22.02.2023 • BiophysikBeschleuniger

Ein Rekorder für das Synchrotron

Neue Probenumgebung für die European Synchrotron Radiation Facility vereinfacht die Analyse von Proteinstrukturen.

Eine Forschungsgruppe um Manfred Rößle von der TH Lübeck hat eine neue Probenumgebung für die European Synchrotron Radiation Facility entwickelt, dem größten Elektronen­synchrotron Europas. Künftig können Nutzer des Strahlgangs ID29 am ESRF das „Blotting Tapedrive“ der TH Lübeck nutzen, um schnapp­schuss­artige Filme von Protein­strukturen zu gewinnen.

Abb.: Die ESRF ist nicht nur ein Wahr­zeichen für die Wissen­schaft, sondern...
Abb.: Die ESRF ist nicht nur ein Wahr­zeichen für die Wissen­schaft, sondern auch ein lokales Wahr­zeichen Grenobles. Mit einem Umfang von 844 Metern ist der Speicher­ring auch von den drei um­liegenden Berg­ketten Belledonne, Chartreuse und Vercors aus sichtbar. (Bild: D. Morel, ESRF)

„Ausgangspunkt für unser Experiment ist die serielle Kristallo­graphie“, sagt Mia Lahey-Rudolph, die die Untersuchung leitete. „Mit dieser struktur­biologischen Methode kann die atomare Struktur von Proteinen untersucht werden.“ Die hochauf­lösende Protein­struktur kann Forschern etwas über die Funktions­weise dieser Biomoleküle verraten. Das liefert nicht nur neue Einblicke in die Biologie, sondern kann zum Beispiel auch die Grundlage für die Entwicklung maßge­schneiderter Medikamente bilden.

Ein wichtiges Werkzeug zur Analyse der atomaren Struktur von Proteinen ist die Röntgen­kristallo­graphie, bei der ein Protein­kristall mit einem hellen Röntgenstrahl durch­leuchtet wird. Der Kristall beugt das Röntgenlicht auf charakte­ristische Weise und erzeugt damit ein Diffraktions­bild. Sind alle Blickwinkel des Kristalls aufgenommen lässt sich hieraus in atomarer Auflösung die innere Struktur des Kristalls und die drei­dimensionale Faltung des Proteins berechnen. Für die meisten Biomoleküle ist es allerdings ein unnatür­licher Zustand, in einen Kristall gezwängt zu werden. Je kleiner ein Kristall ist, desto intensiver muss das Röntgenlicht sein, um brauchbare Diffraktions­bilder zu erzeugen.

„Ein weiterer Knackpunkt bei diesen Unter­suchungen ist es, wie die Proben mit den Mikro­kristallen zur Strahlenquelle gelangen“, schildert Lahey-Rudolph. Zusammen mit Suna Precision konstruierten die Forscher der TH Lübeck ein Gerät, das an einen Kassetten­rekorder erinnert, das „Blotting Tapedrive“. Bei diesem Tapedrive bleibt ein perforiertes Polymerband in ständiger Bewegung und wird dabei laufend mit frischen Mikro­kristallen beschickt, während ein zweites Band die Lösungs­flüssig­keit vor der Röntgen­wechsel­wirkungs­zone abstreift, sodass quasi nackte Kristalle bestrahlt werden.

„Unser Ziel ist es, zeitauf­ge­löste Struktur­änderungen, die durch Licht­akti­vierung, Liganden­mischung oder pH-Sprünge in den kristal­li­sierten Proteinen induziert werden, sehr schnell und mit einem hohen Signal-Rausch-Verhältnis zu untersuchen", so Lahey-Rudolph. Als Strahlungs­quelle dient den Wissen­schaftlern die ESRF. In dem Ring­be­schleuniger werden Elektronen auf relativistische Geschwindig­keiten beschleunigt und senden dann Röntgen­strahlung aus.

TH Lübeck / RK

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