Elektronen tanzen lassen
Mit Attosekundenblitzen lassen sich ultraschnelle Elektronenbewegungen durch dynamische Ausrichtung steuern.
Noch ist es Zukunftsmusik. Neuartige Medikamente und Chemikalien, mit Lichtteilchen arbeitende Computer, die viel schneller funktionieren als ihre heutigen Vertreter. Wissenschaftlern am Berliner Max-Born-Institut (MBI) ist es gelungen, ultraschnelle Elektronenbewegungen in neutralen Molekülen experimentell sichtbar zu machen. Dies ist ein wichtiger Schritt, um eines Tages chemische Prozesse viel genauer kontrollieren zu können, als dies derzeit möglich ist. „Bis heute ist es nur sehr begrenzt möglich, chemische Reaktionen zu steuern“, sagt Professor Marc Vrakking, in dessen Attosekunden-Laboratorien am MBI der Durchbruch gelang. Es habe zwar schon früher Versuche mit farbigem Licht gegeben, aber das sei meist erfolglos geblieben. Die übertragene Energie habe sich zu rasch im Molekül verteilt und dann gebe es keinen Effekt mehr. „Mit den neuen Attosekunden-Ansätzen gibt es die Hoffnung, die Elektronen direkt zu steuern“, erläutert Christian Neidel, der die Versuche mit Kollegen am MBI, aus Lyon und Lund durchführte. An den einfachen Molekülen Kohlendioxid, Stickstoff und Ethen verliefen die Experimente erfolgreich.
Abb.: Extrem kurze Laser-Pulse verändern die Elektronenwolken von Molekülen. (Bild: MBI)
Die neuen Arbeiten, um die Dynamiken der Elektronen in neutralen Molekülen zu messen, basieren auf einem raffinierten Trick, der sich „dynamische Ausrichtung“ nennt. Dabei wird das Molekül einer moderat starken Laserstrahlung ausgesetzt, die einen Dipol im Molekül erzeugt. Dadurch richtet sich das Molekül entlang der Polarisationsachse des Laserlichtes aus. Es wird quasi festgehalten, um den günstigsten Winkel für einen Folgeprozess –, beispielsweise die Ionisation, also das Herausschießen eines Elektrons – kontrollieren zu können.
Bei herkömmlichen chemischen Reaktionen sind nur die äußeren Elektronen beteiligt. Im Pumpe-Probe-Experiment konnten zeitabhängige Signale gemessen werden, weil der Laser, der das Molekül ausrichtet, die Dichte der Elektronen auch in der Nähe der Atomkerne beeinflussen kann. Wieso ist es dann aber einfacher, Elektronen herauszuschießen, die sich dicht an den Atomkernen aufhalten? Die Ursache liegt in der Quantenphysik, je näher sich das Elektron an einem Atomkern befindet, umso leichter ist es, Energiepakete auf das Elektron zu übertragen. Auf diese Weise konnte eine Art Film der Elektronen-Bewegungen unter dem Einfluss des Ausrichtungslasers gedreht werden.
In der Attosekundenphysik waren die Wissenschaftler die ersten Jahre damit beschäftigt, die neue Technik zu entwickeln. Seit gut sechs Jahren nimmt nun die Molekül- und Materialforschung Fahrt auf, es herrscht Aufbruchsstimmung. Ganz neu sind Experimente zur Manipulation von Stromflüssen in Festkörpern unter Zuhilfenahme von Attosekundenlichtblitzen. „Das geht in die Richtung, elektronische Schaltungen aufzubauen, die zehntausend Mal schneller sind als derzeitige Computerchips“, berichtet Vrakking. Künftig seien sogar photonische Computer denkbar, die dann um einen Faktor 10.000 schneller würden.
MBI / CT