Ein Rekorder für das Synchrotron
Neue Probenumgebung für die European Synchrotron Radiation Facility vereinfacht die Analyse von Proteinstrukturen.
Eine Forschungsgruppe um Manfred Rößle von der TH Lübeck hat eine neue Probenumgebung für die European Synchrotron Radiation Facility entwickelt, dem größten Elektronensynchrotron Europas. Künftig können Nutzer des Strahlgangs ID29 am ESRF das „Blotting Tapedrive“ der TH Lübeck nutzen, um schnappschussartige Filme von Proteinstrukturen zu gewinnen.
„Ausgangspunkt für unser Experiment ist die serielle Kristallographie“, sagt Mia Lahey-Rudolph, die die Untersuchung leitete. „Mit dieser strukturbiologischen Methode kann die atomare Struktur von Proteinen untersucht werden.“ Die hochauflösende Proteinstruktur kann Forschern etwas über die Funktionsweise dieser Biomoleküle verraten. Das liefert nicht nur neue Einblicke in die Biologie, sondern kann zum Beispiel auch die Grundlage für die Entwicklung maßgeschneiderter Medikamente bilden.
Ein wichtiges Werkzeug zur Analyse der atomaren Struktur von Proteinen ist die Röntgenkristallographie, bei der ein Proteinkristall mit einem hellen Röntgenstrahl durchleuchtet wird. Der Kristall beugt das Röntgenlicht auf charakteristische Weise und erzeugt damit ein Diffraktionsbild. Sind alle Blickwinkel des Kristalls aufgenommen lässt sich hieraus in atomarer Auflösung die innere Struktur des Kristalls und die dreidimensionale Faltung des Proteins berechnen. Für die meisten Biomoleküle ist es allerdings ein unnatürlicher Zustand, in einen Kristall gezwängt zu werden. Je kleiner ein Kristall ist, desto intensiver muss das Röntgenlicht sein, um brauchbare Diffraktionsbilder zu erzeugen.
„Ein weiterer Knackpunkt bei diesen Untersuchungen ist es, wie die Proben mit den Mikrokristallen zur Strahlenquelle gelangen“, schildert Lahey-Rudolph. Zusammen mit Suna Precision konstruierten die Forscher der TH Lübeck ein Gerät, das an einen Kassettenrekorder erinnert, das „Blotting Tapedrive“. Bei diesem Tapedrive bleibt ein perforiertes Polymerband in ständiger Bewegung und wird dabei laufend mit frischen Mikrokristallen beschickt, während ein zweites Band die Lösungsflüssigkeit vor der Röntgenwechselwirkungszone abstreift, sodass quasi nackte Kristalle bestrahlt werden.
„Unser Ziel ist es, zeitaufgelöste Strukturänderungen, die durch Lichtaktivierung, Ligandenmischung oder pH-Sprünge in den kristallisierten Proteinen induziert werden, sehr schnell und mit einem hohen Signal-Rausch-Verhältnis zu untersuchen", so Lahey-Rudolph. Als Strahlungsquelle dient den Wissenschaftlern die ESRF. In dem Ringbeschleuniger werden Elektronen auf relativistische Geschwindigkeiten beschleunigt und senden dann Röntgenstrahlung aus.
TH Lübeck / RK
Weitere Infos
- Labor für Kernphysik/Strahlenschutz (M. Rößle), FB Angewandte Naturwissenschaften, Technische Hochschule Lübeck
- ESRF – European Synchrotron Radiation Facility, Grenoble, Frankreich