24.04.2015

Einstein-Experiment im Höhenflug

Beeinflusst Gravitation tatsächlich alle Arten von Uhren in gleicher Weise, wie von der ART voraussagt?

Gemäß der Gravitations-Rotverschiebung der Allgemeinen Relativitäts­theorie zufolge gehen Uhren umso langsamer, je tiefer sie sich im Gravi­tations­potential einer Masse befinden – je näher sie also zum Beispiel einem Himmels­körper sind. Dieser Effekt zeigt sich an Spektral­linien, die sich zum roten Ende des Spektrums hin verschieben. Die ART sagt auch voraus, dass die Schwerkraft den Gang aller Uhren in gleicher Weise beeinflusst, unabhängig davon, wie diese Uhren physikalisch oder technisch realisiert sind. Neuere Theorien der Gravi­tation lassen allerdings vermuten, die Art der Uhr habe sehr wohl Einfluss auf die Stärke der Gravi­tations-Rotver­schiebung.

Abb.: Mikro-integrierter Extended Cavity Diode Laser (ECDL) für die Spektroskopie an Rubidium-Atomen im Weltraum. Damit wurden am 23.4. 2015 Tests an Bord der Höhen­forschungs­rakete TEXUS/FOKUS durchgeführt. (Bild: FBH, P. Immerz)

Um dies zu testen, wurden gestern in dem vom Deutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt finanzierten Projekt FOKUS verschiedene Uhren­typen mit einer Höhen­forschungs­rakete in den Weltraum geschickt. Dort herrschen beste Testbe­dingungen, denn das Gravitations­potenzial variiert hierbei besonders stark. So lässt sich prüfen, ob sich der Gang der Uhren tatsächlich unter­scheidet – und schließlich auch, ob eine der neueren Gravitations­theorien eine genauere Beschreibung als Einstein liefert.

Die ersten Experimente im Weltraum wurden nun erfolgreich durchgeführt: Ein Team von Wissenschaftlern hat einen hochstabilen Quarz­oszillator, der wie eine moderne Armbanduhr im Radio­frequenz­bereich „tickt“, und ein komplettes Laser­system zum Vergleich in den Weltraum geschossen. Herzstück des Lasersystems ist ein mikrointegriertes Halbleiter­lasermodul, das am Berliner Ferdinand-Braun-Institut entwickelt, gebaut und getestet wurde. An der Humboldt-Universität zu Berlin fand die Gesamt­integration des Laser­systems statt. Die Frequenz der Halbleiter­laser wird in einem von der Universität Hamburg entwickelten Modul auf einen atomaren Übergang der Rubidium-Atome stabilisiert. Diese bilden im Verbund mit den Lasern eine optische Atomuhr, die physikalisch nach einem anderen Prinzip als die Quarzuhr arbeitet und etwa zehn Millionen Mal schneller „tickt“ als diese. Für den Vergleich des Gangs der beiden Uhren wird ein von der projekt­leitenden Firma Menlo Systems entwickelter optischer Frequenzkamm eingesetzt.

Die Wissenschaftler demonstrierten mit den Tests erstmals, dass derartige „optische Atomuhren“ und die dafür benötigten Laser­systeme im Weltraum für Tests der Gravi­tations-Rotver­schiebung und andere Präzisions­messungen eingesetzt werden können. Mit der anspruchs­vollen Technologie­­demonstration haben sie auch die techno­logischen Grundlagen für Tests des Einstein‘schen Äquivalenz­prinzips mit Kalium- und Rubidium-Atom­­interfero­­metern im Rahmen des Projekts MAIUS gelegt. MAIUS ist Teil der DLR-geförderten QUANTUS-Mission, bei der neue quanten­­physikalische Technologien entwickelt werden sollen, mit denen sich Atome kühlen, einfangen und manipulieren lassen. Auch die weitere Miniatu­ri­sierung der Lasermodule soll vorangetrieben und ein vollautoma­tisierter Quanten­­sensor im All getestet werden. Langfristiges Ziel ist hier die Überprüfung des Einstein’schen Äquivalenz­­prinzips, nach dem alle Körper in einem Gravitations­potential „gleich schnell fallen“.

Unzählige Fallturmexperimente am Zentrum für Angewandte Raumfahrt­techno­logie und Mikro­gravi­tation ZARM in Bremen bereiteten das ausgeklügelte Experiment im Weltraum vor. Das Lasermodul wurde am Ferdinand-Braun-Institut im Rahmen des Joint Lab Laser Metrology mit der Arbeits­gruppe Optische Metrologie der HU Berlin realisiert. Das Joint Lab untersucht und entwickelt seit Längerem ultrapräzise und extrem kompakte Halbleiter-Lasermodule für den Einsatz im All. Deren Kernstück ist ein Distributed-Feedback-Laser (DFB-Laser), der Licht in einem sehr engen Frequenz- beziehungs­­weise Wellenlängen­­bereich abgibt. Diese spektrale Schmal­­bandigkeit ist eine der zentralen Anforderungen an das Lasermodul, das für die Spektroskopie der Rubidium-Atome und damit für Präzisions­­messungen benötigt wird. Mithilfe einer weltweit einmaligen, hybriden Mikro­integrations­technologie wird der Diodenlaser­chip zusammen mit elektro­nischen und optischen Komponenten zu einem überaus kompakten, raketen­tauglichen Aufbau integriert. Schließlich müssen die nur handtel­ler­großen Module auch unter den extrem rauen Bedingungen im Weltraum reibungslos funktionieren. Beim Raketenstart sind sie starken mechanischen Belastungen ausgesetzt, bei denen Beschleunigungen bis zum achtfachen der Erdbeschleu­nigung einwirken.

Abb.: TEXUS 51 ist am 23. April 2015 um 9.35 Uhr vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nord­schweden gestartet. Die Forschungs­rakete erreichte eine Höhe von rund 259 Kilometern. (Bild: EADS Astrium)

„Unsere Integrationstechnologie ermöglicht aber auch Belastungen bis zum Dreißigfachen der Erdbeschleunigung“, sieht sich Andreas Wicht, der die Arbeitsgruppe Laser­metrologie am FBH leitet, für künftige Anforderungen gut gerüstet. „Wir arbeiten zudem an spektral noch schmalbandigeren Lasern mit hybrid-integriertem optischen Verstärker, die sich für noch komplexere Experimente exzellent eignen.“ Damit baut das FBH zugleich sein Know-how im Bereich der optischen und spektro­skopischen Präzisions­­messungen aus, die zu den präzisesten und genauesten Mess­verfahren unserer Zeit gehören und weitere Anwendungen eröffnet.

Weitere Nutzlasten des TEXUS-51-Flugs waren das Experiment ParSiWal zur Bestimmung der Qualität und Wirkungsgrad von Silizium-Solarzellen, SITI-2 – Signal­transduktion in Zellen des Immun­systems in Schwere­losigkeit der Uni Magdeburg, sowie Transition from columnar to equiaxed solidi­fication in a transparent model alloy TRACE-3 vom Forschungs­zentrum ACCESS in Aachen.

FVB / OD

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