01.06.2010

Ein unverzichtbares Werkzeug

Das e-print-Archiv arXiv muss als offenes und schnelles Kommunikationsmedium erhalten und weiter gestärkt werden.


Physik Journal – Das e-print-Archiv arXiv muss als offenes und schnelles Kommunikationsmedium erhalten und weiter gestärkt werden.

In den Tagen von Max Planck und Albert Einstein dienten Briefe und per Post verschickte Entwürfe von Fachartikeln dem raschen wissenschaftlichen Informationsaustausch. Später, in den 60er- bis 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts, lagen die aktuellsten Ergebnisse der Physik als Preprints (Vorabdrucke), die zu Tausenden versandt wurden, in den großen Bibliotheken in Regalen aus. Paul Ginsparg läutete im August 1991 am Los Alamos Labor ein neues Zeitalter der Kommunikation unter Wissenschaftlern ein: Sein digitales Archiv von elektronischen Preprints „xxx.lanl.org“ (jetzt arXiv.org) erlaubt es Autoren, ihre neuesten Ergebnisse im Web zu veröffentlichen und sie so in kürzester Zeit der Allgemeinheit bekannt zu machen. In der Regel schicken die Autoren ihre Artikel nach wie vor auch an traditionelle Zeitschriften mit Peer Review, mit außergewöhnlichen Ausnahmen: So hat der Mathematiker Grisha Perelman 2003 seinen Beweis der 100 Jahre alten Poincaré-Vermutung nur auf arXiv publiziert.

   

Dank der raschen Veröffentlichung meist innerhalb von 24 Stunden und des offenen und kostenlosen Zugangs hat arXiv den wissenschaftlichen Austausch revolutioniert und einen wesentlichen Beitrag zur „Demokratisierung des Informationsaustausches“ geliefert. Ursprünglich nur für die Teilchenphysik eingeführt, hat sich das Konzept bewährt, sodass es auf acht weitere Teilgebiete der Physik, aber auch auf Mathematik, „computer science“ oder „quantitative biology“ ausgedehnt wurde. Zurzeit enthält arXiv mehr als 580 000 e-prints von 101 000 korrespondierenden Autoren. Allein 2009 wurden mehr als 60 000 Artikel akzeptiert, und 400 000 Nutzer haben mehr als 30 Millionen Mal Artikel vollständig heruntergeladen. Damit nimmt arXiv unter allen Online-Archiven weltweit Platz 1 ein. Kurz: Für viele Wissenschaftler ist arXiv inzwischen schlichtweg unentbehrlich.

Seit 2001, als Paul Ginsparg nach Cornell wechselte, betreibt und finanziert die Cornell Universität arXiv. Die Universitätsbibliothek ist für Betrieb und Wartung verantwortlich und das „Computing and Information Science Program“ für die Forschung in Zusammenhang mit dem Archiv. Ein internationales „Advisory Board“ berät arXiv, wobei die einzelnen Fachgebiete ihre eigenen „Advisory Committees“ haben. 400 000 Dollar kostet der Betrieb jährlich, wobei 80 Prozent davon für Personal sind, der Rest für Rechner, Netzwerk und Betrieb. Somit ergeben sich Kosten von etwa sieben Dollar für jeden akzeptierten oder alternativ von 1,4 Cent für jeden herunter geladenen Artikel.

Die Universitätsbibliothek von Cornell fühlt sich verpflichtet, auch in Zukunft arXiv allen Nutzern und Autoren kostenfrei zugänglich zu machen. Anfang des Jahres hat sie allerdings mitgeteilt, dass sie die Kosten auf Dauer nicht alleine tragen kann: So sollen die Institutionen mit den größten Nutzerzahlen in diesem und den nächsten beiden Jahren sukzessive 25, 50 bzw. 75 Prozent des Budgets beitragen. Ab 2013 sollen 85 Prozent der dann auf 500 000 Dollar geschätzten Kosten eingeworben werden.

Welche Bedeutung arXiv für die Physik und Naturwissenschaften in Deutschland hat, zeigen folgende Zahlen: Betrachtet man nur die Downloads von Institutionen aus, so kamen im vergangenen Jahr 12,5 Prozent davon aus Deutschland; mit 3,10 Prozent war die Max-Planck-Gesellschaft weltweit der größte Nutzer, gefolgt von CERN (1,83 %) und auf Platz 6 DESY (1,45 %). Aber auch 26 deutsche Universitäten sind unter den 200 Hauptnutzern.

MPG und DESY haben Cornell bereits ihre Unterstützung zugesagt. Nun gilt es, einen Weg für die deutschen Universitäten zu finden. Das könnte zunächst über einen Antrag an die DFG geschehen, dessen Ziel es sein müsste, aktiv an der Ausgestaltung des Geschäftsmodells für arXiv mitzuwirken und in diesem Kontext herauszuarbeiten, wie sich die deutschen Universitäten künftig gemeinsam beteiligen können. Außerdem gilt es, den Beitrag zur Finanzierung für die Übergangsphase 2010–2012 sicherzustellen. Entsprechende Planungen unter der Federführung der TIB Hannover (Technische Informationsbibliothek als deutsche Zentrale Fachbibliothek für die Physik), unterstützt durch DPG und KFP und abgestimmt mit MPG und DESY, sind in Vorbereitung. Ich bin davon überzeugt, dass es im Sinne jedes DPG-Mitglieds ist, dass dieses unverzichtbare Werkzeug auch künftig allen Wissenschaftlern zur Verfügung steht.

Meinung von Prof. Dr. Robert Klanner, Universität Hamburg und DPG-Vorstandsmitglied Zeitschriften

 

Quelle: Physik Journal, Juni 2010, S. 3

 AH

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