bildung von Scales. Darunter werden krusten­artige Abla­ge­rungen von Mine­ralen in Rohr­leitungen an verschie­denen Stellen der Anlage verstanden. Die Scales ent­halten auch einen Teil der mit dem Thermal­wasser geför­derten natür­lichen Radio­nuklide, beispiels­weise bestimmte Radium- und Blei-Isotope. Wegen dieser Stoffe müssen Betreiber von Geo­thermie­kraft­werken – ebenso wie andere Industrie­zweige auch – die Vor­schriften des Strahlen­schutz­rechts beachten. „Betrieb­liche Anwei­sungen können sicher­stellen, dass bei Wartungs­arbeiten oder beim Aus­bau von Kompo­nenten der Strahlen­schutz der Beschäf­tigten beachtet wird. Außer­dem müssen Rück­stände wie Scales in Deutsch­land auch so ent­sorgt werden, dass unzu­lässige Strahlen­belas­tungen der Bevöl­kerung ausge­schlossen sind“, so Feige. Ein besseres Ver­ständnis der Prozesse, die zur Ent­stehung solcher Rück­stände führen, ist daher von Vorteil für die Betreiber, etwa um Maß­nahmen zur Redu­zierung von Scales zu planen.

Mit der Untersuchung des Thermalwassers in der Anlage wollen sich die Projekt­partner aber noch nicht begnügen. Als nächsten Schritt haben sie die Gewinnung von Proben in einer Tiefe von rund 2500 Metern geplant. Spezielle Behälter machen es mög­lich, den dort herr­schenden Umge­bungs­druck von etwa 250 Bar auch an der Erd­ober­fläche zu halten. Damit sollen mög­liche Verän­de­rungen der che­mischen Zusam­men­setzung des Wassers so weit wie mög­lich ver­mieden werden. In den Laboren der GRS in Braun­schweig und des Geo­wissen­schaft­lichen Zentrums in Göttingen sollen die Proben dann ein­gehend unter­sucht werden und Ein­blicke in das che­mische Inven­tar des geo­ther­mischen Systems geben. Die Forscher der GRS stellen dabei die Eignung von Messsen­sorik im zu erwar­tenden Tempe­ratur- und Druck­bereich in den Vorder­grund. Das Ziel ist, die Qualität der Eingangs­daten für geo­chemische Model­lie­rungen und das Ver­ständ­nis der zugrunde­lie­genden Pro­zesse zu ver­bessern. Das Projekt wird voraus­sicht­lich im Frühjahr 2018 abge­schlossen.

GRS / RK

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