15.10.2015

Ein-Photon-Quantenkryptographie

Optimierte Quantenpunkt-Mikrolinse bringt einzelne Photonen per Knopfdruck auf den Weg.

Sicherheit in der Datenübertragung ist nicht erst seit dem NSA-Skandal ein wichtiges Thema. Dabei steht der Wunsch nach Schnelligkeit zum Wunsch nach hoher Sicherheit in einem gewissen Widerspruch. Besonders bei der Übertragung sensibler Daten, beispielsweise von Banken oder im Politikbereich, muss die Sicherheit allerdings im Vordergrund stehen. Diese hohe Sicherheit ist eine der wissenschaftlichen Aufgaben des Sonder­forschungs­bereichs SFB 787 „Halbleiter-Nanophotonik“, dessen Sprecher­hochschule die TU Berlin ist. Beteiligt sind auch die Mathematiker und Matheon-Mitglieder Frank Schmidt, Sven Burger und Benjamin Wohlfeil vom Zuse-Institut Berlin.

Abb.: Schematische Darstellung der Einzelphotonenquelle auf Basis einer Quantenpunkt-Mikrolinse (Bild: privat)

Daten werden in der Regel in Glasfasern mit Lichtimpulsen übermittelt. Die normale Übertragung geschieht mit 1 und 0, wobei die „Eins“ Milliarden von Photonen in Form eines Lichtpulses beträgt, die Null dagegen kein Licht sendet. Diese Übertragung birgt die Gefahr, dass beispielsweise von den vielen Milliarden Lichtteilchen 10.000 heraus gezogen werden, um die Information abzuhören. Dies würde beim Empfänger überhaupt nicht auffallen. „Man kann als Empfänger nicht unterscheiden, ob die gesamte Information angekommen ist oder ein Teil abgehört wurde“, erklärt Stephan Reitzenstein, Sprecher des Sonder­forschungs­bereichs und Professor am Institut für Physik der TU Berlin.

In der Quantenkommunikation will man daher mit einzelnen Photonen arbeiten. Das bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass im Falle eines Abhör­versuches auch nur dieses einzelne Photon aus der Übermittlung herausgenommen werden kann. Dann kann aber auch keine Nachricht beim Empfänger mehr ankommen und so wird der Abhörversuch offensichtlich. Hinzu kommt, dass durch einen Abhör­versuch der Zustand des Photons unwiderruflich verändert wird und daher nicht wieder in die Datenübertragung eingefügt werden kann. „Man hat damit das System derart gestört, dass auch das Kopieren auffallen würde“, so Reitzenstein. Mit der Quanten­kommunikation könnte man das Abhören also rein theoretisch vollkommen unmöglich zu machen, zumindest aber auf ein Minimum beschränken.

Tatsächlich gibt es derzeit schon Systeme zu kaufen, die auf dieser Basis arbeiten. Im Forschungs­projekt wird jedoch mit Lichtquellen gearbeitet und geforscht, die derzeit noch nicht auf dem Markt zu erwerben sind. Die erhältlichen Systeme bedienen sich normaler Laser mit einer Ausgangsleitung von etwa einem Milliwatt. Dann wird diese Leistung mittels Abschwächern soweit minimiert, dass im Mittel ein Photon aus dem System heraus kommt. Das Problem ist jedoch hierbei, dass durch die notwendige starke Abschwächung bei vielen Impulsen gar kein Photon oder auch pro Impuls mehr als ein Photon entsteht. Die Möglichkeit eines Versagens der aktuellen Systeme ist also relativ groß und somit sind diese Systeme noch sehr langsam und vergleichsweise unsicher.

Konkret bedeutet dies, dass es kommerziell noch nicht möglich ist, auf Knopfdruck einzelne Lichtquellen so zu aktivieren, dass sie tatsächlich immer und ausschließlich ein einzelnes Photon aussenden. „Diesen Vorgang kann man sich in etwa wie die Benutzung einer Pistole vorzustellen, wo jeweils ein Photon abgeschossen wird. Genau hier ist der Ansatz des Forschungsprojekts“, so Stephan Reitzenstein.

Die Berliner Forscher arbeiten mit Quantenpunkten auf einem kleinen Halb­leiter­objekt mit einer Ausdehnung von 10 bis 20 Nanometern. Wird dieser Quantenpunkt angeregt, wird ein Elektron gespeichert mit einem Loch als Gegenstück. Nach einer gewissen Zeit vereinigen sich diese beiden entgegengesetzt geladenen Teilchen und senden ein Photon aus. Allerdings formen sich solche Quantenpunkte bei der Herstellung zufällig auf der Oberfläche des Halb­leiter­materials. Man weiß also nicht zuverlässig, wo der Quantenpunkt sitzt. Dies führt in der Regel zu einer beliebig schlechten Ausbeute. Im Sonder­forschungs­bereich hat man daher eine Methode entwickelt, mit der man sicher den Quantenpunkt lokalisieren kann, um diesen als Einzelphotonen-Quelle gezielt in eine Mikrolinse einzubetten.

