11.03.2016

Ein universelles Spin-Modell

Einfache Spin-Modelle können sämt­liche Phäno­mene der klassi­schen Physik repro­duzieren.

Spin-Systeme modellieren die Wechsel­wirkungen zwischen den Teil­chen, aus denen ein Stoff besteht, in einer sehr verein­fachten Weise. In der einfach­sten Variante kann jeder Spin nur in einem von zwei möglichen Zuständen sein, entweder aufwärts oder abwärts gerichtet. Die Wechsel­wirkung zwischen benach­barten Teil­chen führt dazu, dass sie sich entweder parallel oder entgegen­gesetzt aus­richten. Dieses Modell ist nach dem Physiker Ernst Ising benannt, der es 1924 in seiner Doktor­arbeit unter­suchte.

Abb.: Uni­ver­selle Modelle ent­halten sämt­liche Spin-Modelle, so wie weißes Licht alle Farben ent­hält. (Bild: C. Hacken­berger, MPQ)

Gemma De las Cuevas vom MPI für Quanten­optik und Toby Cubitt vom Uni­versity College London haben jetzt erst­mals gezeigt, dass einfache Spin-Modelle sämt­liche Phänomene der klassischen Physik repro­duzieren können. Ihre theore­tischen Unter­suchungen bauen auf Pionier­arbeiten aus den 1980er Jahren auf, die an der Schnitt­stelle von theore­tischer Computer­wissen­schaft und theore­tischer Physik erfolgten. Danach sind extrem einfache Computer universell: Sie können im Prinzip alles berechnen, was über­haupt berechnet werden kann. Die neuen Resultate demon­strieren, dass etwas analoges auch in der Physik auftritt.

„Modelle in unter­schiedlichen Dimen­sionen oder mit unter­schied­lichen Symmetrien weisen ein sehr unter­schied­liches physika­lisches Verhalten auf. Unsere Unter­suchungen zeigen, dass alle diese Unter­schiede verschwinden, wenn man Modelle mit variablen Kopplungs­stärken betrachtet, da sie alle äqui­valent zu uni­ver­sellen Modellen sind“, sagt De las Cuevas. Frühere Arbeiten von De las Cuevas und anderen hatten bereits gezeigt, dass in Bezug auf thermo­dynamische Eigen­schaften in kompli­zierteren Modellen Ähnliches passiert. Wie die neue Arbeit zeigt, gilt dieses Ergebnis für die gesamte klassische Physik und für viel einfachere Modelle. Indem die zu Grunde liegende Physik mit der Komplexitäts­theorie verbunden wird erklären die Ergebnisse auch, woher die Uni­ver­salität kommt, und sie defi­nieren genau, welche Modelle uni­versell sind und welche nicht.

„Einen Computer­wissen­schaftler werden diese Ergebnisse vielleicht nicht über­raschen, weil er mit der Vorstellung vertraut ist, dass uni­verselle Computer prinzi­piell alles simu­lieren können, sogar andere Computer“, sagt Cubitt. Das Auf­tauchen eines ähnlichen Phänomens in der Physik sei aller­dings über­raschend. „Es handelt sich dabei keines­wegs um das gut bekannte Phänomen der Uni­ver­salität in der statis­tischen Physik. Uni­ver­salität erklärt hier, warum sich verschiedene mikro­skopische Modelle gleich benehmen. Unsere uni­ver­sellen Modelle sind gewisser­maßen sogar das Gegen­teil: Sie können ganz unter­schiedliche Eigen­schaften, sogar jede prinzi­piell mögliche, annehmen.“
Spin-Modelle werden nicht nur in der Physik verwendet. Sie model­lieren vielmehr viele andere komplexe Systeme, wie neuronale Netz­werke, Proteine oder soziale Netz­werke. All diese Systeme kann man verein­facht mit Hilfe von Objekten – Neuronen, Amino­säuren oder Personen – beschreiben, die mitein­ander verbunden sind und sich gegen­seitig beein­flussen. Die neuen Ergebnisse könnten es also ermög­lichen, auch für diese Systeme ein tieferes Verständnis zu entwickeln.

MPQ / RK

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