20.04.2012

Eine Frau an der Spitze der DPG

Seit 16. April hat die Deutsche Physikalische Gesellschaft mit der Heidelberger Professorin Johanna Stachel erstmals eine Präsidentin.

Fast 60 Namen umfasst die Liste derjenigen Persönlichkeiten, die der DPG in ihrer über 160-jährigen Geschichte als Präsidenten dienten - darunter finden sich viele bedeutende Physiker, ausschließlich Männer. Dieser „exklusive Männerclub“ gehört nun der Vergangenheit an: Ein Jahr nach ihrer Wahl hat die Heidelberger Professorin Johanna Stachel am 16. April in einer Feierstunde im Berliner Magnus-Haus das Amt von ihrem Vorgänger Wolfgang Sandner übernommen, der turnusmäßig in das Amt des Vizepräsidenten gewechselt ist.

Johanna Stachel mit ihrem Vorgänger, Wolfgang Sandner (links), und
Vorvorgänger, Gerd Litfin (Foto: T. Kleinod)

In ihrer Antrittsrede bezeichnete Stachel es als „eine große Ehre und Freude, dass ich ab nun an der Spitze der größten Physikalischen Gesellschaft der Welt stehen darf.“ Für ihre zweijährige Amtszeit hat sie sich unter anderem die Förderung der Grundlagenforschung, die Stärkung des Physikunterrichts und der Physiklehreraus- und -weiterbildung, den Ausbau von Programmen für Industriephysikerinnen und -physiker sowie die Förderung von Frauen in der Physik als Agenda vorgenommen.

„Persönlich ist mir sehr gelegen an einer ausgewogenen Balance zwischen anwendungsorientierter- und Grundlagenforschung, da sie untrennbar miteinander verzahnt sind.“, sagte Stachel. Deutschland sei in beiden Bereichen traditionell und auch heute ein herausragender Wissenschafts-, Industrie- und Wirtschaftsstandort. Darüber hinaus machte die Präsidentin deutlich, dass Forscherinnen und Forscher für die Grundlagenforschung Freiräume benötigen, eine gewisse kongeniale Atmosphäre, damit sie Neuland betreten können. Sie äußerte sich deshalb besorgt hinsichtlich des Trends, zunehmend Forschungsleistung im Rahmen von Qualitätsmanagement zu quantifizieren. Ein quantifizierbares Produkt der physikalischen Grundlagenforschung seien allerdings die Absolventen, die dringend gebraucht werden in den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft. In diesem Zusammenhang sei es besonders wichtig, den Physikunterricht an den Schulen zu stärken. Hier müsse sich die DPG noch stärker einbringen.  

Die Förderung von Maßnahmen für Physikerinnen und Physiker in der Wirtschaft ist ein weiterer Schwerpunkt, dem sich die Präsidentin gemeinsam mit ihrem Vorstand in ihrer Amtszeit widmen möchte. Der Anteil dieser Gruppe in der DPG liegt aktuell bei 10 % und ist damit nach den Studierenden und Doktoranden die drittstärkste Gruppe unter den DPG-Mitgliedern. Sie kündigte die Umsetzung eines Maßnahmenkataloges an, um die Attraktivität der DPG für diese Gruppe weiter zu steigern.

Stachel bedauerte den immer noch zu geringen Anteil von Physikerinnen in Wirtschaft und Hochschulen. Die Präsidentin wies auf das große Potenzial hin, welches Frauen darstellen, um den Fachkräftemangel in der Physik zu verringern. In dem Zusammenhang sprach sie sich für eine Verbesserung der Chancengleichheit aus: „Wir machen es Frauen nicht leicht, Beruf und Familie zu vereinbaren. Kinder sind nach wie vor hauptsächlich die Verantwortung der Frau. Darüber hinaus ist anspruchsvolle Karriere und Kinderbetreuung nicht einfach kompatibel und zumindest teuer. Auch lässt die im deutschen Universitätssystem immer noch sehr späte Sicherheit und Planbarkeit der Karriere diesen Berufsweg für junge Frauen weniger erstrebenswert erscheinen.“

Johanna Stachel (Jahrgang 1954) studierte Chemie und Physik und promovierte an der Universität Mainz. Im Anschluss forschte die Kern- und Teilchenphysikerin 13 Jahre in den USA: An der Stony Brook University und dem nahe gelegenen Brookhaven National Laboratory arbeitete sie zunächst als Research Associate, später als Full Professor. 1996 folgte sie einem Ruf auf eine C4-Professur der Universität Heidelberg. Sie ist Mitglied der ALICE-Kollaboration am Large Hadron Collider des CERN, im Mittelpunkt ihrer Forschung steht das „Quark-Gluon-Plasma“.

DPG/SJ 

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