01.02.2012

Einstein Lecture „Korrelierte Elektronen“

Dieter Vollhardt, Träger der Max-Planck-Medaille der DPG, fasst die Einblicke in elektronische Korrelationen in der neuesten Ausgabe der Annalen der Physik zusammen.

Vergessen Sie, was Sie in der Schule gelernt haben. In der Physik, speziell der Quantenphysik, kann der Mittelwert eines Produkts von dem Produkt der Mittelwerte der einzelnen Größen abweichen: AB muss nicht unbedingt das gleiche sein wie AB. Der Unterschied rührt, per definitionem, von Korrelationen her. Elektronische Korrelationen haben einen starken Einfluss auf die Eigenschaften von Materie. So können sie beispielsweise einen diskontinuierlichen Übergang zwischen leitendem und isolierendem Verhalten verursachen. Ein idealer Spielplatz für Physiker, um fundamentale Aspekte der Festkörperphysik zu erforschen! Dieter Vollhardt diskutiert in seinem Beitrag nun die theoretische Beschreibung korrelierter Systeme.

Abb.: Im Rahmen des Hubbard-Modells für wechselwirkende Elektronen in einem Festkörper treten die Ionen lediglich in Gestalt eines starren Gitters auf (hier zur Einfachheit ein Quadratgitter). Die quantenmechanische Dynamik der Elektronen drückt sich durch Fluktuationen in der Besetzung der Gitterplätze aus, die in dem hellblauen Kasten als Momentaufnahmen dargestellt sind. (Abb.: D. Vollhardt / Physik Journal)

In vielen Elementen des Periodensystems findet man zwei Elektronen, die das selbe enge d- oder f-Orbital (mit entgegengesetztem Spin) besetzen. Solche Elektronen sind korreliert, da der Effekt der Coulomb-Wechselwirkung zwischen den Elektronen durch die räumliche Enge verstärkt wird. Dies gilt für viele Materialien mit teilweise gefüllten d- und f-Schalen, wie die Übergangsmetalle Vanadium und Nickel sowie ihre Oxide oder Seltene-Erden-Metalle. Das Wechselspiel zwischen dem Spin, der Ladung und den Freiheitsgraden des Orbitals der korrelierten d- und f-Elektronen mit den Freiheitsgraden des Gitters führt zu einer Vielfalt an Korrelations- und Ordnungs-Phänomenen, wie dem Verhalten schwerer Fermionen, der Hochtemperatur-Supraleitfähigkeit, dem kolossalen Magnetwiderstand, dem Mott-Metall-Isolator-Übergang und den Instabilitäten in Fermi-Flüssigkeiten. Solche Eigenschaften machen Materialien mit korrelierten Elektronen zu interessanten Forschungsobjekten, und dies nicht nur für die Grundlagenforschung. So ist auch an zukünftige technische Anwendungen gedacht, beispielsweise als Basis für die Konstruktion von Sensoren und Schaltern und ganz allgemein für die Entwicklung elektronischer Bauteile mit neuartigen Funktionalitäten.

In seiner Arbeit beschreibt Vollhardt die Formulierung einer umfassenden Theorie zur Untersuchung korrelierter Vielkörper-Quantensysteme, die Dynamische Molekularfeldtheorie (Dynamical Mean-Field Theory, DMFT). Während der letzten beiden Jahrzente hat sich die DMFT in eine leistungsfähige Methode zur Erforschung elektronischer Systeme mit starken Korrelationen entwickelt. Sie stellt ein umfassendes, nicht-störungstheoretisches und thermodynamisch konsistentes Näherungsschema für die Erforschung eines Systems mit endlichen Dimensionen dar und ist besonders nützlich für das Studium von Problemen, bei denen störungstheoretische Ansätze nicht anwendbar sind. Aus diesem Grund ist die DMFT inzwischen die Standard-Molekularfeld-Theorie für fermionische Korrelationsprobleme geworden. Die Generalisierung dieses Ansatzes und seiner Anwendungen ist derzeit ein Gegenstand aktiver Forschung. Dabei stehen nicht-lokale Generalisierungen der DMFT im Vordergrund. Sie werden es möglich machen, sogar Korrelationseffekte über kurze Distanzen, die im Maßstab mehrerer Gitterkonstanten auftreten, zu studieren und zu erklären. In 10 bis 15 Jahren könnten DMFT-basierte Ansätze zur Verfügung stehen, die genauso erfolgreich und standardisiert sind wir die derzeitigen Dichtefunktional-Methoden. Die Entwicklung eines umfassenden theoretischen Ansatzes, der Physikern erlaubt, Korrelationseffekte in Materialien – von komplexen anorganischen Materialien bis hin zu biologischen Systemen – quantitativ zu verstehen und vorherzusagen, ist eine der großen Herausforderungen der theoretischen Physik.

Die Einstein Lectures wurden 2005 als Beitragsserie im Zuge des Einstein-Jahres eingeführt. Sie umfasst Artikel namhafter Wissenschaftler, etwa der Nobelpreisträger Theodor Hänsch, Roy Glauber und Peter Grünberg.

AdP / OD

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