18.05.2018

Ein vertriebener Asteroid

Ungewöhnliches Objekt im Kuipergürtel ist ver­mut­lich zwischen Mars und Jupiter ent­standen.

Die Anfänge unseres Sonnensystems waren eine stürmische Zeit. Theore­tische Berech­nungen der damals ablau­fenden Prozesse zeigen, dass die großen Gas­planeten nach ihrer Ent­stehung das Sonnen­system domi­niert und kleine gesteins­haltige Körper aus dem inneren Sonnen­system in weit ent­fernte Umlauf­bahnen geschleu­dert haben. Solche Modell­rech­nungen legen insbe­sondere nahe, dass der Kuiper­gürtel – eine kalte Region jen­seits der Umlauf­bahn des Neptuns - einen kleinen Anteil an Objekten aus dem inneren Sonnen­system ent­halten sollte, zum Beispiel kohlen­stoff­reiche Astero­iden vom C-Typ.

Abb.: Künstlerische Darstellung des ver­trie­benen Aste­ro­iden 2004 EW95. (Bild: M. Korn­messer, ESO)

Jetzt hat ein Team von Astronomen unter der Leitung von Tom Seccull von der Queen's Univer­sity Belfast erst­mals einen kohlen­stoff­haltigen Aste­roiden im Kuiper­gürtel auf­ge­spürt, der diese theore­tischen Modelle der frühen Jahre unseres Sonnen­systems unter­stützt. Mit­hilfe von Messungen mit mehreren Instru­menten am Very Large Tele­scope der Europä­ischen Süd­stern­warte ESO konnte das Team die Zusammen­setzung des anomalen Objekts 2004 EW95 messen und so fest­stellen, dass es sich um einen kohlen­stoff­haltigen Aste­roiden handelt. Das deutet darauf hin, dass es sich ursprüng­lich im inneren Sonnen­system gebildet hat und anschlie­ßend nach außen gewandert sein muss.

Die Besonderheit von 2004 EW95 zeigte sich erstmals bei Routine­beob­ach­tungen mit dem Hubble Space Tele­scope: Das Reflexions­spektrum des Aste­roiden unter­schied sich von dem ähn­licher kleiner Kuiper­gürtel-Objekte, die typischer­weise uninte­res­sante, struktur­lose Spektren auf­weisen, die wenig Infor­ma­tionen über ihre Zusammen­setzung preis­geben. Das Team beob­achtete 2004 EW95 des­halb mit den Instru­menten X-Shooter und FORS2 am VLT. Auch mit der Licht­sammel­leistung des VLT war 2004 EW95 noch schwer zu beob­achten. Denn 2004 EW95 ist zwar etwa drei­hundert Kilo­meter groß, befindet es sich aber der­zeit vier Milli­arden Kilo­meter von der Erde ent­fernt, was das Sammeln von Daten von seiner dunklen, kohlen­stoff­reichen Ober­fläche zu einer anspruchs­vollen wissen­schaft­lichen Heraus­forde­rung macht.

Zwei Merkmale in den Spektren des Objekts waren besonders auf­fällig und ent­sprachen dem Vor­handen­sein von Eisen­oxiden und Phyllo­sili­katen. Das Vor­handen­sein dieser Materi­alien war noch nie zuvor in einem KBO bestätigt worden und legt nahe, dass sich 2004 EW95 im inneren Sonnen­system gebildet hat. Ange­sichts der heutigen Lage von 2004 EW95 in den eisigen Außen­bereichen des Sonnen­systems bedeutet dies, dass er in der Früh­zeit des Sonnen­systems von einem migrie­renden Planeten in seine gegen­wärtige Umlauf­bahn geschleu­dert wurde. Die Ent­deckung eines kohlen­stoff­haltigen Aste­roiden im Kuiper­gürtel ist ein wich­tiger Nach­weis für eine der grund­legenden Vorher­sagen dyna­mischer Modelle des frühen Sonnen­systems.

ESO / RK

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