31.07.2014

Eisentellurid auf die Spins geschaut

Mit genauer Analyse magne­tischer Struk­turen lässt sich die Natur der Hoch­tempe­ratur­supra­leiter er­gründen.

Stoffe wie die Kupferoxid-Keramiken oder die Eisen-Arsen-Verbindungen gelten als Hoch­tempe­ratur­supra­leiter: Sie müssen nicht ganz so stark gekühlt werden wie andere Stoffe, um in den supra­leitenden Zustand überzugehen. Warum ist das so? Bislang existieren Hypothesen, aber keine gesicherte Beschreibung der genauen Vorgänge. „Eine zentrale Frage, die sich viele Forschungs­gruppen stellen, ist die nach dem Verhältnis zwischen magne­tischen und supra­leitenden Eigenschaften der Materialen“, sagt Peter Wahl vom MPI für Fest­körper­forschung, „können beide Effekte an ein und derselben Stelle auftreten? Oder schließen sie sich gegenseitig aus?“ Den Vermutungen der Experten zufolge sind die magne­tischen Eigenschaften der Stoffe die Ursache für ihre Supra­leit­fähig­keit.

Abb.: Magnetische Ordnung von Eisen­tellurid, abgebildet mit einem Tief­temperatur-Raster­tunnel­mikroskop. Der vergrößerte Abschnitt zeigt die atomare Struktur. (Bild: P. Wahl, U. St Andrews & MPI-Fkf.)

Um das zu überprüfen, wird schon lange nach einem Verfahren gesucht, die magnetischen Strukturen in dieser Art Systemen, den stark korrelierten Elektronen­systemen, Atom für Atom zu analysieren. Die Methode der Neutronenstreuung ist bisher das Mittel der Wahl für Untersuchungen der magnetischen Ordnung, allerdings lieferte sie nur räumlich gemittelte Einblicke in die magnetische Struktur und konnte keine Genauigkeit auf atomarer Skala erreichen.

Jetzt bedienten sich die Stutt­garter Max-Planck-Forscher eines spin-polarisierten Raster­tunnel­mikroskops, das die Orientierung des Elektronen­spins an einem einzelnen Atom abbilden kann. Die Methode ist nicht neu, wurde bisher allerdings nur auf metallische Oberflächen und Nano­strukturen angewendet. Allerdings war bisher nicht ganz klar, ob sich mit der Methode auch die magnetische Strutur eines stark korrelierten Systems wie des Eisen­tellurids aufklären ließe. Denn die oberste Schicht dieses Materials besteht aus Tellur, das selbst nicht magnetisch ist.

Wie die Wissenschaftler nun zeigen konnten, ist das spin-polari­sierte Raster­tunnel­mikroskop trotz der äußeren Tellur­schicht auch auf stark korre­lierte Elektronen­systeme anwendbar. Das darunter liegende Eisengitter hat wohl einen zu großen Einfluss. In der Aufnahme des Rastertunnelmikroskops sind deutlich schmale Längs­streifen zu erkennen, die aus der anti­ferro­magnetischen Ordnung im Eisen­tellurid resultieren. Innerhalb der Streifen sind alle magnetischen Momente gleich orientiert, auf dem daneben liegenden Streifen entgegen­gesetzt.

Eine experimentelle Heraus­forderung bestand darin, die Spitze des Mikroskops für die spin-polari­sierten Unter­suchungen zu magneti­sieren. Für Studien an Nano­strukturen auf Ober­flächen erreichten Forscher dies vor allem, indem sie die Spitze des Mikro­skops erhitzten und mit einem magne­tischen Material bedampften. Um dieses aufwändige Verfahren zu umgehen, behalfen sich die Wissen­schaftler eines Tricks: Sie sammelten mit der Spitze des Mikroskops einzelne Eisen­atome auf, die sich auf der Ober­fläche des untersuchten Eisen­tellurids befinden, und magnetisierten die Spitze auf diese Weise.

Einen interessanten Fund machten die Forscher bei der Temperatur, die nötig ist, damit sich die anti­ferro­magne­tische Struktur ausbildet. Im Experiment lag diese bei ungefähr minus 227 Grad Celsius, rund 20 Grad unter der normaler­weise notwendigen Temperatur. Der Grund dafür liegt darin, dass die Forscher im Experiment nur die Oberfläche des Eisen­tellurids betrach­teten. Im Vergleich zu Eisen­tellurid-Lagen aus der Mitte des Kristalls fallen hier die Wechsel­wirkungen mit einer darüber liegenden Atomschicht weg. Folglich können sich die magnetischen Momente in ihrer Ordnung nicht so gut gegen­seitig stabili­sieren – die magnetische Struktur bildet sich erst bei einer niedrigeren Temperatur.

Wie Wahls Forschungs­gruppe außerdem feststellte, wird die magne­tische Ordnung bei einem höheren Anteil von Eisenatomen komplexer: Die Längs­streifen lösen sich teil­weise auf und werden von Quer­streifen überlagert. Anscheinend bringen die über­schüs­sigen Atome und ihre magnetischen Momente die magnetische und kristalline Ordnung durch­einander. „Hier gibt es noch viel Forschungs­spielraum“, sagt Wahl, „ich glaube, dass sich in nächster Zeit ein richtiger Boom entwickelt, Gruppen werden an anderen, supra­leitenden Materialien ähnliche Experimente durchführen.“ Das Verständnis der Eigen­schaften solcher Stoffe wäre der erste Schritt zu effizien­terer und irgend­wann vielleicht sogar alltagstauglicher Supra­leiter­techno­logie.

MPG / OD

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