19.02.2014

Ein Pulsar als Leuchtturm

Junger Pulsar erzeugt 37 Lichtjahre langen Röntgenjet senkrecht zu seiner Bewegungsrichtung.

Ein internationales Team von Astrophysikern hat ein einzigartiges System in unserer Milchstraße entdeckt. Das beobachtete Himmelsobjekt stößt einen außergewöhnlichen Jet hochenergetischer Teilchen aus der längste derartige Röntgenjet, der bisher in unserer Milchstraße entdeckt wurde. Die Energiequelle innerhalb des Systems IGR J11014-6103 ist ein Pulsar, der vor 10.000 bis 20.000 Jahren in einer Supernova-Explosion entstand. Seither entfernt sich der Pulsar sehr schnell von den Trümmern der Explosion, die als Wolke heißen Plasmas an der Stelle des explodierten Sterns zurückbleiben und den Namen MSH 11-61A tragen.

Abb.: IGR J11014-6103 im Röntgenlicht, aufgenommen mit dem Chandra-Satellitenteleskop (Bild: L. Pavan, ISDC)

Das Himmelsobjekt war ursprünglich von dem ESA-Satelliten INTEGRAL entdeckt worden, umfangreiche Nachfolgebeobachtungen wurden nun mit dem Chandra-Röntgenobservatorium der NASA und dem australischen CSIRO-Radioteleskoparray ATCA durchgeführt. Die neuen Röntgen- und Radiodaten bestätigen die hohe Geschwindigkeit des Pulsars von mehr als 1000 Kilometern pro Sekunde und seine Verbindung mit dem Supernova-Überrest MSH 11-61A. „Das an sich ist schon interessant: Wir können einen sich mit Überschallgeschwindigkeit bewegenden Pulsar untersuchen, der eine Spur ausgeworfener Teilchen nach sich zieht, einen sogenannten Pulsarwindnebel“, erklärt Gerd Pühlhofer von der Hochenergie-Astrophysikgruppe der Universität Tübingen, einer der Autoren der Veröffentlichung. „Dieser bildet bei solchen Hochgeschwindigkeitssystemen einen wundervollen, kometenartigen Schweif, der im Röntgen- und Radiolicht leuchtet.“

Die wirklich erstaunliche Eigenschaft des beobachteten Systems ist aber ein weiterer langer, stark gebündelter Jet aus Teilchen, der sich fast rechtwinklig zur Bewegungsrichtung des Pulsars ausbreitet. Dieser Jet wird durch das Röntgenleuchten hochenergetischer Teilchen sichtbar, die sich mit etwa achtzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit vom Pulsar wegbewegen. Mit einer Länge von 37 Lichtjahren etwa die zehnfache Entfernung zwischen unserer Sonne und ihrem nächsten Nachbarstern ist dies der längste Röntgenjet in unserer Milchstraße.

Der Jet ist derart außergewöhnlich, dass sich die Forscher fragten, ob es sich wirklich um ein Jet handelte, der von dem Pulsarsystem ausgeht. „Wir mussten ausschließen, dass der Pulsar und das, was wie sein Jet aussieht, nicht nur rein zufällig in Projektion am Himmel an derselben Stelle erscheinen, sich in Wirklichkeit aber in völlig unterschiedlichen Entfernungen entlang der Sichtlinie befinden“, erläutert Lucia Pavan von der Universität Genf, die Erstautorin des Artikels. „Oder dass der Pulsar nur auf ein bereits vorhandenes Gebilde gestoßen ist, das durch den Pulsarwind angeleuchtet wird.“ Doch die Modulation des Jets schließt diese Alternativen aus: Sie zeigt, dass während sich der Stern fortbewegt die Drehachse des Neutronensterns mit einem Muster wackelt, das sich „freie Präzession“ nennt, ähnlich der Bewegung eines Kreisels. Da der Jet – wenn er mit einem isolierten Pulsar wie IGR J11014-6103 verbunden ist – sich in Richtung der Drehachse des Pulsars ausbreiten muss, erklärt sich damit auf einfache Weise das Aussehen des Jets.

Jetzt wollen die Wissenschaftler herausfinden, was diesen Pulsar so speziell macht, dass er einen Jet mit solch einer Stärke aussendet. „Sowohl Theorie als auch Beobachtungen sagen uns, dass die Drehachse eines Neutronensterns normalerweise in Bewegungsrichtung des Pulsars zeigen sollte“, sagt Mitautor Pol Bordas von der Universität Tübingen. „Offensichtlich ist das hier nicht der Fall. Dies und die extreme Geschwindigkeit des Pulsars sind möglicherweise der Schlüssel dazu, warum der Jet so hell ist.“

Die Wissenschaftler müssen aber nicht nur klären, wie der Jet genau entsteht: „Die Drehachse des Neutronensterns steht eindeutig senkrecht zur Bewegungsrichtung des Pulsars. Das ist ein wirklich außergewöhnlicher Umstand“, erläutert Gerd Pühlhofer. Die Ursache dafür müsse in den Bedingungen zu finden sein, die bei der Erzeugung des Neutronensterns herrschten. Der „Leuchtturmnebel“, wie die Autoren das System wegen seiner Erscheinung im Röntgenlicht auch nennen, gibt also auch Anhaltspunkte über die Natur des Supernova-Ereignisses, in dem sowohl der Pulsar in IGR J11014-6103 als auch der Supernova-Überrest MSH 11-61A erzeugt wurden. „Aktuelle Erklärungen für das, was wir sehen, sind ziemlich exotisch. In früheren Arbeiten wurde ein extrem schnell rotierender Eisenkern kurz vor der Explosion des Vor-Supernovasterns als Ursache für einen Hochgeschwindigkeitspulsar mit verkippter Drehachse vorgeschlagen, aber das Modell scheint nicht allgemein akzeptiert zu sein.“ Ein anderes mögliches Szenario sei eine spezielle Supernova, die es aber nicht ganz zu einer extremen Explosion mit einem sogenannten Gamma-Ray-Burst geschafft habe.

U. Tübingen / DE

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