04.05.2020

Elektron-Loch-Paare nach Maß

Versuche an atomar dünnen Kristallen erleichtern die Suche nach neuen Quantenmaterialien.

Moderne Informations­technologie basiert auf immer leistungs­fähigeren und kompakteren Schalt­kreisen. Das ultimative Limit ist dabei die atomare Längenskala. Neuartige Schicht­kristalle, die Übergangs­metall-Dichalkogenide, lassen sich auf eine Dicke von nur wenigen Atomdurch­messern ausdünnen und wecken daher große Hoffnungen. Diese Schichten bieten gegenüber konven­tionellen Halbleitern zudem einen weiteren Freiheitsgrad: Die relative Ausrichtung benachbarter Lagen. Durch präzises Ausrichten zweier aufeinander­gestapelter Kristall­schichten können ganz neue Funk­tionalitäten erzeugt werden. So kann eine Doppellage unter einem bestimmten Stapel­winkel in einen supra­leitenden Zustand übergehen – der elektrische Widerstand verschwindet komplett – unter anderen Winkeln wird das Material hingegen streng isolierend. 

Abb.: Künst­lerische Dar­stellung von Elektron-Loch-Paaren in...
Abb.: Künst­lerische Dar­stellung von Elektron-Loch-Paaren in Schicht­strukturen eines Übergangs­metall-Dichalko­genids. (Bild: F. Mooshammer)

Um derart paradoxes Verhalten zu verstehen, muss man aufklären, wie die geladenen Teilchen innerhalb eines Festkörpers miteinander interagieren. Regt man beispielsweise ein Elektron durch Absorption von Licht in einem Übergangs­metall-Dichalkogenid an, so lässt es auf seinem ursprüng­lichen Platz eine Fehlstelle zurück. Elektron und Loch können ein gebundenes Paar, ein Exziton, bilden. Dabei umkreist das negativ geladene Elektron das positiv geladene Loch, ähnlich wie ein Elektron im Wasserstoff­atom den Kern umkreist. Wie stark Elektron und Loch jedoch hierbei gebunden sind, könnte eine maßgebliche Rolle für Übergänge zu supra­leitenden oder anderen, noch unentdeckten Phasen spielen.

Regensburger Physiker um Rupert Huber und John Lupton konnten nun in einer Zusammenarbeit mit den Gruppen von Ermin Malic an der Chalmers University in Schweden, sowie von Janina Maultzsch an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, erstmals die Bindungs­stärke von Exzitonen in atomar dünnen Schicht­strukturen bestimmen und diese mittels des Stapelwinkels sogar präzise kontrollieren. Hierzu regten sie in Doppellagen von Übergangs­metall-Dichalko­geniden Elektronen durch ultrakurze Lichtblitze an, wodurch Elektron-Loch-Paare entstehen. Während das Loch bevorzugt in seiner ursprüng­lichen Lage verbleibt, kann das Elektron zwischen den Lagen hin und her wandern. Mittels des Stapelwinkels kann die Bewegungs­freiheit des Elektrons eingeschränkt beziehungs­weise erweitert werden. Dies erlaubt, die Ausdehnung der Elektron-Loch-Paare und damit die Stärke deren Bindung zu variieren.

Die Forscher fanden weiterhin heraus, dass sich auch die Lebensdauer der Exzitonen sowie deren Wechselwirkung untereinander mit Hilfe des Stapel­winkels über einen großen Bereich hin maßschneidern lassen. Die neuen Erkennt­nisse eröffnen einen qualitativ neuen Weg zur Fein­abstimmung elek­tronischer und optischer Eigenschaften schichtartiger Kristalle. Dies könnte langfristig maßge­schneiderte elek­tronische Phasen­übergänge und eine neue Generation ultimativ kompakter Opto­elektronik ermöglichen.

U. Regensburg / JOL

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