Eindimensionale Ketten aus Kohlenstoff
Kontrollierte Synthese der exotischen metastabilen Kohlenstoffverbindung Carbin gelungen.
Diamant, Graphit, Nanoröhrchen, Graphen – reiner Kohlenstoff tritt in zahlreichen zwei- und dreidimensionalen Strukturen mit unterschiedlichsten Eigenschaften auf. Theoretisch können sich Kohlenstoffatome auch zu einer eindimensionalen Kette aneinanderreihen. Doch die Synthese dieser Carbin genannten Verbindung gestaltete sich bisher sehr schwierig. Einer chinesischen Arbeitsgruppe gelang es nun, Carbin-Strukturen über ein spezielles Laserablationsverfahren zu synthetisieren. Damit besteht die Möglichkeit, die genauen Eigenschaften dieser neuen Kohlenstoff-Form nach und nach zu bestimmen.
Abb.: Struktur von Carbin-Kristallen, in denen sich Kohlenstoff aus eindimensionalen Ketten anordnet. (Bild: G. Yang, Sun Yat-sen U.)
Wichtige Hinweise auf die nötigen Synthesebedingungen lieferte ein Kohlenstoff-Phasendiagramm, dass Greenville Whittaker von den Ivan A. Getting Laboratories in Kalifornien bereits 1978 berechnete. Zwischen Diamant und Kohlenstoffdampf gelegen sollte sich demnach Carbin bei Temperaturen zwischen 2600 und 3800 Kelvin und hohen Drücken bis in den Gigapascal-Bereich bilden können. Guowei Yang und seine Kollegen vom Nanotechnology Research Center in Guangzhou entwickelten eine Methode, mit der sie diese Synthesebedingungen realisieren konnten.
Das Forscherteam wählte dazu ein spezielles Laserablationsverfahren. Die Wissenschaftler tauchten ein hochreines, einige Millimeter großes Stück Gold in Ethanol. Auf dieses Gold-Target fokussierten sie zehn Nanosekunden kurze Lichtpulse eines Nd:YAG-Lasers mit einer Wellenlänge von 532 Nanometern und einer Pulsenergie von 500 Millijoule. Unter einer Stickstoffatmosphäre wurde das Verbrennen des Ethanols verhindert. Die Laserpulse erzeugten ein Plasma, in denen bei Temperaturen zwischen 2500 und 5000 Kelvin kurzfristig Drücke von zwei bis fünf Gigapascal herrschten.
Abb.: Weißer Kohlenstoff: Eindimensionale Carbin-Ketten bilden getrocknet ein weißes, polykristallines Pulver. (Bild: G. Yang, Sun Yat-sen U.)
Während dieser Laserablation wurden Goldnanopartikel vom Target abgelöst. Goldionen reagierten dabei zuerst mit der Hydroxyl-Gruppe des Alkohols und bildeten kurzlebige Gold-Wasserstoff-Verbindungen. Danach konnten die Goldionen dem Ethanol weitere Wasserstoffatome entreißen. Die Folge: die einfache C-C-Bindung des Ethanols ging in metastabile C-C-Dreifachverbindungen über. Diese Carbine in ihrer einfachsten Form aus zwei Kohlenstoffatomen konnten sich über weitere Einfachverbindungen miteinander verknüpfen. In diesen bis zu zwölf Kohlenstoffatomen langen Ketten wechselten sich Einfach- und Dreifachverbindungen miteinander ab.
Zur Bestätigung der Struktur untersuchten Yang und Kollegen die alkoholische Lösung nach einem etwa halbstündigen Laserbeschuss mithilfe der Raman-Spektroskopie. Zwei klare Signale bei 1050 cm-1 und 2175 cm-1 konnten die Forscher den Einfach- und Dreifach-Bindungen zwischen den Kohlenstoffatomen zuordnen. Weitere Hinweise lieferten NMR-Spektren, die den Schluss auf eine eindimensionale Kohlenstoffkette mit sp-Hybridisierung erlaubten. Vergleiche mit simulierten Spektren ergaben, dass in der Lösung Carbine mit vier, acht und zwölf Kohlenstoffatomen vorlagen. Wurde die Carbin-Lösung getrocknet, ordneten sich die eindimensionalen Ketten zu flockenförmigen Polykristallen zusammen. Die Forscher tauften diese feste Carbin-Form, deren Struktur sie unter dem Elektronenmikroskop und in Röntgenbeugungsversuchen untersuchten, wegen ihrer ungewöhnlichen Farbgebung „weißen Kohlenstoff“.
Welche physikalischen und chemischen Eigenschaften Carbine haben, lässt sich künftig dank des neuen Syntheseverfahrens in weiteren Versuchen untersuchen. Erste Theorien vermuten etwa eine extrem hohe Festigkeit, die sogar die von Kohlenstoffnanoröhrchen und Graphen überflügeln sollte. Als interessanter könnten sich jedoch die elektronischen Eigenschaften erweisen. Denn Yang und Kollegen erkannten, dass Carbine in Abhängigkeit ihrer Kettenlänge Fluoreszenzlicht mit Wellenlängen von 410, 434 und 465 Nanometern aussenden konnten. Folglich weisen Carbine unterschiedliche, längenabhängige Bandlücken auf. Dank dieser Eigenschaft könnten Carbine in Zukunft mit einer besseren Kontrolle des Syntheseverfahrens auf jeweils gewünschte Wellenlängen hin gezüchtet werden. Damit wären sie für nanooptische Anwendungen und als variable Lichtquellen etwa in photonischen Chips interessant.
Jan Oliver Löfken
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