Ein sich wiederholender Radiostrahlungs-Ausbruch aus einer Spiralgalaxie
Bisherige Annahmen über den Ursprung der rätselhaften Ereignisse müssen überprüft werden.
Das Radioteleskop Effelsberg ist an der Untersuchung eines sich wiederholenden schnellen Radiostrahlungsausbruchs (fast radio burst, FRB) beteiligt, mit dem es möglich wurde, den Ursprung des Ausbruchs in einer Spiralgalaxie zu lokalisieren. Entscheidend für den Erfolg waren die Empfindlichkeit des Teleskops wie auch sein flexibles Pulsar-Analyseinstrument, mit dem eine schnelle Lokalisierung der Radioposition möglich wurde. Dieser FRB hat den bisher geringsten Abstand zur Erde und wurde in einer Umgebung aufgespürt, die sich deutlich von denen bei vorhergehenden FRBs unterscheidet. Damit müssen die Forscher ihre bisherigen Annahmen über den Ursprung dieser rätselhaften extragalaktischen Ereignisse überprüfen.
Der Ursprung der extrem kurzen heftigen Radiostrahlungsausbrüchen ist eines der großen Rätsel in der aktuellen astronomischen Forschung. Obwohl sie nur für Millisekunden sichtbar sind, hat man inzwischen Hunderte dieser rätselhaften Quellen beobachtet. Doch lediglich für vier bisher gefundene FRBs ist auch eine genauere Position am Himmel bekannt und deren wahrscheinlicher Ursprung lokalisiert. Im Jahr 2016 wurde bei einer dieser vier Quellen beobachtet, dass sich die Radiostrahlungsausbrüche wiederholen: Sie kommen in nicht vorhersagbarer Weise aus der gleichen Region am Himmel. Seither unterscheiden die Forscher zwischen FRBs mit lediglich einem beobachteten Radiostrahlungsausbruch („non-repeating”) und solchen, für die gleich mehrere dieser Ausbrüche beobachtet werden konnten („repeating”).
„Die wiederholten Ausbrüche, die wir beim ersten identifizierten Repeater beobachten konnten, kommen aus sehr speziellen und extremen Bedingungen im Inneren einer massearmen Zwerggalaxie”, sagt Benito Marcote vom Joint Institute for VLBI ERIC. „Diese Entdeckung markierte das erste Fundstück in einem Puzzle, aber sie warf auch neue Fragen auf, wie zum Beispiel nach dem fundamentalen Unterschied zwischen Repeatern und Non-Repeatern. Jetzt haben wir eine zweite Quelle dieser wiederholten Radiostrahlungsausbrüche lokalisiert und können unsere vorherigen Annahmen über den Ursprung dieser Ausbrüche überprüfen.”
Am 19. Juni 2019 haben acht Radioteleskope im Rahmen des Europäischen VLBI-Netzwerks gleichzeitig eine Radioquelle beobachtet, die unter der Bezeichnung FRB 180916.J0158+65 bekannt ist. Die Quelle war ursprünglich im Jahr 2018 mit dem CHIME-Radioteleskop in Kanada entdeckt worden. Mit dem EVN konnten die Wissenschaftler eine Messung mit sehr hoher Winkelauflösung in Richtung von FRB 180916.J0158+65 durchführen. Während der fünf Stunden dauernden Beobachtung entdeckten die Forscher vier Strahlungsausbrüche, die jeweils weniger als zwei Millisekunden lang dauerten. Die erreichte Auflösung mit der Verbindung von Radioteleskopen über die ganze Erde hinweg bedeutete, dass die Position des Strahlungsausbruchs in der Galaxie auf eine Region von lediglich sieben Lichtjahren Ausdehnung festgelegt werden konnte.
Das Radioteleskop Effelsberg spielte gleich in zweierlei Hinsicht eine entscheidende Rolle bei der Durchführung dieser Beobachtungen. Zum einen wurde mit den flexiblen Pulsar-Instrumenten am Teleskop Daten für eine sehr schnelle Identifikation der Radiostrahlungsausbrüche gewonnen, die als Input für die hochaufgelösten Radiobeobachtungen wichtig waren. Zum anderen war die große Sammelfläche und damit Empfindlichkeit dieses Teleskops unverzichtbar für die koordinierten Interferometrie-Beobachtungen sehr schwacher Quellen wie diesem FRB.
Mit der präzisen Position der Radioquelle wurde es nun möglich, optische Beobachtungen dieses Bereichs am Himmel bei hoher Auflösung mit einem der größten optischen Teleskope der Erde, dem Gemini-Nord-Teleskop auf dem Mauna Kea in Hawaii, durchzuführen. Die genaue Radioposition zeigt, dass die Strahlungsausbrüche aus einer Spiralgalaxie mit der Bezeichnung SDSS J015800.28+654253.0 kommen, die ungefähr eine halbe Milliarde Lichtjahre von der Erde entfernt liegt. Genauer gesagt kommen die Ausbrüche aus einer Region innerhalb dieser Galaxie, in der starke Sternentstehungsaktivität stattfindet.
„Die ermittelte Position in der Galaxie ist deutlich anders als bei dem vorher bereits identifizierten Repeater, sie unterscheidet sich aber auch von allen anderen bisher untersuchten FRBs”, erklärt Kenzie Nimmo, von der Universität Amsterdam. „Die Unterschiede zwischen Repeatern und Non-Repeatern werden damit weniger eindeutig und wir nehmen an, dass diese Ereignisse nicht an einen bestimmten Typ von Galaxie oder Umgebung innerhalb einer Galaxie gebunden sind. Es mag durchaus sein, dass FRBs in einer großen Vielfalt von Umgebungen im Universum auftreten und dass es spezielle Bedingungen braucht, um sie nachweisbar zu machen.”
„Mit den vorliegenden Ergebnissen wird es zunehmend unwahrscheinlich, dass die sich wiederholenden FRBs auf sehr starke Signale von Radiopulsaren zurückzuführen sind”, sagt Ramesh Karuppusamy vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. „Wir sind an der Schwelle, mit neuen noch empfindlicheren Radioteleskopen weitere FRBs zu lokalisieren und damit schließlich die wahre Natur dieser Quellen herauszufinden.”
Während die aktuelle Untersuchung Zweifel an vorherigen Annahmen über FRBs weckt, ist es auf jeden Fall der FRB mit dem geringsten Abstand zur Erde, der bisher lokalisiert werden konnte. Dadurch wird eine sehr detaillierte Untersuchung dieses Phänomens möglich. „Wir hoffen, dass die Fortsetzung unserer Untersuchungen schließlich die Bedingungen für die Entstehung solch rätselhafter Radioastrahlungsausbrüche aufzeigt. Unser Ziel ist es, weitere FRBs genau zu lokalisieren und letztendlich auch ihren Ursprung verstehen zu können”, sagt Jason Hessels, vom Niederländischen Institut für Radioastronomie ASTRON.
MPIfR / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung:
'B. Marcote et al.: A repeating fast radio burst source localized to a nearby spiral galaxy, Nature, online 6. Januar 2020; DOI: 10.1038/s41586-019-1866-z - Joint Institute for VLBI ERIC, Dwingeloo, Niederlande
- Netherlands Institute for Radio Astronomy ASTRON, Dwingeloo, Niederlande
- Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn