11.09.2015

Ein piezoelektronischer Transistor

Schaltraten von mehreren Gigahertz möglich – bei geringerem Stromverbrauch.

Mit filigranen Strukturen unter zehn Nanometern schrumpfen Transistoren weiterhin und können extrem dicht in leistungsfähigen Prozessoren ange­ordnet werden. Doch die auf Silizium basierenden CMOS-Schaltkreise be­nötigen Schaltspannungen von knapp einem Volt. Mit weniger als zwanzig Watt Leistung kommt kaum ein Chip aus. Um in Zukunft den Stromverbrauch weiter senken zu können, suchen Chip-Entwickler nach radikal neuen Schalt­prozessen. Ein möglicher Kandidat ist ein piezoelektronischer Tran­sis­tor, kurz PET, der sich trotz hoher Taktraten mit deutlich geringeren Spannungen schalten lässt.

Abb.: Prototyp und Aufbau-Schema eines piezoelektronischen Transistors, der mit geringen Schaltspannungen von bis zu zweihundert Millivolt auskommt.(Bild: IBM)

Erste PET-Prototypen entwickelte eine britisch-amerikanische Forscher­gruppe um Glenn Martyna vom IBM Watson Research Center in Yorktown Heights. Ihnen gelang es, piezoelektrische Elemente in der Größenordnung von weniger als einem Mikrometer zu einer Transistor-ähnlichen Struktur anzuordnen. Einen piezoelektrischen Kondensator aus den Metalloxiden Bleimanganniobat und Bleititanat setzten sie zwischen zwei Elektroden. Über dieses Schaltelement positionierten sie einen Piezowiderstand, der bei­spiels­weise aus Samariumselenid bestand.

Dieser Aufbau erlaubt ein ausgeklügeltes Schaltverhalten. Ein Spannungs­puls lädt den Piezokondensator auf, der sich dadurch über den piezo­elek­trischen Effekt ein wenig ausdehnt. Dadurch wird der darüber liegende Piezowiderstand zusammengedrückt. Dank des Drucks in der Größen­ordnung von bis zu hundert Megapascal verändert er seine elektrischen Eigenschaften und wandelt sich vom Isolator zum elektrischen Leiter. Die Folge: Ein elektrischer Strom kann zwischen angelegten Elektroden fließen. Wie bei einem herkömmlichen Transistor kann mit einem kleinen Steuer­strompuls ein größerer Stromfluss gesteuert werden.

Der Vorteil des Prinzips liegt in den geringen Spannungen. So reichen Spannungspulse von weniger als zweihundert Millivolt aus, um den Piezo­kondensator genügend auszudehnen. Für das On-Off-Verhältnis erreichten die Forscher hohe Werte von etwa 1:10.000. Durch die schnelle Reaktion der piezoelektrischen Materialien sind prinzipiell Schaltraten von einigen Giga­hertz möglich, also in der gleichen Größenordnung wie heutige CMOS- Prozessoren.

Ausgehend von den ersten praktischen Erfahrungen simulierten Glenn Martyna und Kollegen PET-Module für verschiedene elektronische Anwen­dungen. Dafür entwarfen sie verschiedene Transistor-Architekturen mit Strukturen in der Größenordnung zwischen drei und einigen hundert Nano­metern. Für hoch integrierte Schaltkreise wie etwa in Prozessoren könnten die PETs mit geringen Spannungen von 115 Millivolt mit einer Frequenz von acht Gigahertz geschaltet werden. Größere Strukturen, wie etwa für einen Antennen-Umschalter, könnten mit zweihundert Millvolt-Pulsen Schaltraten von immerhin zwei Gigahertz erreichen. Interessant wären die piezo­elektronischen Transistoren auch für die weitere Entwicklung von Leistungselektronik.

Von einer Marktreife ist dieses Transistorkonzept heute aber noch weit ent­fernt. Nach ersten Prototypen müssten weitere Module entwickelt werden, die die viel versprechenden Simulationen bestätigen könnten. Danach stünde die langwierige Entwicklung von schnellen und möglichst günstigen Produktions­pro­zessen an. Dabei könnten die bereits gewonnenen Erfahrungen mit ausgeklügelten Lithographie-Verfahren der CMOS-Technologie einfließen. Sollten alle diese Hürden überwunden werden, lockt eine sparsame Schalt­technik, mit der der globale Strombedarf für Elektronik sinken oder bei zunehmender Verbreitung elektronischer Datenverarbeitung zumindest konstant bleiben könnte.

Jan Oliver Löfken

RK

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