23.04.2021 • PhotonikLaser

Einmalig scharfer Röntgenblick

Blick per Transient Grating Spectroscopy in das Innere von Stoffen.

Die Strukturen auf Mikrochips werden immer winziger, Festplatten schreiben ganze Enzyklopädien auf fingernagelgroße magnetische Scheiben: Viele Technologien durchbrechen derzeit die Grenzen der klassischen Physik. Doch in der Nanowelt gelten andere Gesetze – die der Quantenphysik. Und dort sind noch viele Fragen offen: Wie wandert eigentlich Wärme durch ein Halb­leiter­material? Was passiert genau, wenn einzelne Bits in eine Computer­festplatte magnetisiert werden? Auf viele dieser Fragen gibt es noch keine Antworten, hauptsächlich weil die üblichen experi­men­tellen Methoden nicht tief und genau genug in die Werkstoffe schauen können und weil manche Vorgänge viel zu schnell für herkömmliche Experimentier­verfahren ablaufen. Wenn man aber die technische Miniaturi­sierung weitertreiben will, muss man solche Phänomene auf atomarer Ebene verstehen.

Abb.: Cristian Svetina an der Experi­mentier­station Furka des...
Abb.: Cristian Svetina an der Experi­mentier­station Furka des Freie-Elek­tronen-Röntgen­lasers SwissFEL. (Bild: M. Dzam­be­govic, PSI)

Frischen Wind in die Sache bringt jetzt eine neue Methode, die sich ein internationales Forscherteam um Cristian Svetina vom Paul-Scherrer-Institut in der Schweiz ausgedacht hat. „Obwohl, neu ist die Methode eigentlich nicht, sie wird seit Jahrzehnten im optischen Bereich mit großen Erfolgen eingesetzt“, sagt Svetina. Das Besondere sei die Kombination und Erweiterung bekannter Methoden aus der nicht­linearen Laserphysik, aber eben mit dem Röntgenlicht aus dem neuen Freie-Elektronen-Röntgen­laser SwissFEL. In dieser Kombination ist das sowohl neu als auch über­raschend. Zahlreiche andere Forscher­teams weltweit haben Versuche unternommen, allerdings ohne Erfolg. Zuletzt wurden sogar Zweifel laut, ob diese neuen Experimente bei den hohen Energien von Röntgen­strahlung überhaupt erfolgreich sein können. Svetina und seine Kollegen haben bewiesen, dass es geht.

Im Kern handelt es sich um ein Verfahren namens Transient Grating Spectroscopy, was übersetzt so viel wie Übergangs­gitter-Spektroskopie bedeutet. Bei der Transient Grating Spectroscopy wird eine Probe mit zwei Laserstrahlen beschossen, die ein Interferenz­muster erzeugen. Ein dritter Laserstrahl wird an diesem Muster gebeugt, wodurch ein vierter Strahl entsteht, der die Informationen über die Eigen­schaften der Probe enthält.

Optische und infrarote Laser können in eine Probe nur mit einer begrenzten Auflösung von hunderten Nanometern hineinschauen. Deshalb benötigt man Röntgen­strahlen. Den Forschern am PSI ist es erstmals gelungen, die Transient Grating Spectroscopy auch für einen Röntgenlaser zugänglich zu machen und das gleich mit sehr harten Röntgen­strahlen mit einer Energie von 7,1 Kilo­elektronen­volt, was einer Wellenlänge von 0,17 Nanometern, also etwa dem Durchmesser mittelgroßer Atome entspricht. Der Vorteil: Erstmals ist es möglich, in Werkstoffe hinein­zu­schauen, mit einer Auflösung bis hinunter zu einzelnen Atomen, mit ultrakurzen Belichtungs­zeiten von Bruchteilen von Femto­sekunden. Das erlaubt es sogar, Videos von atomaren Vorgängen aufzunehmen. Außerdem ist die Methode element­selektiv, das heißt, man kann gezielt bestimmte chemische Elemente in einem Gemisch aus Stoffen vermessen. Die Methode ergänzt andere Techniken wie die inelastische Streuung mit Röntgen­strahlung und Neutronen um eine bessere Auflösung bei Zeit und Energie.

Konkret sieht der Versuchsaufbau so aus: Der SwissFEL schickt einen Strahl mit einem Durchmesser von 0,2 Millimetern aus ultrakurzen Röntgenpulsen auf ein Gitter aus Diamant, das unter dem Mikroskop wie ein feiner Kamm aussieht. Diamant deshalb, weil er auch von energie­reichen Röntgen­strahlen nicht zerstört wird. Die Zinken des Kamms haben einen Abstand von zwei Mikrometern. Sie zerlegen den Röntgenstrahl in feine Teilstrahlen, die sich hinter dem Gitter überlagern und so das Beugungs­muster des Transient Grating erzeugen. Hinter dem Gitter kann man Eins-zu-eins-Abbildungen des Gitters beobachten, die sich in regel­mäßigen Abständen – den Talbot-Ebenen – wieder­holen.

Platziert man eine Probe in einer dieser Ebenen, werden einige Atome darin angeregt, gerade so, als würde sie an der Stelle des Gitters sitzen. Dabei werden nur die Atome angeregt, die die Röntgen­strahlen in dieser periodischen Modulation „sehen“, während die Nachbar­atome, die die Bestrahlung nicht erfahren, im Grundzustand bleiben. Das ist der Clou der Methode, denn so können die Forscher charakte­ris­tische Bereiche selektiv anregen.

Die Anregung der Atome allein liefert aber noch keine Informationen. Dazu braucht es eine Art Kamera mit einem Blitz, der die Probe kurz belichtet. Das übernimmt bei der Transient Grating Spectroscopy ein Laser, der schräg auf die Probe zielt und minimal zeit­verzögert zu dem Röntgenstrahl aus dem SwissFEL Bilder schießt. Die Information kommt hinten aus der Probe heraus und trifft auf einen Detektor, der das Bild aufnimmt. In den ersten Experimenten hat sich ein Vorteil der Methode gezeigt: Sie erzeugt kein unerwünschtes Hinter­grund­signal. „Wenn die Atome angeregt sind, sieht man ein Signal, sind sie nicht angeregt, sieht man nichts“, erläutert Svetina. Das ist äußerst wertvoll bei Messungen an Proben, die nur schwache Signale aussenden. Bisher handelt es sich nur bei dem Strahl, der die Probe anregt, um einen Röntgenstrahl. Der Blitz der Kamera kommt nach wie vor aus einem optischen Laser. Ziel der Forscher ist es, auch hierfür einen Röntgenstrahl einzusetzen.

PSI / RK

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