20.06.2025

Ein Reallabor für Geothermie

Neue Einrichtung soll den Untergrund zwischen Aachen und Düren, Jülich und Stolberg geophysikalisch charakterisieren und in der Tiefe erkunden.

Neue Optionen für eine zuverlässige, zukunftsfeste und nachhaltige Wärmeversorgung im Rheinischen Revier möchte das neue Reallabor der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geotechnologien öffnen. Es wird Kommunen und Wirtschaft den Zugang zu geothermalem Knowhow ermöglichen. Das Reallabor macht einen ersten Schritt im Strukturwandel vom Kohle- zum Wärmebergbau und damit zu neuer Wertschöpfung. Aus den Mitteln des Kohleausstieges fördern Bund und Land NRW das Projekt der Fraunhofer-IEG mit zusammen etwa 52 Millionen Euro.

Abb.: Geologische Modelle ermöglichen das Potenzial im Rheinischen Revier...
Abb.: Geologische Modelle ermöglichen das Potenzial im Rheinischen Revier abzuschätzen.
Quelle: F. Wellmann, Fraunhofer-IEG

Weitere Nachrichten zum Thema

Photo
Photo
Photo
Photo

„Mit dem Kohleausstieg gilt es gleichermaßen neue Wärmequellen für Kommunen und Industrie zu erschließen, als auch den Strukturwandel in den Kohleregionen zu gestalten“, sagt Rolf Bracke, Leiter des Fraunhofer-IEG. „Mit dem Reallabor schaffen wir beides. Wir öffnen einen Maker-Space für die regionale Wirtschaft, eine offene Werkstatt mit dem Ziel, Unternehmen moderne Verfahren der geothermalen Energiegewinnung an die Hand zu geben.“

Tiefengeothermie nutzt heißes Wasser aus der Tiefe, um etwa Fernwärme und Prozesswärme bereitzustellen. Von klimafreundlicher Energie aus warmwasserführenden Schichten können viele Anwendungen profitieren, etwa kommunale Wärmenetze, Gewächshäuser oder die Chemieindustrie, aber auch Betriebe der Zucker- und Nahrungsmittelherstellung, der Holz- und Papierverarbeitung sowie die Metall-, Zement- und Bauindustrie. In den Metropolen München und Paris tragen schon heute Geothermie-Heizwerke effizient und sicher zur kommunalen Wärmeversorgung bei, in den Niederlanden und Belgien versorgen sie Fernwärmesysteme und Gewächshäuser mit Prozesswärme.

Die Erdwärme steht ganzjährig und verlässlich zur Verfügung, sie ist nachhaltig, bezahlbar und wetterunabhängig, krisensicher, importunabhängig und nahezu unerschöpflich. Auch hat sie den geringsten Flächenbedarf unter den erneuerbaren Technologien. Diese Wärmequelle gilt es auch für Nordrhein-Westfalen und andere europäische Regionen zu entwickeln. Dank dieser Vorzüge kann Geothermie ein Baustein zur kostengünstigen Wärmeversorgung, Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzsicherheit werden.

Das „Reallabor Geothermie Rheinland“ zielt darauf, eine große Forschungsinfrastruktur für Geothermie zu schaffen, die europaweit einmalig ist. Dazu ist geplant, einerseits den Untergrund zwischen Aachen und Düren, Jülich und Stolberg in den nächsten vier Jahren großflächig geophysikalisch zu charakterisieren und andererseits mit zwei Bohrungen in der Tiefe zu erkunden. Zudem baut die Fraunhofer-IEG als zugehörige obertägige Infrastruktur in Weisweiler ein Technikum als Forschungszentrum für Georessourcen und Dekarbonisierung.

Für ein besseres Verständnis der geologischen Situation im tiefen Untergrund möchte die Fraunhofer-IEG unter anderem das südliche Rheinland mehrere Kilometer tief mit Schallwellen erkunden, ähnlich dem Echolot aus der Seefahrt oder dem Ultraschall in der Medizin. Dazu bringt das Reallabor im Bereich zwischen dem Aachener Autobahnkreuz und Düren für kurze Zeit Messwagen und empfindliche Mikrofone in einer seismischen Exploration zum Einsatz und testet auch neue Erkundungsmethoden für die speziellen tiefen Untergrundverhältnisse in ehemaligen Kohleregionen.

Die Daten dieser bildgebenden Verfahren verknüpft es mit jenen aus tiefen Erkundungsbohrungen. Diese sollen die warmwasserführenden Gesteinsschichten in mehreren Kilometern Tiefe für wissenschaftliche Untersuchungen erschließen und wertvolle Informationen etwa über Gesteinsarten, Porosität, Wasserdurchlässigkeit und natürliche Wasservorkommen liefern.

Für das Land Nordrhein-Westfalen ist das Projekt ein wichtiger Schritt im Rahmen der Umsetzung des Masterplans Geothermie. Das Reallabor kann entscheidend zum Hochlauf der Geothermie in NRW beitragen. Die seismischen Messungen und Tiefbohrungen liefern wichtige Grundlagendaten für anschließende Projekte durch Wärmeversorger, Projektentwickler und Kommunen. Die Erkenntnisse zu den geologischen Verhältnissen und zur Umsetzung von geothermischen Projekten werden in Form von Leitfäden und Workshops verfügbar gemacht. Bei positiven Erkundungsergebnissen besteht für die Menschen, Kommunen und Unternehmen in der Region in einigen Jahren die Möglichkeit einer kostengünstigen und regionalen Wärmequelle – der Erdwärme.

Als Bestandteil des Reallabors entsteht am Standort des Braunkohlekraftwerks Weisweiler ein Technikum als Forschungszentrum für angewandte Georessourcen und Dekarbonisierung. Dort laufen dann alle gesammelten Informationen zum Untergrund zusammen. Bereits heute ist in Weisweiler ein Teil des geplanten geophysikalischen Observatoriums in Betrieb, welches die natürliche Seismizität des Untergrunds im südlichen Rheinland wissenschaftlich beobachtet. Das Technikum dient auch als Entwicklungsplattform für Geotechnologien zur klimafreundlichen Energieversorgung.

Die Forschungsthemen sollen Aspekte der Anlagentechnik zur Dekarbonisierung von Industrie und Kommunen sein: von Aggregaten zur geothermalen Strom-, Wärme- und Kälteerzeugung, über die Nutzung des Untergrunds als Energiespeicher bis hin zu CO2-armen Betriebsstrategien. So entstehen für den flächendeckenden Einsatz marktgerechte, skalierbare und einfach auf neue Standorte übertragbare Technologien.

Die Fraunhofer-IEG will zusammen mit ihren Partnern aus Forschung und Industrie so Innovationen in die europäischen Strukturwandelregionen bringen und die Transformation vom Kohle- zum Wärmebergbau ermöglichen. Die neue Forschungsinfrastruktur steht für weitere Partner der Wissenschaft und auch den Akteuren der Wirtschaft und Kommunen zur Verfügung. Neben der Entwicklung neuer Technologien soll sie perspektivisch auch der Aus- und Weiterbildung von dringend benötigten Fachkräften im Bereich der geothermischen Energiesysteme dienen.

Fh.-IEG / RK

Anbieter des Monats

Dr. Eberl MBE-Komponenten GmbH

Dr. Eberl MBE-Komponenten GmbH

Das Unternehmen wurde 1989 von Dr. Karl Eberl als Spin-off des Walter-Schottky-Instituts der Technischen Universität München gegründet und hat seinen Sitz in Weil der Stadt bei Stuttgart.

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen