Eindringliche Warnung
Klimawarnung in Kurzform: Gut zwei Wochen vor der Klimakonferenz in Bali haben die Vereinten Nationen eindringlich zum Kampf gegen die Erderwärmung aufgerufen.
Valencia (dpa) - Klimawarnung in Kurzform: Gut zwei Wochen vor der Klimakonferenz in Bali haben die Vereinten Nationen eindringlich zum Kampf gegen die Erderwärmung aufgerufen. «Es gibt keine Zeit mehr zu verschwenden», sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bei der Präsentation der Kurzfassung des UN-Klimareports am Samstag im spanischen Valencia. Nun müssten die Politiker bei der Klimakonferenz auf Bali im Dezember danach handeln. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel kündigte an, er werde mit einem Maßnahmenbündel nach Bali reisen, wo über ein Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll verhandelt werden soll. Den USA warfen Kritiker vor, das Abschlusspapier in Valencia verwässert zu haben.
UN-Generalsekretär Ban warnte vor den Folgen des Nichtstuns. Die schlimmsten Szenarien des IPCC seien so angsterregend wie mancher Science-Fiction-Film. «Aber sie sind noch schlimmer, denn sie sind real.» Der Chef des Weltklimarates (IPCC), Rajendra Pachauri, warnte: Selbst wenn die Kohlendioxid-Konzentration auf dem Stand von heute bliebe, werde das den Meeresspiegel auf Jahrhunderte hinaus nicht stabilisieren. Zudem hätten sich seit den 1970er Jahren die Dürregebiete vergrößert. Der neue Bericht nenne als besonders gefährdete Regionen unter anderem die großen Flussdeltas Asiens und Afrikas. 20 bis 30 Prozent der bekannten Arten seien in Gefahr, auszusterben, sagte Pachauri.
Das in Valencia vorgestellte Dokument richtet sich an politische Entscheidungsträger. Der Klimareport im Westentaschenformat fasst die vielen tausend Seiten zusammen, die der IPCC in den vergangenen Jahren beschrieben hat. Mit Blick auf das Dokument sagte der Direktor des UN-Umweltprogramms UNEP, Achim Steiner, dass es nun ultimativ auf jeden einzelnen Bürger ankomme, die darin genannten Möglichkeiten zur CO2-Verringerung umzusetzen.
Bundesumweltminister Gabriel hat deutliche Konsequenzen aus dem neuen Weltklimareport angekündigt. «Niemand kann behaupten, wir wüssten heute nicht genug über den Klimawandel», sagte Gabriel am Sonntag in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Wir müssen nur den Mut aufbringen, dagegen vorzugehen - sonst werden uns unsere Kinder und Enkel verfluchen.» Als bisher einziger Staat fahre Deutschland mit einem abgestimmten Maßnahmenbündel zur UN- Klimakonferenz nach Bali. «Am 5. Dezember - passend zum Auftakt der Bali-Konferenz - wird das Kabinett in Berlin ein umfassendes Gesetzespaket beschließen», sagte der Minister.
Der Report zeige, dass dringend gehandelt werden müsse, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken, erklärte EU-Umweltkommissar Stavros Dimas in Brüssel. «Die gute Nachricht ist, dass er auch zeigt, dass weitgehende Emissionseinschnitte sowohl technisch möglich als auch wirtschaftlich tragbar sind.» Die EU will bis 2020 ihre Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zum Stand von 1990 um mindestens 20 Prozent verringern. Der Verantwortliche für Umweltpolitik im Weißen Haus, Jim Connaughton, betonte in Washington, dass rasches Handeln notwendig sei. Allerdings nannte er keine konkreten Zahlen oder Daten beim Vorgehen gegen die Erderwärmung.
