07.02.2014

Eine Tarnkappe für Wärme

Hindernisse in einem Wärmefluss lassen sich mit recht einfachen Mitteln verbergen.

Im Märchen macht ein Tarnmantel seinen Träger völlig unsichtbar. Soweit ist man in der Physik noch nicht. Doch in den letzten Jahren wurden Metamaterialien entwickelt, die Mikro-, Licht- oder auch Schallwellen so um ein Objekt herum lenken, dass es scheint, als hätten sie sich auf geradem Wege durch einen (nahezu) leeren Raum ausgebreitet. Jetzt haben zwei Forscherteams in Singapur Tarnmäntel entwickelt, die auch in einem Wärmefluss ein Hindernis verbergen können.

Abb.: Ohne Tarnmantel (b, e) wirft das Hindernis (eine kugelförmige Luftblase) nach kurzer Zeit (0,5 min) einen kalten Schatten im Wärmefluss. Mit Tarnmantel (c, f) ist die Temperaturverteilung hinter dem Hindernis kaum von derjenigen ohne Hindernis (a, d) zu unterscheiden. (Quelle: Hongyi Xu et al. / APS)

Anders als die Wellen, gegen die man bisher Tarnkappen hergestellt hatte, breitet sich Wärme diffusiv aus. Deshalb hatte man erwartet, dass sich die Methode der Koordinatentransformation, mit der man die Wellen durch ein inhomogenes und anisotropes Metamaterial um einen Gegenstand herum lenkt, nicht auf Wärmeströme übertragen lässt. Doch vor zwei Jahren zeigten Sebastien Guenneau und seine Kollegen analytisch und numerisch, dass sich auch ein Wärmestrom mit geeigneten Metamaterialien um einen Raumbereich herum führen lässt, ohne dass dies auffällt. Ein dort befindliches Objekt hat keinerlei Einfluss auf die Wärmeausbreitung und bleibt deshalb unentdeckt.

Davon ausgehend hatten Forscher um Martin Wegener vom Karlsruher Institut für Technologie zusammen mit Guenneau eine Tarnkappe für zweidimensionale Wärmeströme entwickelt. Es handelte sich dabei um ein kompliziert strukturiertes Metamaterial aus Kupfer und Silikon, das die Wärme um einen abgeschirmten Bereich herumführte. Hinter diesem Bereich war der Wärmestrom völlig gleichförmig. Die Linien konstanter Temperatur waren parallele Geraden, ganz so als hätte die Wärme hindernisfrei ein homogenes Material durchströmt.

Doch wie es scheint, lässt sich eine Tarnkappe für Wärme auch wesentlich einfacher aus homogenen Materialien herstellen – und zudem auch noch für drei Raumdimensionen. Das berichten unabhängig voneinander Forscher um Handong Sun und Baile Zhang von der Nanyang Technological University in Singapur sowie Cheng-Wei Qiu und seine Kollegen von der National University of Singapore.

Beide Forschergruppen haben die Innenwand eines etwa zentimetergroßen halbkugelförmigen Hohlraums in einem Block aus homogenem Material (Stahl bzw. wärmeleitendes Silikon) geeignet ausgekleidet. Das Nanyang-Team nahm zur Beschichtung eine 0,1 mm dicke Kupferlage und ließ den Hohlraum leer, d. h. luftgefüllt. Hingegen benutzte das NUS-Team eine Doppelschicht zur Auskleidung. Die äußere Schicht bestand aus der Nickellegierung Inconel, die innere aus Polystyrol. Hier wurde in den verbliebenen Hohlraum ein Aluminiumzylinder eingeführt.

In beiden Fällen war der Hohlraum mit einem Material ausgekleidet (Kupfer bzw. Inconel), das die Wärme wesentlich besser leitete als das umgebende Material (Stahl bzw. Silikon). Die anschließende „Schicht“ (Luft bzw. Polystyrol) leitete die Wärme hingegen nur schlecht, sodass der Hohlraum sehr gut wärmeisoliert war. Wie die Berechnungen beider Teams zeigten, ließen sich die Dicken der verschiedenen Schichten in Abhängigkeit von ihrer Wärmeleitfähigkeit so bemessen, dass der Hohlraum für einen durch das homogene Material fließenden Wärmestrom kein störendes Hindernis mehr war und gewissermaßen unsichtbar wurde.

Die Forscher zeigten dies, indem sie die gegenüberliegenden Seitenflächen eines Blocks, zwischen denen sich der Hohlraum befand, auf unterschiedlichen Temperaturen hielten. Dazu brachten sie die beiden Seiten z. B. mit Eiswasser bzw. siedendem Wasser in Kontakt. Nach kurzer Zeit hatte sich im ganzen Block eine weitgehend konstante Temperaturverteilung eingestellt, die die Forscher auf der ihnen zugänglichen gelochten Fläche des Blockes maßen.

Beide Teams fanden, dass die gemessene Temperaturverteilung mit der berechneten überall gut übereinstimmte. Sie wies schon in geringer Entfernung vom Hohlraum parallele Linien konstanter Temperatur auf und zeigte somit keine Spuren des Hohlraums mehr. Bei Kontrollexperimenten ohne Tarnkappe, d. h. ohne die Kupfer- bzw. die Doppelschicht, warf der Hohlraum im Wärmefluss einen Schatten, in dem die Temperatur deutlich niedriger war als in den umgebenden Bereichen. Auch für eine punktförmige Wärmequelle machten die beiden Tarnkappen den Hohlraum unsichtbar.

Die NUS-Forscher haben die Eigenschaften ihrer Tarnkappe mit den berechneten Eigenschaften zweier optimierter Tarnmäntel aus inhomogenem und entweder isotropem oder anisotropem Metamaterial verglichen. Je nach den Eigenschaften der benutzten Materialien schnitt die NUS-Tarnkappe gleich gut oder sogar besser ab als die Tarnmäntel aus Metamaterial.

Die Wärmetarnkappen könnte man dazu verwenden, Wärmeflüsse zu lenken und Bauteile vor Überhitzung zu schützen. Das wäre etwa für die Halbleiterindustrie und den Maschinenbau von Interesse.

Rainer Scharf

AH

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