Hier kommen Frank Schmidt, Sven Burger und Benjamin Wohlfeil ins Spiel. Die Mathematiker rechnen den optischen Teil der Quantenphysik. „Wir hatten eine gegebene Lichtquelle und eine gegebene Konfiguration als Vorgabe. Nun mussten wir die Frage klären, wie die optimale Form, Größe oder Höhe der Linse, also die finale Optik auszusehen hat. Es geht dabei letztlich um die Optimierung der Linse, also ein klassisches Optimierungs­problem“, so Schmidt. Ein weiteres Problem für die Mathematiker war es, den Stromfluss durch das nötige Trägermetall zu gewährleisten und dann zu berechnen, wie viel Licht schließlich aus der Linse kommt. Das ist nicht ganz einfach, weil Metall auch Licht absorbiert. „Alles zu lösende Voraussetzungen, um aus dem physikalischen Effekt ein handels- und herstell­bares Design zu machen“, ergänzt Benjamin Wohlfeil. Schließlich konnten die Mathematiker den Anteil des austretenden Lichts in ihren Rechnungen von etwa einem Prozent auf über 60 Prozent erhöhen.

Die entwickelte Mikrolinse unterscheidet sich kaum von einer normalen Linse, allerdings wird die Linse im umgekehrten Sinne angewendet. Der Brennpunkt ist die einzelne Photonen­quelle und die Linse gibt dieses Photon dann effizient in die Umgebung, also den Kommunikations­kanal ab. Ohne eine solche Linse würde nur ungefähr jedes hundertste Photon nach außen gelangen.

Gleichzeitig werden beim Fertigungs­prozess der Linse alle anderen störenden Quantenpunkte entfernt, so dass der einzig effektive Quantenpunkt in der Linse sitzt. Voraussetzung für diesen Vorgang ist ein ausgeklügeltes in-situ-Lithographie­verfahren, welches in den vergangen vier Jahren in der Gruppe von Reitzenstein entwickelt wurde. Mit dieser Methode kann man also voll kontrolliert jeweils eine optimale Linse mit integriertem Quantenpunkt herstellen. Wobei das Material identisch ist, aus dem sowohl der Quantenpunkt wie auch die Linse entstanden sind. Das ist bisher weltweit einmalig, denn die Prozessausbeute liegt mit dieser Methode bei etwa 90 Prozent im Gegensatz zu allen anderen weltweit betriebenen Methoden, deren Ausbeute bei lediglich einem Prozent liegt.

Noch ist die Entwicklung aber nicht so weit, diesen Vorgang in fertige Geräte einzubauen. Behindert wird dies besonders dadurch, dass für den Betrieb extrem niedrige Temperaturen von weniger als -240 Grad Celsius benötigt werden. Das Problem der Kühlung zu lösen wird Aufgabe für die nächsten Jahre sein. Eine weitere Aufgabe wird es sein, von der bisherigen Emissions­wellen­länge von 900 Nanometern auf die in der Tele­kommunikation üblichen 1300 Nanometer zu kommen und die Quellen direkt an eine Glasfaser anzukoppeln. Wenn diese Herausforderungen gemeistert sind, sollte einer solchen kommerziellen Einzel­photonen­quelle nichts mehr im Wege stehen.

Schließlich besteht noch das Problem der zu geringen Reichweite dieser Quanten-Datenübertragung, da diese Form der Kommunikation eine Verstärkung der Signale grundsätzlich nicht zulässt. In allen gängigen Glasfaserkabeln werden die Daten jeweils nach wenigen Dutzend Kilometern immer wieder verstärkt, um eine möglichst große Reichweite zu erreichen. In der Quantenkommunikation muss hingegen auf die Teleportation zurückgegriffen werden. Hier ist der Einsatz der Mathematik ebenso gefragt wie bei der Aufgabe, die Übertragung schneller zu machen.

Dass diese Aufgabe in den nächsten vier Jahren und damit dem Ende des Sonder­forschungs­bereichs aufgrund der Höchstdauer von zwölf Jahren erfüllt werden kann, glaubt Reitzenstein nicht. „Dieses zuletzt genannte Problem könnten Aufgabe eines neuen Sonder­forschungs­bereichs sein. Allerdings sehen wir da einer großen Konkurrenz vor allem aus China entgegen, wo in diese Forschung gerade zwei- bis dreistellige Millionen­beträge investiert werden“, so der Physiker.

Matheon / DE

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