Eine Sonde für dynamische molekulare Kräfte
Zeitentwicklung bei der optischen Absorption von Farbstoffmolekülen erfasst.
Moleküle in Wasser und anderen polaren Medien unterliegen starken elektrischen Kräften, die aus ihrer bei Raumtemperatur ultraschnell fluktuierenden Umgebung stammen. Eine neue Methode verfolgt die optische Absorption der Moleküle im elektrischen Feld eines ultrakurzen Terahertz-Impulses, um Stärke und Dynamik elektrischer Wechselwirkungen zu bestimmen. Die spektrale Verschiebung optischer Übergänge in einem äußeren elektrischen Feld, der Stark-Effekt, ist ein fundamentaler Quanteneffekt der Licht-Materie-Wechselwirkung und gibt Einblick in atomare und molekulare Eigenschaften. Der Stark-Effekt wurde vorwiegend unter stationären Bedingungen untersucht, um das zeitlich gemittelte Verhalten eines einzelnen Quantensystems oder eines Ensembles zu bestimmen. Hingegen erlauben zeitaufgelöste Messungen eine Beobachtung der transienten Eigenschaften und geben Einblick in Prozesse im atomaren Bereich.
Forscher des Max Born Instituts in Berlin und der Ludwig-Maximilians-Universität in München haben jetzt mit starken elektrischen Feldern im Terahertz-Frequenzbereich die optische Absorption von Farbstoffmolekülen in flüssiger Lösung verändert und ihre ultraschnelle Zeitentwicklung erfasst. Wie sie berichten, führt die Wechselwirkung mit einem Terahertz-Impuls von rund einer Pikosekunde Dauer zu einer erheblichen Verbreiterung des Absorptionsspektrums, aus der sich die Kopplung der Moleküle an das äußere Feld quantitativ bestimmen und gleichzeitig die Felder in der Lösung kalibrieren lassen. Eine eingehende theoretische Analyse zeigt, dass die Form der Absorptionsbande primär durch fluktuierende elektrische Kräfte der Lösung bestimmt ist.
In den Experimenten wurde ein ultrakurzer Terahertz-Impuls auf eine Lösung des Farbstoffs Betain 30 eingestrahlt. Das auf die Moleküle wirkende Terahertz-Feld wurde mittels einer metallischen Antennenstruktur erhöht und hatte einen Maximalwert von 3,6 Megavolt pro Zentimeter. Dies entspricht ungefähr einem Drittel des durch das Lösungsmittel hervorgerufenen fluktuierenden Feldes. Die durch den Terahertz-Impuls hervorgerufene momentane Absorptionsänderung des Farbstoffs wird mit Abtastimpulsen von etwa 100 Femtosekunden Dauer aufgezeichnet. Ihre zeitliche Entwicklung lässt sich durch eine Veränderung der Verzögerungszeit zwischen den beiden Impulsen erfassen.
Die in der Lösung ungeordneten Farbstoffmoleküle besitzen ein permanentes elektrisches Dipolmoment, das mit dem Terahertz-Feld wechselwirkt. Diese Wechselwirkung verschiebt die spektrale Position des optischen Übergangs zwischen dem Grundzustand und dem ersten angeregten Zustand des Farbstoffmoleküls. Die Stärke der Wechselwirkung und damit die Größe und das Vorzeichen der spektralen Verschiebung sind durch die Projektion des Terahertz-Feldes auf das molekulare Dipolmoment bestimmt.
Die transienten Spektren entsprechen deshalb dem über alle molekularen Orientierungen gemittelten Verhalten der Farbstofflösung. Eine quantitative Analyse der spektralen Verbreiterung liefert die Stärke der elektrischen Kopplung und erlaubt eine Eichung der elektrischen Felder in der Lösung. Darüber hinaus könnte der ultraschnelle und vollständig reversible Charakter der feldinduzierten Absorptionsänderungen Anwendungen in optischen Schaltern und Modulatoren ermöglichen.
MBI / DE