26.05.2011

Elektron weiterhin ohne elektrischen Dipol

Präzisionsmessungen an polaren Molekülen schränken das Dipolmoment stark ein.

Präzisionsmessungen an polaren Molekülen schränken das Dipolmoment stark ein.

Um die subtilen Eigenschaften der Elementarteilchen zu erforschen, braucht man nicht immer einen großen Teilchenbeschleuniger. Manchmal reichen dazu auch schon die weniger aufwendigen Mittel der Atomphysik aus. So haben jetzt Wissenschaftler am Imperial College London bei Experimenten mit ultrakalten Molekülen das permanente elektrische Dipolmoment des Elektrons mit bisher unerreichter Genauigkeit gemessen – und keinen von Null verschiedenen Wert gefunden.

Abb.: Das elektrische Dipolmoment des Elektrons wurde mit acht verschiedenen experimentellen Konfigurationen gemessen. Die durchgezogene Linie gibt den Mittelwert, die gestrichelten Linien den statistischen Fehler. (Bild: J. J. Hudson et al., Nature)

Das Elektron besitzt ein magnetisches Dipolmoment, doch ein elektrisches hat man ihm bisher nicht nachweisen können. Demnach ist seine elektrische Ladung perfekt kugelförmig im Raum verteilt. Folgt man dem Standardmodell der Teilchenphysik, so könnte die Ladungsverteilung asymmetrisch sein. Allerdings wäre das resultierende elektrische Dipolmoment kleiner als 10-40 e cm, und damit gegenwärtig nicht messbar. Viele Erweiterungen des Standardmodells erlauben indes ein deutlich größeres Dipolmoment. Insbesondere lässt sich die supersymmetrische Version des Standardmodells, die jedem Teilchen ein (bisher noch unentdecktes) Partnerteilchen zuordnet, nur schwer mit einem verschwindenden Elektronendipol in Einklang bringen.

Eine intensive Suche nach dem elektrischen Dipol des Elektrons lohnt sich also, könnte sie doch Hinweise auf eine Physik jenseits des Standardmodells geben. Atomphysiker wie Ed Hinds und seine Mitarbeiter beteiligen sich seit einiger Zeit an dieser Suche. Sie nutzen dabei aus, dass in manchen Atomen und Molekülen sehr starke elektrische Felder auftreten, die dazu führen, dass ein elektrisches Dipolmoments des Elektrons die Energie des Atoms oder Moleküls verändern würde. Die Kunst besteht nun darin, möglichst kleine Energieänderungen zu messen, was die Atomphysiker ja besonders gut können.

Die britischen Forscher benutzten bei ihren Experimenten ultrakalte polare Ytterbiumfluoridmoleküle, die sie in eine Überlagerung zweier Hyperfeinzustände |F,mF> = |1,±1> brachten, wobei mF die z-Komponente des Gesamtdrehimpulses F ist. Die Moleküle passierten gleichzeitig ein elektrische Feld und ein Magnetfeld, die beide in z-Richtung zeigten. Das elektrische Feld rief im Molekül ein effektives elektrisches Feld E in z-Richtung hervor, das auf die Elektronen wirkte und ihnen die potentielle Energie –dE gab. Das Magnetfeld B gab den magnetischen Dipol µ der Elektronen die Energie –µB. Aus Symmetriegründen muss d in die dieselbe Richtung wie der Elektronenspin s zeigen: d = des, wobei de das gesuchte elektrische Dipolmoment des Elektrons ist.

Die beiden molekularen Hyperfeinzustände waren der E-B-Feldkombination während einer Zeit T ausgesetzt. Dabei entwickeln sie aufgrund ihres Energieunterschieds unterschiedliche Phasen mit einer Phasendifferenz 2f=4π(µBB–deE)T/h, wobei µB das Bohrsche Magneton ist. Am Ende dieser Zeit wurden die Moleküle einem Radiofrequenzpuls ausgesetzt, der sie mit der Wahrscheinlichkeit cos2f in den Hyperfeinzustand |0,0> brachte. Diese Wahrscheinlichkeit, die durch Messung der Fluoreszenzintensität der Atome bestimmt wurde, ergab die Phasendifferenz f und damit das Dipolmoment de.

Um die Messgenauigkeit zu erhöhen, schickten die Forscher insgesamt 25 Millionen Molekülpakete durch die Versuchsanordnung und bestimmten für jedes von ihnen die Phasendifferenz f. Dabei änderten sie in unregelmäßiger Weise die relative Ausrichtung der E- und B-Felder zwischen parallel und antiparallel, sodass sich ihre Beiträge zur Phasendifferenz mal addierten, mal subtrahierten. Außerdem änderten sie auch noch ihren Versuchsaufbau, sodass die Messungen mit acht verschiedenen Konfigurationen durchgeführt wurden. Dies alles diente dazu, systematische Fehler möglichst auszuschalten.

Nach einer eingehenden Fehleranalyse kommen die Forscher zu folgendem Ergebnis für das elektrische Dipolmoment des Elektrons: |de| < 10,5  10-28 e cm. Dieses Resultat ist etwa 1,5-mal genauer als ein früheres Ergebnis, das andere Forscher bei Experimenten mit Thalliumatomen gewonnen hatten. Hinds und seine Kollegen sind zuversichtlich, die Messgenauigkeit ihres Experiments schon bald auf 10-29 e cm verbessern zu können. Dann könnten sie Abweichungen der Ladungsverteilung des Elektron von der idealen Kugelform auf einer Längenskala sehen, die Energien von mehreren 10 TeV entspräche – und das alles ohne Teilchenbeschleuniger.

RAINER SCHARF


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