21.01.2013

Eine (Um)Frage der Interpretation

Anton Zeilinger befragt Kolleginnen und Kollegen nach ihrem Standpunkt bei Grundlagenfragen der Quantenmechanik.

„Quantenphysik ist für mich wie Homöopathie: man kann es nicht wirklich verstehen.“ So lautete eine der Antworten auf eine Umfrage unter Nicht-Physikern, welche die Physikalischen Blätter (jetzt Physik Journal) zum hundertsten Geburtstag der Quantenhypothese im Jahr 2000 präsentierte. Doch wie sieht es in der Fachwelt aus? Dazu liefert Anton Zeilinger nun zusammen mit zwei weiteren Quantenphysikern die Antwort. Sie präsentierten die Ergebnisse einer Umfrage unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz „Quantum Physics and the Nature of Reality“, die im Juli 2011 im österreichischen Traunstein unter Kollegen stattfand. eine ähnlich geartete Umfrage hatte der Kosmologe Max Tegmark im Jahr 1997 durchgeführt.

Insgesamt 16 Multiple-Choice-Fragen sollten einen „Schnappschuss“ der derzeitigen Sichtweisen auf die Quantenmechanik aus Sicht der Fachwelt liefern. Da es nur 48 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz gab, von denen 33 den Fragebogen vollständig beantwortet haben, erheben Zeilinger und seine Mitautoren natürlich nicht den Anspruch einer repräsentativen Umfrage. Die Antworten dürften trotzdem von Interesse sein.

Auf die Frage „Was ist ihre bevorzugte Interpretation der Quantenmechanik“ antworteten 42 Prozent mit „Kopenhagener Deutung“, 24 Prozent mit „informations-basiert bzw. informations-theoretisch“ und immerhin 18 Prozent mit der Viele-Welten-Theorie von Everett. Die Initiatoren der Umfrage bedauerten ausdrücklich, die Position „Halt die Klappe und rechne“ („shut up and calculate“) nicht berücksichtigt zu haben, die Interpretationsfragen ignoriert und auf die Nützlichkeit der Quantenmechanik in konkreten Anwendungen abzielt.

Andere Fragen betreffen die Ansichten über den Zufall in Quantenereignissen, das Messproblem, die Positionen von Einstein und Bohr oder die Rolle der Quanteninformation. Letztere sorgt nach Aussage von 76 Prozent der Befragten „für einen frischen Wind bei den Grundlagen der Quantenmechanik“. Das ist der höchste Prozentsatz, den eine der Antworten zu den 16 Fragen erhalten hat.

Die Auswertung der Umfrage präsentiert auch Aussagen darüber, welche Antworten auf verschiedene Fragen besonders stark miteinander korrelieren. So haben diejenigen, die das Messproblem für ein Pseudoproblem halten, eine besondere Affinität zur Kopenhagener Deutung, halten Superpositionen von makroskopisch unterscheidbaren Zuständen für möglich und sprechen dem Beobachter eine formale, aber keine physikalische Rolle zu.

Für Anton Zeilinger und seine Kollegen besteht der Wert der kleinen Umfrage darin, empirisch gezeigt zu haben, dass auch über neunzig Jahre nach Entwicklung der Quantenmechanik immer noch kein Konsens bei ihrer Interpretation besteht, aber auch, dass das Feld der Grundlagenprobleme in der Quantenmechanik durch die Quanteninformation neuen Schwung erhalten habe.

Vergnüglich sind übrigens die dokumentierten Randbemerkungen der Befragten zu lesen. Einer schrieb bei der Frage, wie er zu Niels Bohrs Ansichten zur Quantenmechanik stünde, salopp mit: „Ich kapier immer noch nicht, was ich von dem Mann halten soll.“ Vielleicht ist es ein interessanter Test, einmal zu schauen, wie man die Fragen selbst beantworten würde. Das lässt sich leicht bewerkstelligen, denn Fragen und die detaillierten Ergebnisse der Umfrage stehen als Preprint auf dem arXiv-Server zur Verfügung.

Alexander Pawlak

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