Ein Monitoring-System für natürliche Radionuklide
Messungen erlauben Rückschlüsse auf geologische Beschaffenheit geothermischer Reservoire.
Ein System zur Messung von Radon und anderen natürlichen Radionukliden haben Forscher der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit GRS entwickelt. Mit dem Monitoringsystem lassen sich erstmalig Messungen in heißen Thermalwässern durchführen, die für die Produktion von Wärme und Strom durch Tiefengeothermie genutzt werden. Im Geothermiekraftwerk Bruchsal konnte jetzt eine mehrmonatige Testphase erfolgreich abgeschlossen werden. Die Daten, die mit dem Monitoringsystem gewonnen werden, erlauben genauere Aufschlüsse über die geologischen Eigenschaften und das Verhalten des geothermischen Reservoirs in rund 2500 Metern Tiefe. Ein besseres Verständnis dieser Eigenschaften kann dazu beitragen, Geothermiekraftwerke sicherer und wirtschaftlicher zu betreiben.
Abb.: Geothermiekraftwerk Bruchsal. (Bild: ENBW)
Einzigartig ist das neue System bereits wegen der Bedingungen, unter denen gemessen wird: Bei einer Temperatur von etwa 120 Grad Celsius und einem Druck von rund zwanzig Bar wird mit zwei unterschiedlichen Detektoren kurz hinter der Förderbohrung kontinuierlich die Konzentration des natürlichen radioaktiven Edelgases Radon-222 im Thermalwasser ermittelt. Messsysteme, die unter derart extremen Bedingungen zuverlässig arbeiten, sind bislang kommerziell nicht verfügbar.
Durch die Messung unmittelbar an der Bohrung wollen die Forscher möglichst unverfälschte Daten über den Radongehalt gewinnen, den das Thermalwasser im tiefen Untergrund aufweist. „Bei dem Weg durch die Anlage verändern sich der Druck und die Temperatur des Wassers. Das führt dann zu chemischen und physikalischen Prozessen, die seine ursprünglichen Eigenschaften verändern“, erklärt Sebastian Feige von der GRS. Bei der Messung machen sich die Forscher eine Besonderheit des Kraftwerks Bruchsal zunutze: die Gasbrücke. Durch einen Bypass werden die im Thermalwasser enthaltenen Gasblasen um die Anlage herum und zurück in den tiefen Untergrund geleitet. Dadurch vermeiden die Betreiber Verluste bei der Wärmeübergabe an das Kraftwerk. Zudem lässt sich so die Druckhaltung in der Anlage besser kontrollieren und die Bildung von Ablagerungen vermeiden.
Um mehr darüber zu erfahren, wie das geothermische Reservoir in einigen Tausend Metern Tiefe beschaffen ist, gehen Feige und seine Kollegen noch einen Schritt weiter. Durch eine spektroskopische Analyse wird an drei weiteren Messstellen ermittelt, mit welchen Mengenanteilen weitere natürliche radioaktive Stoffe zur Gesamtaktivität beitragen. Dieses Verfahren beruht darauf, dass die von jedem dieser Stoffe ausgesendete Gammastrahlung eine spezifische Energie aufweist. „Aus den Mengenverhältnissen dieser natürlichen Radionuklide können wir zum Beispiel auf die Größe des Reservoirs und die Durchlässigkeit des Gesteins schließen“, so Feige. Ergänzend und als Kontrollgröße für die spektroskopische Messung wird außerdem mit einem separaten Gerät eine Gesamtimpulsmessung vorgenommen. Deren Ergebnisse ermöglichen zwar keine Differenzierung nach einzelnen Radionukliden, die zugrundeliegende Technik ist aber leicht zu bedienen und kann damit einfach in das Anlagenmonitoring integriert werden. Die mit den neuen Monitoringsystemen erhobenen Daten sind für die Fachleute der GRS über eine Internetanbindung in Echtzeit verfügbar.
Die Kenntnisse, die sich aus der Zusammensetzung der natürlichen Radionuklide im Thermalwasser über das Verhalten und die Geologie des Reservoirs gewinnen lassen, erlauben auch Rückschlüsse über die Bildung von Scales. Darunter werden krustenartige Ablagerungen von Mineralen in Rohrleitungen an verschiedenen Stellen der Anlage verstanden. Die Scales enthalten auch einen Teil der mit dem Thermalwasser geförderten natürlichen Radionuklide, beispielsweise bestimmte Radium- und Blei-
Mit der Untersuchung des Thermalwassers in der Anlage wollen sich die Projektpartner aber noch nicht begnügen. Als nächsten Schritt haben sie die Gewinnung von Proben in einer Tiefe von rund 2500 Metern geplant. Spezielle Behälter machen es möglich, den dort herrschenden Umgebungsdruck von etwa 250 Bar auch an der Erdoberfläche zu halten. Damit sollen mögliche Veränderungen der chemischen Zusammensetzung des Wassers so weit wie möglich vermieden werden. In den Laboren der GRS in Braunschweig und des Geowissenschaftlichen Zentrums in Göttingen sollen die Proben dann eingehend untersucht werden und Einblicke in das chemische Inventar des geothermischen Systems geben. Die Forscher der GRS stellen dabei die Eignung von Messsensorik im zu erwartenden Temperatur- und Druckbereich in den Vordergrund. Das Ziel ist, die Qualität der Eingangsdaten für geochemische Modellierungen und das Verständnis der zugrundeliegenden Prozesse zu verbessern. Das Projekt wird voraussichtlich im Frühjahr 2018 abgeschlossen.
GRS / RK