Ein neuer Schritt in Richtung Quantencomputer
Bochumer Physikern ist es zusammen mit Kollegen aus Dortmund, St. Petersburg und Washington gelungen, den Elektronenspin auszurichten, zum kontrollierten "Torkeln" zu bringen und auszulesen
Die Eigendrehung der Elektronen - der "Spin" - liegt in der heutigen Elektronik noch brach. Könnte man ihn als Informationsträger nutzen, würde sich die Rechenleistung elektronischer Bauteile schlagartig vervielfachen. Bochumer Physikern ist es zusammen mit Kollegen aus Dortmund, St. Petersburg und Washington jetzt gelungen, den Elektronenspin auszurichten, zum kontrollierten "Torkeln" zu bringen und auszulesen. Mittels optischer Impulse konnten sie die Spins der Elektronen auch jederzeit beliebig neu ausrichten.
Abb.: Die Diagramme zeigen das "Torkeln" der Spins (Amplitude der Schwingung, nach oben aufgetragen) nach einem Ausrichtungs-Laserpuls in Abhängigkeit der Zeit. Eine Schwingungsperiode entspricht einem vollen "Torkel"-Umlauf. Wie zu erwarten, nimmt die Stärke (Amplitude) mit der Zeit bei allen roten Kurven ab. Nach 1,2 Nanosekunden (ns) wird ein Laser-Kontrollpuls eingestrahlt, der die Ausrichtung der Spins schlagartig verändert, was man an der Phase der blauen und schließlich grünen Kurve sehen kann: Sie ist genau in Gegenphase zur schwarzen unteren Kurve, die ohne Kontrollpuls aufgenommen wurde. Zusätzlich schaukelt sich dieses Torkeln in Gegenphase bei 2,4 ns auf, sodass das Signal dann besonders groß wird, was die Auslesung erheblich erleichtert. (Bild: RUB/A. Greilich et. al.)
"Das ist der erste, wichtige Schritt zu einer Adressierung dieser 'quanten bits', die in künftigen Datenübertragungssystemen und Rechnern Einzug halten werden", freut sich Andreas Wieck. Die Forscher berichten in NATURE Physics.
Die gesamte heutige Elektronik gründet sich auf elektrische Ladung: Wenn eine Speicherzelle (Bit) elektrische Ladung enthält, entspricht dies logisch "1", ist keine Ladung enthalten, entspricht dies logisch "0". Aber Elektronen enthalten nicht nur Ladung - sie drehen sich auch wie ein Kreisel um die eigene Achse und erzeugen so ein Magnetfeld, ähnlich dem der Erde. Durch das Anlegen eines äußeren Magnetfelds kann man dieses Kreiseln beschleunigen oder verlangsamen, den "Kreisel" zum Torkeln bringen und seine Achse in fast beliebige Winkel kippen. Wenn man diese vielfältigen Möglichkeiten als Informationsträger nutzt, kann man mit einem Elektron sehr viel mehr Information als nur "0" und "1" speichern. Darüber hinaus können benachbarte Elektronen, da sie wie zwei Pinwand-Magnete Kräfte aufeinander ausüben, in verschiedene Konfigurationen gebracht werden, was die Datenspeicherung und -verarbeitung noch komplexer gestalten kann. Solche so genannten Quantenbits ("qubits") können schon in geringer Anzahl von nur einigen zig qubits anstelle einiger Millionen Bits sehr komplexe Rechenvorgänge ausführen.
Natürlich ergibt ein einzelnes Elektron nur wenig messbare Wirkung. Dadurch sind Einzel-Elektronenmessungen nur mit höchstempfindlichen Instrumenten unter großen Schwierigkeiten durchführbar. Eine Spezialität des internationalen Forscherteams ist es daher, rund eine Million Elektronen in jeweils fast genau gleiche Indium-Arsenid-Inseln ("Quantendots") einzusperren und ihre Wirkung zu addieren. Diese "ensemble"-Messungen ergeben um sechs Größenordnungen stärkere Signale, die einfach aufzuzeichnen und sehr robust sind. "Entgegen den Vorurteilen vieler internationaler Konkurrenten verhalten sich dabei alle beteiligten Elektronenspins genau gleich und die mikroskopischen Effekte können daher sehr einfach gemessen werden", so Wieck.
In der Studie ist es nun gelungen, diese Elektronenspins nicht nur auszurichten, sondern auch optisch mit einem Laserpuls zu beliebigen Zeitpunkten in eine gewünschte Richtung zu drehen und diese Richtung mit einem weiteren Laserpuls auszulesen. Dies ist der erste wichtige Schritt, um qubits zu "adressieren" und zu beeinflussen. "Das Interessante ist dabei, dass diese Elektronen in Festkörper eingeschlossen sind, man also nicht wie z.B. bei der Quantenoptik aufwändige Höchstvakuumtechnik und allseitigen Lichteinschluss braucht, um sie dauerhaft in einem Bauelement halten zu können", unterstreicht Wieck. Das Höchstvakuum wird nur einmal bei der Herstellung der Quantendots in Bochum benötigt, danach ist das Halbleitersystem gegen Lufteinfluss versiegelt, langlebig und zuverlässig wie alle heute schon verwendeten Transistoren und Speicherzellen.
Ruhr-Universität Bochum
Weitere Infos:
- Originalveröffentlichung:
A. Greilich, Sophia E. Economou, S. Spatzek, D. R. Yakovlev, D. Reuter, A. D. Wieck, T. L. Reinecke & M. Bayer: Ultrafast optical rotations of electron spins in quantum dots. NATURE Physics, 22.3.2009
http://dx.doi.org/10.1038/NPHYS1226
AL