05.06.2018

Elektronen in extremer Umgebung

Kombination von zwei Modellen ermöglicht präzise Beschreibung hoch angeregter Elektronen.

Es ist die Drosophila der modernen Physik: das homogene Elektronengas. So wie die Frucht­fliege als Modell­organismus unter anderem dafür genutzt wird, die Prinzipien der Genetik zu beschreiben, lassen sich mit diesem Modell eines Gases wichtige Eigenschaften von Elektronen erforschen. Einem Forschungs­team vom Institut für theoretische Physik und Astro­physik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ist es nach mehreren Jahren Arbeit gelungen, das Verhalten von Elektronen unter extremen Bedingungen genau zu beschreiben.

Abb.: Die Kieler Physiker Tobias Dornheim, Simon Groth und Michael Bonitz haben zwei Simulations­verfahren entwickelt, mit deren Kombination sie die bisher genauesten thermo­dynamischen Daten hoch­angeregter Elektronen erzielen konnten. (Bild: J. Siekmann)

Das auch „Jellium“ genannte Modell beschreibt das Verhalten von Elektronen in Metallen, in Molekülen sowie in Clustern von Atomen. Elektronen bestimmen aber auch das Verhalten von Sternen und Planeten oder auch die Struktur des Erd­kerns. Dort sind sie extremen Bedingungen ausgesetzt, wie Temperaturen von einigen Tausend bis Millionen Grad Celsius oder Drücken, die Elektronen bis zu tausend­mal stärker komprimieren als in Metallen. Ähnlich extreme Bedingungen werden inzwischen auch in einigen Laboren erzeugt: Mit Hilfe von Hoch­intensitäts­lasern oder Freien-Elektronen-Lasern, wie etwa dem XFEL am Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg, werden unter­schiedliche Materialien unter­sucht, nachdem sie erhitzt, komprimiert oder stark angeregt wurden.

Seit mehr als sechzig Jahren versuchen Physiker weltweit, das Verhalten von Elektronen zu verstehen und vorher­zusagen. Es gibt eine Vielzahl unter­schiedlicher Modelle für das homogene Elektronen­gas, die Eingang gefunden haben in komplexere Theorien, wie etwa die sogenannte Dichte­funktional­theorie. Sie hat sich inzwischen als Grund­lage der Beschreibung von Atomen, Molekülen und Fest­körpern etabliert. Die Genauigkeit der ihr zugrunde liegenden Modelle war allerdings lange Zeit unklar.

In den letzten fünf Jahren hat ein Team um Michael Bonitz, in Zusammen­arbeit mit Kollegen vom Imperial College London (Großbritannien) und vom Los Alamos National Laboratory (USA) hier einen Durch­bruch erzielt. Sie entwickelten zwei neue Computer­simulations­verfahren, deren Kombination es ermöglicht, das Verhalten der Elektronen für alle relevanten Bedingungen exakt vorher­zusagen. Mit diesen Quanten-Monte-Carlo-Simulationen aus der Stochastik lassen sich hoch­dimensionale komplexe Probleme mithilfe der Wahrscheinlichkeits­theorie numerisch lösen. „Unsere Ergebnisse sind die ersten exakten Daten für die thermo­dynamischen Eigenschaften von Elektronen unter extremen Bedingungen. Damit lassen sich jetzt auch die schon existierenden Modelle zum ersten Mal überprüfen und verbessern“, so Bonitz‘ Ausblick.

Die berechneten Daten stehen Wissenschaftlern weltweit über das Programm „LDA_XC_GDSMFB“ zur Verfügung, das in die Programm­bibliothek „libxc“ aufgenommen wurde. Die dort gesammelten Funktionen der Dichte­funktional­theorie sind frei zugänglich.

CAU / DE

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