Elektromagnetisches schwarzes Loch
Röntgenblitz bewirkt bislang stärkste Ionisation eines Moleküls.
Mit einem ultraintensiven Röntgenblitz haben Forscher ein einzelnes Atom in einem Molekül kurzzeitig in eine Art „elektromagnetisches schwarzes Loch“ verwandelt. Anders als Schwarze Löcher im Weltall saugt das beschossene Atom allerdings nicht mit seiner Schwerkraft Materie aus der Umgebung an, sondern Elektronen über seine elektrische Ladung – und lässt damit sein Molekül innerhalb eines winzigen Sekundenbruchteils explodieren. Die Untersuchung liefert entscheidende Informationen für die Analyse von Biomolekülen mit Hilfe von Röntgenlasern.
Abb.: Das helle Röntgenlicht schlägt so viele Elektronen aus dem Iodatom (rechts), dass dieses wie eine Art elektromagnetisches Schwarzes Loch die Elektronen der Methylgruppe (links) absaugt, die schließlich ebenfalls davongeschleudert werden. (Bild: DESY / Science Communication Lab)
Die Forscher beschossen Iodmethan-
Diese Ionisation geschieht aber nicht auf einen Schlag. „Die Methylgruppe CH3 ist quasi blind für die Röntgenstrahlung“, sagt Santra, der auch Physikprofessor an der Universität Hamburg ist. „Der Röntgenblitz entreißt zunächst dem Iodatom fünf bis sechs seiner Elektronen. Durch die resultierende hohe positive Ladung saugt das Iodatom die Elektronen von der Methylgruppe ab wie eine Art atomares Schwarzes Loch.“ Tatsächlich ist die Kraft auf die Elektronen dabei sogar wesentlich stärker als die eines typischen astrophysikalischen Schwarzen Lochs mit der Masse von etwa zehn Sonnen. „Solch ein echtes Schwarzes Loch könnte durch seine Gravitation auf ein Elektron keine vergleichbar hohe Kraft ausüben, egal wie nah man das Elektron an das Schwarze Loch heranbringt“, erläutert Santra.
Der Vorgang ist so schnell, dass die abgesaugten Elektronen noch vom selben Röntgenblitz hinauskatapultiert werden. Es entsteht eine Kettenreaktion, in deren Verlauf dem Iodmethan bis zu 54 seiner 62 Elektronen entrissen werden – alles in weniger als einer billionstel Sekunde. „Auf diese Weise sammelt sich eine extreme positive Ladung innerhalb eines zehntel milliardstel Meters. Das zerreißt das Molekül“, sagt Daniel Rolles von DESY und der Kansas State University.
Die Beobachtung dieser ultraschnellen Dynamik hat große Bedeutung für die Analyse komplexer Moleküle mit Freie-
Das Iodmethan diente bei dieser Untersuchung als Modellsystem. „Iodmethan ist als relativ einfaches Molekül gut geeignet, um die Prozesse der Strahlungsschädigung in anderen, komplexer aufgebauten organischen Verbindungen zu verstehen“, sagt Artem Rudenko von der Kansas State University. „Wenn mehr Nachbarn als die einzelne Methylgruppe vorhanden sind, können noch mehr Elektronen eingesaugt werden.“ Dem Team von Robin Santra ist es dabei erstmals gelungen, diese ultraschnelle Dynamik auch theoretisch zu beschreiben. Das war nur durch die Entwicklung eines neuen, weltweit einmaligen Computerprogramms möglich. „Es ist nicht nur das erste Mal, dass diese Untersuchung gelungen ist, wir haben sogar eine numerische Beschreibung des Vorgangs“, betont Sang-Kil Son vom CFEL, der für das Entwicklungsteam des Computerprogramms verantwortlich ist. „Die Daten haben hohe Relevanz für Untersuchungen an Freie-
An der Untersuchung waren außer DESY, der Kansas State University und SLAC die Tohoku-
DESY / DE