Verhandlungsteilnehmer hatten den USA vorgeworfen, die Kurzfassung des Klimareports an wichtigen Stellen verwässert zu haben. Immer dann, wenn es um das konkrete Handeln gegen den Klimawandel gegangen sei, hätten die USA «interpretationsfähige» Formulierungen durchgesetzt, hatte etwa Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD) während der Verhandlung geklagt. Auch viele Forscher kritisierten die USA vielfach für ihr Auftreten.
Nach Ansicht der Umweltorganisation Greenpeace gibt der Report Grund zur Besorgnis. «Wer sich jetzt noch weigert die CO2-Notbremse zu ziehen, setzt das Leben unzähliger Menschen und Tiere aufs Spiel. Ausreden lässt dieser Bericht nicht mehr zu», sagte Greenpeace- Klimaexpertin Gabriela von Goerne. Zusammen mit der Umweltstiftung WWF forderte Greenpeace, die Staatengemeinschaft solle in den kommenden zwei Jahren ein Klimaschutzpaket vereinbaren, das Industrieländer verpflichtet, ihre Treibhausgase bis zum Jahr 2020 um mindestens 30 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern.
Für seine Verdienste um den Schutz des Klimas erhält der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) am 10. Dezember - also während sich die Politiker auf Bali zur Klimakonferenz treffen - den Friedensnobelpreis 2007. So deutlich wie nie zuvor hat der IPCC in diesem Jahr gezeigt, dass der Mensch die Hauptschuld an der Erwärmung des Klimas um bislang rund 0,7 Grad Celsius seit dem Beginn der Industrialisierung hat. Die Erderwärmung werde je nach Computermodell und politischen Anstrengungen bis 2100 um 1,1 bis 6,4 Grad steigen.
Kernpunkte der Zusammenfassung des UN-Klimaberichtes 2007:
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Der von Menschen gemachte Klimawandel wird nicht mehr bezweifelt und schreitet schneller voran als bislang angenommen. In den vergangenen 100 Jahren ist die Temperatur um 0,74 Grad Celsius gestiegen.
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Elf der vergangenen zwölf Jahre (1995 bis 2006) sind unter den zwölf wärmsten Jahren seit Beginn der globalen Temperaturaufzeichnung 1850.
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Für die nächsten 20 Jahre geht der IPCC von einer weiteren globalen Temperaturerhöhung um 0,4 Grad Celsius aus. Insgesamt wird die Temperatur über den Kontinenten und in den nördlichen Breiten noch deutlich schneller steigen.
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Die gemessenen Temperaturerhöhungen haben ihre Ursache zum weitaus größten Teil in der Emission der Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O). Die Konzentration von CO2 und Methan lag 2005 höher als in den vergangenen 650.000 Jahren.
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Die Emissionen von CO2 durch die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas verursachen den größten Teil des Problems und wachsen schnell. Zwischen 1970 und 2004 stiegen sie um rund 80 Prozent. Die menschengemachten Treibhausgase insgesamt stiegen um 70 Prozent.
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Ohne einschneidende politische Schritte werden die Emissionen in den nächsten Jahrzehnten mit hoher Geschwindigkeit weiter steigen.
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Der Klimarat zeigt, dass die größten Beiträge zur Lösung dieses Problems unter anderem aus einer effizienteren Energienutzung sowie aus einer Umstellung der Energieversorgung auf Solarenergie, Windenergie, Biomasse, Geothermie und Wasserkraft zu erwarten sind. Er nennt aber auch die Kernkraft als Möglichkeit, den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
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Der Bericht verweist ausdrücklich auf die Klimarahmenkonvention von Rio de Janeiro und das Kyoto-Protokoll als Werkzeuge, um die Erderwärmung zu bremsen.
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Die Kosten für eine sehr anspruchsvolle Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 würde das globale Wirtschaftswachstum um höchstens jährlich 0,12 Prozentpunkte reduzieren.
Weitere Infos:
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Intergovernmental Panel on Climate Change:
http://www.ipcc.ch -
IPCC Fourth Assessment Report - Summary for Policymakers (PDF):
http://www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar4/syr/ar4_syr_spm.pdf