08.01.2020 • AstronomieAstrophysik

Eine Riesenwelle in der Galaxis

Ungewöhnlich große Struktur aus Gas und Sternen innerhalb der Milchstraße entdeckt.

Astronomen haben eine riesige, zusammen­hängende, gashaltige, wellen­förmige Struktur inner­halb der Milch­straße entdeckt, in der Sterne entstehen – die größte ihrer Art, die jemals in unserer Galaxie beobachtet wurde. Diese „Radcliffe-Welle“ erstreckt sich weit ober- und unter­halb der galak­tischen Scheibe und revolu­tio­niert damit die seit 150 Jahren vor­herr­schende Vorstellung über die Sonnen­umgebung in der Milch­straße als ein sich aus­dehnender Ring.

Abb.: Die Radcliffe-Welle ist eine riesige gashaltige Struktur innerhalb der...
Abb.: Die Radcliffe-Welle ist eine riesige gashaltige Struktur innerhalb der Milchstraße, in der Sterne entstehen. (Bild: A. Goodman, Harvard U.)

Die Entdeckung basiert auf einer neuerlichen Analyse der von der Gaia-Raumsonde der ESA gelieferten Daten. Die Forscher kombi­nierten die von Gaia gelieferten Daten mit anderen Messungen, um eine detail­lierte 3D-Karte der inter­stellaren Materie in der Milch­straße zu erstellen. Dabei stießen sie unver­hofft auf eine Struktur in dem Spiralarm, der der Erde am nächsten liegt. Die Struktur besitzt eine Länge von ungefähr 9000 Licht­jahren und einer Breite von nur 400 Licht­jahren. Die lange, dünne Struktur ist wellen­artig aus­ge­prägt und erstreckt sich über 500 Licht­jahre ober­halb und unter­halb der Mittel­ebene der Scheibe unserer Galaxie. Sie umfasst viele jener Stern­ent­stehungs­regionen, die bisher dem Gould­schen Gürtel zuge­ordnet waren.

„Vor über 150 Jahren hatten sowohl Gould als auch Herschel einen Ring aus hellen Sternen am Nacht­himmel entdeckt. Deswegen haben Astronomen seit langem versucht, den Ursprung dieses Rings auszu­machen“, erklärte João Alves von der Uni. Wien. „Statt­dessen haben wir die größte zusammen­hängende bekannte Gas­struktur in der Galaxie gefunden, die nicht als Ring, sondern als gewaltiges, wellen­förmiges, schmales und gerades Filament ange­ordnet ist. Die Sonne ist nur 500 Lichtjahre von der Welle am nächst gelegenen Punkt entfernt. Sie war die ganze Zeit direkt vor uns, aber wir konnten sie bisher nicht sehen.“

„Wir kennen die Ursache nicht, warum sie gerade diese Form hat. Sie könnte aber wie eine Welle in einem Teich sein, so als ob etwas außer­ordent­lich Masse­reiches in unserer Galaxie gelandet ist“, so Alves. „Wir wissen, dass unsere Sonne mit dieser Struktur wechsel­wirkt. Sie ist an einer Ansammlung von Super­novae vorüber­gezogen, als sie Orion 13 Millionen Jahre zuvor gekreuzt hatte und in 13 Millionen Jahren wird sie diese Struktur erneut durch­queren. Sie wird sprich­wört­lich auf einer Welle reiten.“

„Niemand hätte erwartet, dass wir in der Nähe einer riesigen, wellen­artigen Gas­ansamm­lung leben – oder, dass sie den Orionarm der Milch­straße bildet“, sagte Alyssa Goodman von der Harvard University. „Wir waren geschockt als wir zum ersten Mal erkannt haben, wie lange und gerade die Radcliffe-Welle von oben in einer 3D-Ansicht ist, und wie sinus­förmig sie von der Erde aus betrachtet im Vergleich wirkt. Die Welle zwingt uns dazu, unser Verständnis von der 3D-Struktur der Milch­straße zu über­denken.“

„Unsere neuen Erkenntnisse bedeuten das Ende für den Gould­schen Gürtel“, ergänzt Stefan Meingast von der Uni Wien. „Dass diese Struktur nur ein Projektions­effekt war, ist eine kleine Sensation. Die Astronomen müssen wieder zurück ans Reißbrett und die nähere Umgebung der Milch­straße neu über­denken.“

U. Wien / RK

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