Ein Uhrmacher unter Strom
Im neuen Rätsel von Physik in unserer Zeit geht es um den Sohn eines armen Schuhmachers, der sich unter Physikern einen Namen macnte. Wir verlosen drei Buchpreise.
Die wichtigste Quelle über sein Leben ist ein Nachruf aus der Feder seines Sohnes. Die Herausgeber publizieren ihn nur mit einer Warnung: Auch wenn der Lebensbericht „aufgrund der Voreingenommenheit des Sohnes in warme Farben getaucht“ sei, tue er dem Vater Unrecht. In Wirklichkeit sei der nämlich ein gestandener Wissenschaftler gewesen, der aber „in einigen Fällen die Ergebnisse seiner Forschung in einer Form veröffentlicht habe, die allgemeiner Anerkennung wenig zuträglich“ gewesen sei.
Tatsächlich berichtet der Sohn schonungslos über seinen Vater, der harten Verhältnissen entstammt, als Sohn eines armen Schuhmachers. Schon mit zehn Jahren habe der Papa entdeckt, was ihn wirklich fasziniert: Maschinchen und Mechaniken. So kommt er in eine Uhrmacherlehre und arbeitet danach einige Jahre als Uhrmacher und -händler, bis seine Schwiegermutter 1815 stirbt und ihm ein bescheidenes Vermögen hinterlässt. Das ermöglicht es ihm, als Privatgelehrter zu forschen. „Schon zuvor hatte er permanent gelesen, geschrieben und diktiert“, notiert sein Sohn leicht genervt. „Er las, während er aß oder spazierte und lauschte sogar am Abend seiner Frau, die ihm vorlas, während er an seiner Bank arbeitete.“
Als der Vater mit 31 Jahren sein Geschäft aufgibt, holt er die versäumte Bildung nach und geht mit seiner ungeheuren Neugier und Energie offenbar seinem Sohn gehörig auf den Keks: Zur Unterhaltung der Familie schreibt er ein Melodram, für den Sohn verfasst er eine lateinische Grammatik. Aus didaktischen Gründen tut er dies auf Englisch, was der Vater mit einer komplexen Lerntheorie und einer eigenhändig zusammengeschraubten Theorie des Gehirns begründet.
Bald beginnt der Sohn mit Elektrizität zu experimentieren, denn das ist der letzte Schrei bei den Physiologen seiner Zeit. So kommt der Ex-Uhrmacher zur Physik. Mit 40 Jahren kauft er eine gebrauchte Reibungselektrisiermaschine und beginnt mit Leydener Flaschen, Voltaischen Elementen und Galvanometern Strom und Spannung bei Gewitter und am heimischen Küchentisch zu messen. Darüber beginnt er sogar mit der französischen Akademie der Wissenschaften zu korrespondieren.
Mit dem exakten Blick und der geschulten Hand des Miniatur-Mechanikers gelingen ihm zahlreiche Entdeckungen in Physik und Meteorologie – so viele, dass die Wichtigste in den Nachrufen der Zeitgenossen fast untergeht: Die Erkenntnis, dass sich am Übergang zweier unterschiedlicher Metalle bei Stromfluss eine Temperaturdifferenz ausbildet. Dieser Effekt trägt heute den Namen des Gesuchten und ist zum Beispiel zur Kühlung von rauschenden Halbleiterkameras eminent wichtig geworden.
Andreas Loos, Berlin
Wer war der Uhrmacher unter Strom? Schreiben Sie die Lösung auf eine Postkarte an: Physik in unserer Zeit, Wiley-VCH, Boschstraße 12, 69469 Weinheim, oder per Email an: thomas@buehrke.com. Absender bitte nicht vergessen! Einsendeschluss ist der 15.12.2016. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Wir verlosen drei Exemplare des Buches Der Urknall und andere Katastrophen von Wiebke Salzmann.